ELLWANGEN (dpa-AFX) - Der Batteriekonzern Varta
Am Freitag sackte die Aktie nach dem Rekordhoch am Vortag aber zum Handelsstart erst einmal um rund siebeneinhalb Prozent auf 118,90 Euro ab. Ein Händler sah die Zahlen beim Umsatz etwas schwächer, beim Ergebnis etwas besser als gedacht und gab zu bedenken, dass auch die Investitionen mit der neuen Prognosen angehoben worden seien.
Am Vortag hatte der Kurs ein Rekordhoch über 129 Euro erreicht, Varta ist damit an der Börse über 5 Milliarden Euro wert. Dabei war das Jahr für die seit einiger Zeit erfolgsverwöhnten Varta-Investoren nicht leicht. Zu Jahresbeginn hatten Berichte über aufkommende Konkurrenz durch Nachahmerprodukte aus China dem Kurs schwer zugesetzt, dann kam auch noch der Corona-Crash hinzu. Von mehr als 120 Euro Anfang des Jahres stürzte die Aktie bis Mitte März auf 50,50 Euro ab.
Doch die Fronten haben sich wieder geklärt. Anfang August legte Varta mit dem Großkunden Samsung einen Streit bei und einigte sich auf neue Lieferverträge, was auch der Aktie neuen Schub gab. Varta hatte den Koreanern wegen des Kaufs von Nachahmerprodukten Patentverletzungen vorgeworfen und verhandelt in dieser Hinsicht auch mit weiteren Abnehmern.
Dem eigentlichen Geschäft tat das alles im ersten Halbjahr offenbar keinen großen Abbruch. Es lief sogar so gut, dass der Konzern schon am Donnerstagabend die Jahresziele deutlich anhob. Der Umsatz soll um bis zu 129 Prozent auf 810 bis 830 Millionen Euro steigen. Zuvor war das Unternehmen von bis zu 800 Millionen Euro ausgegangen. Finanzchef Steffen Munz sprach von einem "weiterhin hohen Auftragsbestand" trotz des Gegenwindes im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld.
Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) sieht der Vorstand jetzt bei 210 bis 215 Millionen Euro, was einem Plus von bis zu 121 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspräche. Bisher standen bis zu 185 Millionen im Plan.
"Es gibt weiter eine hohe Nachfrage", sagte Vorstandschef Schein laut Mitteilung am Freitag. Untermauert wurden die Aussagen mit den Halbjahreszahlen. Der Umsatz stieg auch dank eines Zukaufs um knapp 158 Prozent auf 390,7 Millionen Euro. Auch ohne die Übernahme der Geschäfte mit Varta-Konsumentenbatterien wäre der Erlös um zwei Drittel geklettert.
Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen verdreifachte sich nahezu auf 102,1 Millionen Euro. Unter dem Strich stand ein Nettogewinn von 39,9 Millionen Euro und damit doppelt so viel wie vor einem Jahr.
"Mit dem Ausbau der Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen Zellen auf 300 Millionen Batterien bis Ende 2021 setzen wir unseren Wachstumskurs fort", sagte Schein, der dafür auch das Investitionsbudget für dieses Jahr auf 320 bis 360 Millionen Euro hochschraubt. Bisher war eine Kapazität von 200 Millionen Zellen pro Jahr angestrebt.
Insgesamt nimmt Varta für diesen Ausbau der Fertigung vorwiegend in Nördlingen rund 175 Millionen Euro in die Hand. Ein Neubau soll dort die bestehende Produktion erweitern und mit produktiveren Produktionsanlagen ausgestattet werden.
Varta beziffert den eigenen Marktanteil bei den Zellen, die vorwiegend in höherwertigen und teureren kabellosen Kopfhörern verwendet werden, auf über 50 Prozent. Zudem wachse der Markt dafür jährlich um 30 bis 40 Prozent.
In der Sparte mit Kleinbatterien zog der Umsatz im ersten Halbjahr um rund 70 Prozent an. Dabei wirtschaftete Varta deutlich profitabler, die Marge des operativen Ergebnisses stieg um 9,1 Prozentpunkte auf 34,4 Prozent. Das größte Umsatzplus machten weiter die Lithium-Ionen-Zellen für die Kopfhörer aus. Die Nachfrage in diesem Bereich sei trotz des weltweiten Nachfrageschocks weiter hoch. Bei Hörgerätebatterien habe Varta seine Position ausgebaut, hieß es, auch dank dem im letzten Geschäftsjahr angelaufenen Neugeschäft mit einer US-Handelskette.
Anfang des Jahres hatte Varta das Geschäft für Haushaltsbatterien für Endverbraucher mit dem bekannten Markennamen "Varta" von der US-Holding Energizer erworben und vereint damit alle "Varta"-Produkte wieder unter dem eigenen Dach. Inklusive Schulden war der Deal 180 Millionen Euro schwer. Das Geschäft habe sich stärker entwickelt als erwartet, hieß es nun vom Konzern. Auch die Energiespeichersysteme wuchsen nach Angaben des Unternehmen schneller als der Markt.
Schein hatte zuletzt auch öffentliche Fördergelder eingeworben. 300 Millionen Euro bekommt Varta von Bund und Ländern für die Erforschung und Entwicklung sowie die erste industrielle Anwendung der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Zellen, die dann auch in größeren Formaten genutzt werden können sollen, zum Beispiel in Robotern, Energiespeichern, aber auch in der Mobilität./men/mis/jha/
Quelle: dpa-Afx