Middelhoff, der bei seinem Eintreffen im Gericht von Kamerateams belagert worden war, nahm das Urteil mit versteinerter Miene zur Kenntnis.
Der Ex-Manager, seine Anwälte und die Staatsanwaltschaft verhandelten am Mittag über das weitere Vorgehen. Eine Aussetzung des Haftbefehls wäre einem Gerichtssprecher zufolge etwa gegen Kaution, Meldeauflagen oder eine Abgabe des Passes möglich. Der von starkem Medieninteresse begleitete Richterspruch im Saal 101 des Essener Landgerichts lag nur knapp unter der Forderung der Anklage. Diese hatte dem Ex-Manager schwere Untreue vorgeworfen und eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert, die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert.
Middelhoff hat nach Ansicht des Gerichts durch Privatflüge auf Firmenkosten, eine über den Karstadt-Mutterkonzern abgerechnete Festschrift für einen ehemaligen Mentor und hinterzogene Steuern einen Schaden von rund einer halben Million Euro verursacht. In mehreren Fällen habe er sich der schweren Untreue schuldig gemacht. Dafür sei bei Schäden von mehr als 50.000 Euro theoretisch eine Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Haft möglich. Das Gericht sei zwar unter diesem Strafmaß geblieben, Middelhoff habe aber weder "einen Prominenten-Bonus noch einen Malus" erhalten, betonte der Richter.
Auf Seite 2: RICHTER - DA HAT'S MICH FAST VOM STUHL GEHAUEN
RICHTER - DA HAT'S MICH FAST VOM STUHL GEHAUEN
Middelhoff habe sich in seinen Aussagen im Prozess in zahlreiche Widersprüche verstrickt, sagte Richter Schmitt. "Es ist leider so gewesen, dass wir überzeugt sind, dass an entscheidenden Stellen des Prozesses (...) ihre Einlassung nicht vom Willen des ehrlichen Umgangs, sondern von verteidigungstaktischen Motiven geprägt war." Es habe eine "unglückselige Verquickung" beruflicher und privater Interessen bei Middelhoff gegeben. Im Fall der Festschrift, die mit Kosten von rund 180.000 Euro zu Buche schlug, habe es ihn angesichts der Aussagen Middelhoffs "fast vom Stuhl gehauen". Es gebe eine Email Middelhoffs, in der dieser versichere, die Kosten privat zu tragen. Zudem habe er ausgesagt, die Schrift sei eigentlich in "Copy-Shop-Qualität" geplant gewesen. Das Ergebnis sah anders aus: Die Kosten habe Middelhoff über seinen Arbeitgeber abgerechnet, obwohl kein Zusammenhang zwischen Festschrift und Konzern erkennbar sei.
Auch die Hubschrauber-Flüge Middelhoffs von seinem Wohnsitz in Bielefeld zur Essener Arcandor-Zentrale wurden untersucht. Middelhoff hatte damit Staus umgehen wollen und argumentiert, er sei zwischen zwei Arbeitsstätten hin- und hergereist. "Wir sind sicher, dass das kein Pendeln zwischen zwei Arbeitsstätten war", sagte dagegen Schmitt. Middelhoff habe vielmehr seine Familie sehen wollen. "Die Kosten dafür haben sie selbst zu tragen", mahnte der Richter. "Daran führt kein Weg vorbei." Der Schaden für Arcandor durch diese Flüge liege insgesamt bei 74.270 Euro. Auch einen einzelnen Flug nach New York strich der Richter heraus: Middelhoff flog am 19. November 2008 im Charter-Jet zu einer Sitzung eines Kontrollgremiums der "New York Times", dessen Mitglied er war, und zurück nach Deutschland. Die Kosten hierfür hätten bei rund 91.500 Euro gelegen, sagte Schmitt. Auch diese rechnete Middelhoff über Arcandor ab.
Middelhoffs Verteidiger hatten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als "reine Polemik" abgetan. Die Anwälte Udo Wackernagel und Winfried Holtermüller zeichneten im Prozess das Bild eines rund um die Uhr arbeitenden, von Termin zu Termin hetzenden Managers, der wegen der Dauer-Krise des Unternehmens keine Minute Zeit ungenutzt lassen konnte und durfte. Middelhoff selbst hatte betont, er wolle vor Gericht um seinen Ruf kämpfen. Arcandor wäre mit ihm nicht in die Pleite gerutscht, sagte er immer wieder. Von Mai 2005 bis Februar 2009 war er Konzernchef. Für Arcandor kam Mitte 2009 unter Middelhoffs Nachfolger Karl-Gerhard Eick das Aus.
Reuters