(Neu: Einschätzung McKinsey ergänzt)
DOHA (dpa-AFX) - Nach zwei herben Verlustjahren wegen der Corona-Pandemie sieht die Luftfahrtbranche Grund für Zuversicht. Für 2023 sollten branchenweit wieder schwarze Zahlen am Horizont sein, sagte der Generaldirektor des Weltluftfahrtverbands IATA, Willie Walsh, bei der Generalversammlung am Montag in Doha. Den Fluggesellschaften in Nordamerika dürfte nach seiner Schätzung schon dieses Jahr ein Milliardengewinn gelingen, während die Branche in Europa noch rote Zahlen schreibt. Dabei macht der Anstieg der Kerosinpreise infolge des russischen Angriffs den Unternehmen zu schaffen. Allerdings können sie bei ihren Kunden auch höhere Ticketpreise durchsetzen.
Für das laufende Jahr rechnet die IATA jetzt mit einem weltweiten Branchenverlust von 9,7 Milliarden US-Dollar (9,2 Milliarden Euro). Das sind knapp zwei Milliarden weniger als im Oktober vorhergesagt und rund 77 Prozent weniger als im zweiten Corona-Jahr 2021. Die Fluggesellschaften in Nordamerika dürften sogar einen Gewinn von 8,8 Milliarden Dollar einfliegen. In den übrigen Teilen der Welt steuert die Branche dem Verband zufolge aber erneut auf rote Zahlen zu.
So dürften die Fluggesellschaften in Europa ihren Verlust im Jahresvergleich um rund zwei Drittel auf 3,9 Milliarden Dollar eindämmen. Bei den Airlines aus der Region Asien-Pazifik erwartet die IATA eine Verringerung des Verlusts auf 8,9 Milliarden Dollar.
Vor allem in China bremsen pandemiebedingte Reisebeschränkungen und örtlichen Lockdowns die Erholung der Nachfrage. Und wegen Flugverboten über Russland verlängern und verteuern sich für westliche Airlines die Flüge zwischen Europa und Asien. Bei ihren Prognosen geht die IATA davon aus, dass sich die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen nicht gravierend verschlimmern.
Die Reisebeschränkungen infolge der Pandemie haben den Fluggesellschaften weltweit historische Verluste eingebrockt. Der IATA zufolge belief sich der Fehlbetrag der Branche im Krisenjahr 2020 auf 137,7 Milliarden Dollar. Im zweiten Corona-Jahr 2021 sank das Minus auf 42,1 Milliarden Dollar. Zusammen mit dem erwarteten Verlust in diesem Jahr dürfte sich der Fehlbetrag damit auf knapp 190 Milliarden Dollar summieren.
Angesichts der absehbaren Eindämmung der Verluste und der Aussicht auf schwarze Zahlen im kommenden Jahr sprach IATA-Chef Walsh von "Zeit für Optimismus". Im laufenden Jahr rechnet der Verband weltweit mit knapp 3,8 Milliarden Fluggästen - 73 Prozent mehr als im Vorjahr und noch rund 17 Prozent weniger als vor der Pandemie im Jahr 2019.
Der Umsatz im Passagiergeschäft soll sich im Vergleich zu 2021 auf 498 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln - auch dank höherer Ticketpreise. Das Luftfrachtgeschäft werde seinen Rekorderlös aus dem vergangenen Jahr aber wohl nicht ganz erreichen. Insgesamt erwartet die IATA für die Branche rund 782 Milliarden Dollar Umsatz, knapp 55 Prozent mehr als 2021 und gut 93 Prozent des Vorkrisen-Niveaus.
Den Mehreinnahmen stehen allerdings deutlich gestiegene Treibstoffkosten gegenüber. Der Krieg in der Ukraine und die internationalen Sanktionen gegen Russland haben die Preise für Rohöl in die Höhe getrieben. Zudem sei die Differenz zwischen Kerosin- und Ölpreis deutlich höher als üblich, schreibt die IATA.
Unterdessen muss die Luftfahrt in vielen Ländern um neue Mitarbeiter ringen, nachdem reihenweise Beschäftigte die Branche in der Pandemie verlassen haben. Gerade in Ländern mit geringer Arbeitslosenquote dürfte dies zu steigenden Löhnen führen, so der Verband.
Das Beratungsunternehmen McKinsey geht unterdessen davon aus, dass sich die stärkere Nachfrage in der Branche auch in steigenden Investitionen in Flugzeuge widerspiegeln wird. "Es wird erwartet, dass die Anzahl der Auslieferungen im Jahr 2023 mit etwa 1700 Flugzeugen wieder das Niveau von 2018 erreichen wird. Auch die Anzahl der Bestellungen dürfte sich bis dahin voraussichtlich deutlich erholen", teilte das Unternehmen am Montag mit.
"Die Herausforderung ist nun, die Lieferketten wieder in Gang zu bringen." Vor allem kleinere Zulieferer in der Luftfahrtindustrie hätten Probleme, qualifiziertes Personal zu finden, um nun wieder größere Stückzahlen zu liefern./stw/ngu/men/DP/ngu
Quelle: dpa-Afx