(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu neuen Sparmaßnahmen, Kurs)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Chemikalienhändler Brenntag
Für das zweite Halbjahr geht Unternehmenschef Christian Kohlpaintner von einer besseren Nachfrage aus. "Vor dem Hintergrund der seit Jahresbeginn zu beobachtenden sequenziellen Mengenerholung sowie der Anzeichen, dass die Talsohle der Bestandskontrollmaßnahmen auf Kundenseite durchschritten ist, sind wir zuversichtlich, dass die Absatzmengen in der zweiten Jahreshälfte 2023 höher sein werden als in den ersten sechs Monaten."
Die Aktie legte im Mittagshandel um rund drei Prozent zu. Seit dem Jahreswechsel summiert sich das Plus damit auf gut 17 Prozent.
Im Gesamtjahr rechnet das Unternehmen nun mit einem bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (operatives Ebitda) von 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro. Zuvor hatte Brenntag bis zu 1,8 Milliarden angepeilt. Im zweiten Quartal ging das operative Ergebnis im Jahresvergleich um fast ein Viertel auf knapp 410 Millionen Euro zurück. Analysten hatten im Schnitt mit etwas weniger gerechnet.
Dabei lief es für Brenntag operativ in beiden Sparten - Specialties und Essentials - schlechter. Im Geschäftsfeld Specialties konzentriert sich Brenntag auf den Vertrieb von Inhaltsstoffen für ausgewählte Branchen. Im Bereich Essentials vermarktet das Unternehmen Prozesschemikalien.
Unter dem Strich blieb im Quartal ein auf die Aktionäre entfallender Gewinn von 186,9 Millionen Euro nach 287,5 Millionen ein Jahr zuvor. Mit 4,26 Milliarden Euro schrumpfte der Umsatz um fast 16 Prozent. Experten hatten insgesamt einen höheren Umsatz erwartet.
Für Analyst Chris Counihan von dem Analysehaus Jefferies liegt das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) des Chemikalienhändlers im Rahmen der Erwartungen. Der Geschäftsbereich Specialties habe zwar seine Schätzung getroffen, die Konsenserwartung aber verfehlt. Die Margen seien dort deutlich gesunken. Der operative Mittelzufluss sei derweil auf Jahressicht stark gestiegen.
Um die Kosten im Konzern weiter zu senken, leitet das Management nun weitere Maßnahmen ein. So soll die Zahl der Mitarbeiter um 300 reduziert werden, sagte Finanzchefin Kristin Neumann in einer Telefonkonferenz. Auch sollen die Ausgaben, etwa für Dienstreisen und Beratungen, gesenkt und weitere 25 Standorte bis Ende des Jahres geschlossen werden. Bezüglich der Kosteneinsparungen sagte die Managerin: "Für 2023 haben wir uns einen mittleren zweistelligen Millionen-Betrag vorgenommen."
Der seit Anfang 2020 amtierende Unternehmenschef Kohlpaintner hatte dem Konzern einen Umbau verordnet, um Brenntag profitabler zu machen. Bis Ende 2022 wurden mehr als 1300 Stellen gestrichen und 100 Standorte geschlossen.
Derweil geht der Konzern den nächsten Schritt, um seine beiden Sparten unabhängiger aufzustellen. So baut das Unternehmen die Führung um. Mit einer Neuausrichtung des Vorstands wertet der weltgrößte Chemikalienhändler die Spitzen der beiden Sparten auf und verlagert zudem bestimmte Funktionen, Verantwortlichkeiten und Aktivitäten von der Konzernebene in die zwei Sparten. Der Vorstand verkleinert sich dabei von fünf auf vier Mitglieder.
Brenntag war zuletzt in das Visier aktivistischer Investoren geraten. Dabei macht vor allem der britische Finanzinvestor Primestone auf sich aufmerksam, der gut zwei Prozent an Brenntag hält. Primestone wie auch dem US-Hedgefonds Engine Capital geht es darum, dass sich Brenntag in die beiden Sparten für Spezial- und Basischemikalien aufspalten soll. Davon erhoffen sich die Investoren eine schnelle Wertsteigerung.
Brenntag handelt international mit Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen. Das Unternehmen kauft die Stoffe bei Chemiekonzernen in größeren Mengen ein und verkauft sie in kleineren Mengen. In den vergangenen Jahren ist Brenntag mithilfe kleinerer Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen das Unternehmen in der Regel weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann weniger Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen. Zuletzt beschäftigte Brenntag mehr als 17 500 Mitarbeiter in 72 Ländern./mne/knd/jha/
Quelle: dpa-Afx