TÜBINGEN/BERLIN (dpa-AFX) - Wo Tech-Visionär Elon Musk auftaucht, da herrscht auch in Deutschland Aufregung, vor allem im sonst so beschaulichen Tübingen. Zu Dutzenden stehen sich Männer aller Altersklassen vor dem Hauptsitz der Biotechfirma Curevac im Weg, als Musk am Dienstagabend durch die Tür tritt. Die Fans machen Fotos, rufen dem notdürftig mit einem Halstuch maskierten Unternehmer Liebesbekundungen zu, einer will ihm sogar eine Bewerbung in die Hand gedrückt haben. Tübingen ist nur die erste von mehreren Stationen auf der kurzen Deutschland-Tour des Tech-Stars, die am Mittwoch im politischen Berlin und im brandenburgischen Grünheide - wo Musk eine neue Elektroautofabrik bauen will - seine Fortsetzung nimmt.

Eigentlich handelt es sich lediglich um Arbeitsbesuche eines Wirtschaftsmannes - doch die Wahrnehmung ist bei vielen lange nicht so simpel und schlicht. Denn der Hype um den US-kanadischen Doppelstaatsbürger Musk und seine Firma Tesla ist auch hierzulande beachtlich, nicht nur vor den Curevac-Türen. Der 49 Jahre alte Multiunternehmer wird von seinen Anhängern und vielen Börsianern nicht nur als schillernder E-Auto-Pionier gefeiert, sondern startet obendrein zahlreiche Nebenprojekte in allen Bereichen; mit seiner Firma SpaceX baut er gar Raketen für die Raumfahrt.

Musks Fans sehen in ihm einen - vielleicht sogar den - großen Visionär von heute. Und zumindest in puncto Arbeitseifer ist der Börsenüberflieger tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung. Musk häuft Projekte an wie andere Briefmarken. Und bei einem davon ist Curevac - einer breiten deutschen Öffentlichkeit durch seinen Corona-Impfstoffkandidaten bekanntgeworden - mit von der Partie.

Die Tübinger Firma und die im rheinland-pfälzischen Prüm sitzende Tesla-Tochter Grohmann - ein Maschinenbauer - kooperieren schon seit langem bei einem Projekt zur sogenannten mRNA-Technologie, das angesichts der Suche nach einem Corona-Impfstoff mehr denn je in den Blickpunkt gerät. Es geht vereinfacht gesagt um tragbare Fertigungen für die Entwicklung neuer Impfstoffe und Arzneimittel. Spezielle Drucker, die wie kleine Minifabriken funktionieren, sollen Impfstoffkandidaten und andere mRNA-basierte Therapeutika bald vollautomatisch produzieren können. mRNA ist eine Art Botenmolekül, in dem die Bauanleitung zur Herstellung von Proteinen steckt.

Curevac ist längst nicht der einzige Hersteller, der an einem Impfstoff gegen das bisweilen tödliche und wirtschaftlich verheerende Coronavirus arbeitet. Doch die Firma gilt durchaus als ein Hoffnungsträger. Die EU-Kommission hatte sich beispielsweise bereits bis zu 405 Millionen Dosen von einem Impfstoff des Unternehmens gesichert. Klar ist: Wer am schnellsten einen Impfstoff auf den Markt bringen kann, dem winkt das große Geld.

Dass Musk, der Milliardär aus dem fernen Amerika, eigens nach Tübingen reist, überraschte dennoch. Schnell machten Spekulationen die Runde, es sei Größeres im Spiel als ein schlichter Arbeitsbesuch. Ob der Tesla-Chef sich möglicherweise an Curevac beteiligen wolle, wurde gefragt. Oder ob er das deutsche Unternehmen gar übernehmen wolle? Alles Quatsch, sagt ein Curevac-Sprecher am Mittwoch. Bei dem Treffen mit Firmenvertretern sei es nur um das Projekt gegangen. Von einer möglichen Beteiligung Musks an Curevac sei bei der Unterredung dagegen keine Rede gewesen.

Auch in Grünheide wirkt tags darauf alles wie das Warten auf einen Popstar, dabei ist zunächst nicht mal klar, wann der Tesla-Chef zur Baustelle seiner neuen Elektroautofabrik kommt. Journalisten, Fans, aber auch Gegner der Fabrik stehen an diesem Mittwochnachmittag am Eingang des Geländes - und müssen sich zunächst gedulden. Zahlreiche Kameras haben sich positioniert. Der Hauptdarsteller - der auch noch im politischen Berlin bei der Unionsfraktion erwartet wurde - fehlt, auch einen roten Teppich gibt es nicht. Dafür märkischen Sand und zahlreiche Baufahrzeuge, die herein und heraus fahren und einen Eindruck von dem schnellen Baufortschritt geben.

Ab Juli nächsten Jahres sollen dort rund 500 000 Fahrzeuge im Jahr produziert werden. Möglicherweise ist das Werk in Brandenburg schneller fertig als jenes in Shanghai - Tesla hat die Fabrik dort in elf Monaten hochgezogen. Seit Ende Mai hat Tesla in Brandenburg die Zulassung für Fundamentarbeiten. Es geht rasant voran: Am Freitag solle Richtfest für die Lackiererei in Grünheide sein, heißt es. Noch baut Tesla auf eigenes Risiko mit vorläufigen Teilgenehmigungen, das abschließende grüne Licht des Bundeslandes steht aus.

Nicht alle in der Region sind aber begeistert von dem Projekt. Viele befürchten negative Folgen für die Umwelt. Auf Transparenten der Bürgerinitiative gegen die Gigafactory Grünheide steht am Mittwoch: "Keine Industrie im Wasserschutzgebiet" und "Raubbau an Natur und Grundwasser sofort stoppen!" Manu Giese von der Bürgerinitiative sagt: "Unser Hauptanliegen ist: unser Trinkwasser schützen. Wir werden jetzt schon aufgefordert, nicht unnötig Wasser zu verbrauchen." Am 23. September ist eine öffentliche Anhörung der Einwände gegen die Tesla-Fabrik geplant.

Es gibt - wie in Tübingen - aber auch echte Fans, die auf Musk warten. Dazu gehört ein Schüler, der jedes Wochenende Videos von dem Gelände der Fabrik dreht. Auch er ist in Grünheide dabei und mit dem Rad gekommen. Er hofft, Musk zu sehen: "Es wäre wirklich mein größter Wunsch!"/mbr/DP/jha

Quelle: dpa-Afx