COBURG/BERLIN (dpa-AFX) - Ungeachtet des politischen Werbens für Bus und Bahn fährt die große Mehrheit der Menschen in Deutschland nach wie vor am liebsten mit dem Auto. 70 Prozent der Befragten nannten in einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage das Auto als das Verkehrsmittel, das ihre Bedürfnisse am besten erfüllt. Dabei sind elektrische Autos inbegriffen. Zug, S-Bahn, Straßenbahn und Bus rangieren dagegen hinter Gehen und Radfahren. Das Umfrageinstitut Yougov befragte insgesamt 4173 Menschen im Januar und Februar, also vor Beginn des Ukraine-Kriegs und dem darauf folgenden Benzinpreissprung. Auftraggeber war die Versicherung HUK Coburg.
Lediglich 16 Prozent nannten die Bahn als ideales Verkehrsmittel. Bei Bus beziehungsweise S-Bahn und Straßenbahn waren es jeweils 12 Prozent. 32 Prozent nannten Fahrrad beziehungsweise E-Bike - dabei sind Doppelnennungen herausgerechnet. 29 Prozent gehen am liebsten zu Fuß. Die Befragten mussten sich nicht für ein Verkehrsmittel entscheiden, Mehrfachantworten waren möglich. Die HUK veröffentlichte ihre Mobilitätsstudie nach 2021 zum zweiten Mal.
Auffällig im Vergleich zu der vom Corona-Lockdown geprägten Vorgängerumfrage ist vor allem, dass das Gehen stark an Beliebtheit verloren hat: Vor einem Jahr hatten noch 38 Prozent gesagt, dass sie am liebsten zu Fuß unterwegs seien. Autos (2021: 73 Prozent) haben zwar leicht an Beliebtheit verloren und öffentliche Verkehrsmittel leicht gewonnen, aber am grundsätzlichen Bild hat sich nichts Wesentliches geändert.
Ebenso spielen die Kosten für viele Bürger eine größere Rolle als der Umweltschutz: Auf die Frage nach den wichtigsten Inhalten eines Verkehrskonzepts antworteten 49 Prozent, dass Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbar sein solle. 37 Prozent plädierten für generell niedrigere Kosten. Dagegen sagten 26 Prozent, dass der Verkehr keine Treibhausgase erzeugen solle.
"Für die Mehrzahl der Deutschen ist das alleinige Zurückdrängen des Autos keine zielführende Zukunftsstrategie, auch nicht in den Städten", sagte HUK-Vorstandsmitglied Jörg Rheinländer.
In Sachen Elektroautos wird in der Umfrage ein Ost-West-Gefälle deutlich: So sagten in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jeweils 13 Prozent oder weniger, dass für sie künftig beim Autokauf nur noch ein E-Fahrzeug in Frage komme. Im bundesweiten Durchschnitt waren es 19 Prozent. An der Spitze steht Berlin. Dort sagten 28 Prozent, dass sie sich in Zukunft ausschließlich Elektroautos anschaffen wollten.
Eine thematisch eng verwandte Umfrage des Portals Verivox aus dem März lässt ebenso darauf schließen, dass nur gut ein Viertel der Bevölkerung regelmäßig Bus und Bahn fährt. Das Heidelberger Unternehmen ließ nicht nach der Beliebtheit von Auto, Rad oder Bus und Bahn fragen, sondern schlicht danach, wie häufig die jeweiligen Verkehrsmittel genutzt werden.
Demnach fahren mehr als zwei Drittel (67 Prozent) oft oder sehr oft mit dem Auto, 95 Prozent zumindest gelegentlich. In den Städten benutzen knapp zwei Drittel Fußwege, auf dem Land weniger als die Hälfte (46 Prozent). Nur 26 Prozent fahren regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Daten stammen laut Verivox aus einer repräsentativen Online-Umfrage der Innofact AG mit 1011 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Vor diesem Hintergrund sehen vor allem Politiker aus ländlichen Regionen das von der Bundesregierung geplante neun-Euro-Ticket skeptisch. Von 1. Juni bis 31. August sollen Fahrten im Nah- und Regionalverkehr nur 9 Euro im Monat kosten. Das soll die Bürger von hohen Energiekosten entlasten und Bus und Bahn populärer machen.
Aus Sicht des Deutschen Landkreistages kommt das Ticket aber vor allem Fahrgästen in den Ballungsräumen zugute. Als Maßnahme zur Rück- und Neugewinnung von Kunden für den öffentlichen Nahverkehr sei die Tarifsenkung gerade in den ländlichen Räumen kaum geeignet, sagte Präsident Reinhard Sager. Besser wäre es, die Milliarden in die Ertüchtigung des Streckennetzes und engere Taktung zu investieren./cho/sam/DP/jha
Quelle: dpa-Afx