(Neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Aktienkurs und Analysten)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Chemikalienhändler Brenntag
Nach rekordhohen Kursen der Aktien in den vergangenen Wochen reichte die bekräftigte Gewinnprognose für weitere Aufwärtsavancen nicht mehr aus. Die Aktien büßten im Mittagshandel um rund 5,7 Prozent auf 72,40 Euro ein. Mitte April hatten die Papiere bei gut 77 Euro ein Rekordhoch erreicht und am Vortag ein neues nur knapp verpasst.
Bruttogewinn und operatives Ergebnis (Ebitda) des Chemikalienhändlers haben laut Analystin Suhasini Varanasi US-Investmentbank Goldman Sachs die Markterwartungen übertroffen. Insgesamt aber seien die Resultate gemischt ausgefallen. Dabei verwies sie auch auf die Belastung durch eine Steuerrückstellung.
Für Analyst Thomas Maul von der DZ Bank stellt sich nach einem starken ersten Quartal die Frage, warum Brenntag die Prognosespanne für den operativen Gewinn (Ebitda) für das Gesamtjahr nicht angehoben habe. Möglicherweise sei das Auftaktquartal bereits das beste des Chemikalienhändlers in diesem Jahr gewesen.
"Auch die kommenden Monate werden weiterhin von der Covid-19-Pandemie geprägt sein", warnte Unternehmenschef Christian Kohlpaintner in einer Telefonkonferenz am Dienstag. Insbesondere Indien und Brasilien hätten gerade mit schweren Bedingungen zu kämpfen. Die Unsicherheit dauere an, allerdings dürfte sich das Wirtschaftsumfeld kontinuierlich erholen.
Um wieder profitabler zu werden, hatte Kohlpaintner vor einiger Zeit dem Unternehmen eine Restrukturierung verordnet. Prozesse, Abläufe und Strukturen sollen verbessert werden, Arbeitsplätze fallen weg, wobei betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden sollen. Von den rund 100 geplanten Standortschließungen seien bereits mehr als 50 vollzogen, sagte der Brenntag-Chef. Zudem seien etwa 350 der ungefähr 1300 Stellen abgebaut, die bis Ende 2022 wegfallen. Zum Vergleich: Insgesamt beschäftigt Brenntag mehr als 17 000 Menschen und betreibt ein Netzwerk aus mehr als 670 Standorten in 77 Ländern.
Und der Umbau zahlt sich aus: Während der Umsatz im ersten Quartal im Jahresvergleich um 2,5 Prozent auf gut 3,1 Milliarden Euro fiel, zog das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um gut 14 Prozent auf rund 300 Millionen Euro an. Ohne negative Wechselkurseffekte wäre es ein kleines Umsatzplus und ein noch deutlicherer Gewinnanstieg gewesen. Der Umsatz lag ein wenig unter der durchschnittlichen Analystenschätzung, der operative Gewinn jedoch deutlich darüber.
"Im ersten Quartal gerieten Lieferketten rund um den Globus durch eine Reihe von kumulierten Vorfällen unter Druck", erläuterte Kohlpaintner. Unter anderem habe es einen Eissturm in den Vereinigten Staaten, die Blockade des Suez Kanals und die anhaltende Container-Knappheit gegeben, die die Marktbedingungen und Lieferketten im vergangenen Quartal stark beeinflussten. Zudem sei es bei einer Vielzahl von Lieferanten zu Produktionsausfällen gekommen, die zu einer allgemeinen Produktknappheit führten.
Unter dem Strich blieb im ersten Quartal ein auf die Aktionäre entfallender Überschuss von 97,5 Millionen Euro übrig, was gut 14 Prozent weniger ist als vor einem Jahr. Hier schlugen Rückstellungen im Zusammenhang mit einer Steuerprüfung bezüglich der Handhabung von Alkoholsteuern in der Vergangenheit zu Buche.
Mit einem Plus von mehr als einem Fünftel stieg der operative Gewinn in der Sparte Essentials besonders deutlich. Sie vertreibt Prozesschemikalien für ein breites Spektrum an Branchen und Anwendungen und ist deutlich größer als das Segment Specialties rund um den Vertrieb von Inhaltsstoffen für bestimmte Branchen, die direkt in der Herstellung der Endprodukte der Kunden verwendet werden.
Das Management um Kohlpaintner hatte die Konzernstruktur erst zu Jahresbeginn auf diese beiden Geschäftsbereiche umgestellt. Die Brenntag-Führung verspricht sich davon eine gezieltere Ansprache der Kunden und einen besseren Service./mis/mne/mis/stk
Quelle: dpa-Afx