Als Christian Kohlpaintner nach zehn Jahren beim Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant, zuletzt als Chef für das Asien-Geschäft, Ende 2019 zur Brenntag-Gruppe in Essen wechselte, drohte der Gewinn des weltweit größten Distributors von Chemikalien zu stagnieren. Brenntag-Lenker Steven Holland, damals seit neun Jahren an der Spitze, hatte früh angekündigt seinen Vertrag auslaufen zu lassen.
Zum Jahresbeginn 2020, wenige Monate bevor die Auswirkungen von Corona weltweit den Alltag von Menschen und Wirtschaft prägten, rückte Kohlpaintner als Reformer der Strukturen bei Brenntag an die Spitze des Unternehmens.
Gewinnprognose erneut erhöht
Mitte September erhöhte der DAX-Aufsteiger zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Prognose für den operativen Gewinn vor Abschreibungen und Zinsen (Ebitda). Nun stellt Brenntag 1,26 bis 1,32 Milliarden Euro statt bisher 1,16 bis 1,26 Milliarden Euro in Aussicht. Im Vergleich zum Vorjahr wäre das ein Plus von mindestens 20 Prozent. Der weltweit führende Händler von Chemikalien und speziellen Inhaltsstoffen für weiterverarbeitende Unternehmen profitiert, wie schon im ersten Halbjahr, von der Knappheit der Produkte in einigen Bereichen.
Chef Kohlpaintner, promovierter Chemiker, hat den Konzern mit weltweit mehr als 17.000 Mitarbeitern und 670 Standorten in 77 Ländern in zwei Sparten neu aufgestellt: Essentials mit 60 Prozent des Umsatzes ist das Massengeschäft mit Chemikalien und Inhaltsstoffen für die mehr als 185.000 Firmenkunden. Entscheidend für den Erfolg sind hier niedrige Kosten und konstante Lieferfähigkeit.
Die höheren Renditen der zweiten Sparte Specialities fährt Brenntag mit der Kompetenz seiner Labore ein. Dort werden aus Chemikalien und Inhaltsstoffen Spezialchemieprodukte für Unternehmen aus Branchen wie beispielsweise Pharma, Kosmetik oder Lebensmittel entwickelt. Zudem werden spezifische Substanzen an Hersteller von Beschichtungen geliefert.
Das Ziel des Umbaus war weniger Komplexität. Brenntag müsse den Anspruch haben, mindestens so stark zu wachsen wie der globale Chemiemarkt, aus eigener Kraft sei das zuletzt nicht gelungen, sagte Kohlpaintner bei der Vorstellung der Struktur Ende 2020. In der neuen Aufstellung soll Brenntag das operative Ergebnis (Ebitda) ohne Berücksichtigung von Zukäufen jährlich um vier bis sechs Prozent steigern.
Der DAX-Aufsteiger ist die Nummer 1 in einem globalen Markt mit mehr als 271 Milliarden Dollar Gesamterlös. Brenntag kommt hier auf 4,7 Prozent Marktanteil. Die drei größten Chemikalienhändler, neben Brenntag Univar aus Downers Grove im US-Bundesstaat Illinois mit 3,1 Prozent sowie IMCD aus der niederländischen Hafenstadt Rotterdam mit einem Prozent, kommen zusammen auf knapp neun Prozent. Mit weltweit mehr als 10.000 Händlern ist das Geschäft stark fragmentiert. In der mit 128 Milliarden Dollar Umsatz größten Region Asien-Pazifik ist Chinas Chemiekonzern Sinochem mit 1,7 Prozent Marktanteil führend, Brenntag folgt mit 1,2 Prozent knapp dahinter.
Kohlpaintner ist mit der Region aus seiner Zeit bei Clariant bestens vertraut und will auch deshalb den Abstand auf die Chinesen zügig verkürzen. Auch die USA dürften beim Ausbau des Geschäfts ein Schwerpunkt werden. Dort liegt der Konzern aus Essen als Nummer 2 drei Prozentpunkte hinter Univar mir 12,6 Prozent des Marktes. "Brenntags geringe Verschuldung etwa im Vergleich zum dortigen Primus Univar ist ein Vorteil für Zukäufe im US-Markt", schreibt Berenberg-Analyst Thomas Burlton. Brenntags Nettoschulden entsprechen dem 1,3-Fachen des Ebitda für 2021. Univars Verschuldung ist doppelt so hoch.
Auch wenn bei dem DAX-Neuling Wachstum aus eigener Kraft nun höher gewichtet wird, bleiben Zukäufe für die Großen im Geschäft ein wesentlicher Faktor, um ihren Einfluss in dem fragmentierten Markt zu behaupten und auszubauen.
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Auf einem guten Weg
Die neue Aufteilung des Geschäfts hat die Struktur des Chemikalienhändlers Brenntag vereinfacht. So soll es möglich werden, ohne Zukäufe jährlich mindestens so stark zu wachsen wie die Chemiebranche. Beim operativen Gewinn soll sich das mit jährlich vier bis sechs Prozent Zuwachs bezahlt machen. Übernahmen bleiben dennoch ein wichtiger Faktor. Anleger sollten den jüngsten Kursrücksetzer zum Einstieg nutzen.
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