AMSTERDAM (dpa-AFX) - Der niederländische Zahlungsabwickler Adyen hat nach dem Sprung in den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 nochmals zugelegt. Der Rückenwind am Aktienmarkt ließ jedoch nach dem Rekordhoch im Oktober zuletzt nach. Das Unternehmen profitierte operativ besonders von dem im Fahrwasser der Corona-Krise stark gestiegenen Online-Handel. Was bei Adyen los ist, wie die Aktie sich entwickelt und was die Analysten sagen:

WAS BEI ADYEN LOS IST:

Das niederländische Unternehmen verdient sein Geld mit der Abwicklung von Bezahlvorgängen etwa mit Kreditkarten und dazugehörigen Dienstleistungen. Ein Bruchteil des abgewickelten Zahlungsvolumens fließt dabei über Gebühren in die Taschen des Unternehmens. Wie die gesamte Branche profitiert damit auch der EuroStoxx-50-Neuling vom Trend hin zum bargeldlosen Bezahlen.

Im Gegensatz zum insolventen Konkurrenten Wirecard , dessen Kerngeschäft bald an die Banco Santander übergeht, ist 2020 für Adyen bisher ein klares Erfolgsjahr. Nachdem die Corona-Krise den Trend zum bargeldlosen Bezahlen zusätzlich verstärkte, hielt das Unternehmen trotz der weltweiten Rezession an der seit dem Börsengang im Juni 2018 unveränderten Mittelfristprognose fest: Diese sieht ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum im mittleren 20er- bis unteren 30er Prozent-Bereich vor. Die Marge des operativen Ergebnisses (Ebitda) soll langfristig 55 Prozent betragen, zwischen Juli und September lag sie mit 60 Prozent bereits darüber.

Im Vergleich zum Vorjahr legte der operative Gewinn im dritten Quartal um 24 Prozent auf 101 Millionen Euro zu. Auch der Umsatz lag mit einem Wachstum von 25 Prozent im vergangenen Quartal im Zielkorridor bei 169 Millionen Euro.

Dabei führten die weltweiten Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie auch zu großen Belastungen. Gerade zum Ende des ersten Quartals hin drückte der Einbruch des Reiseverkehrs auf das Wachstum, da in diesem Bereich deutlich weniger Zahlungen abgewickelt wurden, ebenso sah es im Einzelhandel aus. Während sich die Umsätze im Tourismusbereich im dritten Quartal - aufgrund der Lockerungen in den Sommermonaten - zwar etwas erholen konnten, blieb der Druck insgesamt bestehen. Im Einzelhandel meldete das Unternehmen hingegen bis Ende September eine Erholung auf das Niveau vor der Corona-Krise.

Ausdruck des Optimismus im Team rund um Unternehmenschef Pieter van der Does blieb zuletzt die Personalpolitik: Man habe das Tempo der Neueinstellungen trotz des wirtschaftlichen Umfelds nicht gebremst und im dritten Quartal weitere 191 Vollzeitstellen hinzugewonnen. Aktuell arbeiten demnach auf Vollzeitbasis 1639 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Adyen.

WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:

Analysten schätzen das Unternehmen hingegen etwas zurückhaltender ein als noch zur Jahresmitte. Laut Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg raten 13 Analysten zum Kauf, 16 zum Halten und sechs zum Verkauf der Papiere. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 1500 Euro. Es befindet sich damit ein gutes Stück unterhalb des aktuellen Kursniveaus.

Barclays-Experte James Goodman behielt in einer aktuellen Studie seine kritische Sichtweise auf das aktuelle Kursniveau aufrecht. Selbst für den Fall, dass Adyen in einem sehr optimistischen Szenario bis zum Jahr 2035 das unbestritten führende Zahlungsunternehmen im Onlinehandel werde, sei der aktuelle Kurs der Papiere nicht gerechtfertigt. Sein Kursziel liegt trotz einer Anhebung auf 1060 Euro deutlich unterhalb der aktuellen Bewertung am Aktienmarkt, seine Empfehlung lautet auf Verkaufen.

Credit Suisse-Experte Charles Brennan blieb nach den Zahlen zum dritten Quartal ebenfalls zurückhaltend, empfahl jedoch ein Halten der Papiere. Er sei weiterhin der Ansicht, dass der Dienstleister genau in den Feldern aktiv sei, die zukünftig für den Großteil des Wachstums in der Branche verantwortlich sein werden. Sein Kursziel liegt mit 1653 Euro nah am aktuellen Marktpreis.

Analyst Mohammed Moawalla beließ die Aktie dagegen nach einem Gespräch mit dem Management auf seiner "Conviction Buy List". Das Interesse des Handels an einer Vielzahl von Vertriebskanälen zusammen mit einer Beschleunigung der strukturellen Trends und einem sich verändernden Verbraucherverhalten stütze das robuste Wachstum des Zahlungsdienstleisters, hieß es vom Experten der US-Bank Goldman Sachs. Er blieb weiterhin optimistisch für die Papiere und setzte das Kursziel bei 1900 Euro an.

Auch Hannes Leitner von der Schweizer Großbank UBS blieb bei seiner positiven Einschätzung, Adyen sei weiter sein Favorit im europäischen Branchenumfeld. Das Geschäft mit Zahlungen außerhalb der Tourismusbranche bleibt aus Sicht des Experten wohl auf seinem auffällig starken Wachstumskurs. Das Kursziel von 1817 Euro lässt ebenfalls noch Spielraum nach oben.

WAS DIE AKTIE MACHT:

An der Börse ist Adyen nach der Corona-Delle raketenhaft aufgestiegen: Von 664 Euro Mitte März auf bis zu 1742 Euro im Oktober. Nach einer Schwächephase danach stabilisierte sich der Kurs zuletzt bei etwas mehr als 1600 Euro. Seit dem Börsengang im Sommer 2018 summiert sich das Plus auf 570 Prozent.

Von Anfang an notierten die Papiere deutlich über ihrem Ausgabepreis. Nach der anfänglichen Euphorie gab es zwar im Herbst 2018 einen Rückschlag, doch selbst da hielten sich die Papiere über der Marke von 400 Euro. Die Entwicklung hatte bereits im Oktober 2019 an Schwung gewonnen: Bis auf knapp unter 900 Euro ging es bis im Februar dieses Jahres nach oben.

Mit der Anstieg des Aktienkurses von 120 Prozent in diesem Jahr bringt es Adyen mittlerweile auf eine Marktkapitalisierung von fast 49 Milliarden Euro. Wegen des stark gestiegenen Börsenwerts ist die Aktie seit September im Eurozonen-Auswahlindex EuroStoxx 50 gelistet.

Der französische Konkurrent Worldline , der erst kürzlich den ebenfalls französischen Zahlungsdienstleisters Ingenico übernommen hatte, bringt es dagegen auf nur 21 Milliarden Euro. Und das, obwohl die beiden Unternehmen mit einer laut eigenen Angaben kombinierten Beschäftigtenzahl von über 20 000 und einem Umsatz von über einer halben Milliarde Euro im dritten Quartal ungleich größer sind als Adyen./ssc/men/stk

Quelle: dpa-Afx