ESSEN (dpa-AFX) - Der vom Brenntag -Chef Christian Kohlpaintner eingeleitete Konzernumbau zahlt sich beim Chemikalienhändler schon aus. Während der Umsatz im Auftaktquartal 2021 leicht zurückging, legte das operative Ergebnis deutlich zu. An der Börse kommt dies gut an. Die Aktie erklomm seit der Ankündigung der Maßnahmen zur Verbesserung der Profitabilität im Oktober 2020 ein Rekordhoch in Serie. Was bei dem Chemikalienhändler los ist, wie Analysten ihn bewerten und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI BRENNTAG:

Brenntag ist ein international tätiger Händler von Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen, der seine mehr als 10 000 Produkte bei den Chemiekonzernen in größeren Mengen einkauft, diese lagert und sie dann in kleineren Mengen verkauft. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen über kleinere Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen Brenntag in der Regel weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann geringere Mengen an Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen.

Um wieder profitabler zu werden, hatte der seit Anfang 2020 amtierende Unternehmenschef Kohlpaintner vor einiger Zeit dem Unternehmen eine Restrukturierung verordnet. Prozesse, Abläufe und Strukturen sollen verbessert werden. Auch ungefähr 1300 Stellen will das Unternehmen bis Ende 2022 weltweit streichen. Davon seien etwa 350 schon abgebaut, sagte der Brenntag-Chef kürzlich.

Auch wurden von den rund 100 geplanten Standortschließungen schon mehr als 50 vollzogen. Zum Vergleich: Insgesamt beschäftigt Brenntag mehr als 17 000 Menschen und betreibt ein Netzwerk aus mehr als 670 Standorten in 77 Ländern. Größter Konkurrent ist die US-Firma Univar.

Zudem führte der Konzern Anfang 2021 zwei Geschäftsbereiche ein: Essentials und Specialties. Im ersten Bereich vermarktet Brenntag Prozesschemikalien für ein breites Spektrum an Branchen und Anwendungen. Der zweite Bereich konzentriert sich auf den Vertrieb von Inhaltsstoffen für ausgewählte Branchen.

Der Umbau und die Kosteneinsparungen zahlen sich schon aus: Während die Erlöse im ersten Quartal 2021 im Jahresvergleich um 2,5 Prozent fielen, zog das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um gut 14 Prozent an. Mit den Maßnahmen will das Unternehmen diese um Sondereffekte bereinigte Kennziffer ab dem Jahr 2023 um 220 Millionen Euro verbessern.

Für das laufende Jahr peilt Brenntag ein operatives Ebitda von 1,08 bis 1,18 Milliarden Euro an. 2020 standen hier 1,06 Milliarden Euro.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Analysten sind recht uneins. Von den fünf im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten, die sich seit den Quartalszahlen im Mai zu Brenntag geäußert haben, raten zwei zum Kauf des Papiers. Die gleiche Anzahl an Experten spricht sich für den Verkauf des Anteilsscheins aus. Einmal lautet die Empfehlung, die Aktie zu halten. Mit 79 Euro liegt das durchschnittliche Ziel um mehr als fünf Prozent über dem aktuellen Kurs.

Im jüngsten Quartalsbericht des Chemikalienhändlers fanden einige Experten Licht und Schatten. Analystin Suhasini Varanasi von der US-Investmentbank Goldman Sachs sprach von gemischt ausgefallenen Resultaten: So hätten zwar der Bruttogewinn und das bereinigte Ebitda zum Jahresauftakt die Markterwartungen übertroffen. Sie störte sich aber vor allem an dem von Einmaleffekten belasteten schwachen Quartalsergebnis je Aktie.

Ähnlich äußerte sich Analyst Markus Mayer von der Baader Bank. Auch er sprach von übertroffenen Markterwartungen beim operativen Ergebnis, der unter dem Strich auf die Aktionäre entfallende Überschuss aber habe enttäuscht. Gleichzeitig bemängelte Mayer, dass das Unternehmen seinen Ausblick für das operative Ergebnis "nur" bestätigt habe, während der Markt bereits auf das obere Ende der Konzernziele schiele.

Mayer selbst geht allerdings davon aus, dass das erste Quartal bereits am Markt eingepreist sein dürfte, weshalb er das Papier bereits Anfang Mai als Verkauf einstufte. Zudem schloss er nicht aus, dass das Jahresviertel den Höhepunkt für Brenntag in 2021 markieren und die Resultate danach schrittweise zurückgehen könnten. Langfristig sieht der Baader-Experte aber weiterhin Aufwärtspotenzial für die Aktie.

Auch Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan zeigte sich enttäuscht, dass der Chemikalienhändler seine Jahresziele trotz gutem ersten Quartal nicht erhöht habe. Er hält den Ausblick wiederum für konservativ - mit viel Spielraum für Aufstockungen im weiteren Jahresverlauf. Die zurückhaltende Prognose dürfte Analyst Thomas Maul von der DZ Bank zufolge aber zum einen den konjunkturellen Unwägbarkeiten geschuldet sein. Zum anderen sei nur bedingt absehbar, wie lange das für die Preisgestaltung günstige Marktumfeld noch anhalte, mahnte er.

Nach Ansicht von Analyst Sven Diermeier von Independent Research dürfte das Unternehmen das Restrukturierungs- und Effizienzsteigerungsprogramm erfolgreich umsetzen. Zudem sieht er in der Brenntag-Aktie nach wie vor einen aussichtsreicher Aufnahmekandidat für den künftigen Dax 40.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit der Vorstellung des Konzernumbaus auf dem Kapitalmarkttag Anfang November 2020 erklomm die Aktie des Chemikalienhändlers Rekordhochs in Serie. Zuletzt kostete das Papier rund 75 Euro. Seit dem Corona-Crash im März, als die Aktien bis auf 28,68 Euro abgerutscht waren, ist der Wert des Papiers um mehr als das Zweieinhalbfache gestiegen.

Seit Jahresbeginn erhöhte sich der Wert der Anteilsscheine von Brenntag um knapp 19 Prozent. Auch Anleger, die die Brenntag-Aktie schon länger im Depot haben, können sich über eine Wertsteigerung freuen. In den vergangenen drei Jahren steht ein Plus um fast die Hälfte zu Buche und in den vergangenen fünf Jahren ein Kurszuwachs von rund 60 Prozent.

Viel Freude hat das Papier des Chemikalienhändlers Anlegern der ersten Stunde bereitet: Seit dem Börsengang 2010 hat sich die Aktie auf mehr als das Vierfache verteuert. Derzeit kommt Brenntag auf einen Börsenwert von knapp 12 Milliarden Euro./mne/tav/fba

Quelle: dpa-Afx