NEW YORK (dpa-AFX) - Ausgerechnet am Schnäppchentag "Black Friday" hat es am Freitag auch an der Wall Street einen Ausverkauf gegeben. Die Furcht vor einer neuen Coronavirus-Variante ließ den Dow Jones Industrial zeitweise um fast drei Prozent auf den tiefsten Stand seit sechs Wochen absacken. Mit 34 899,34 Punkten konnte das Kursbarometer seine Verluste zum vorgezogenen Handelsschluss nur wenig auf 2,53 Prozent reduzieren. Die Wochenbilanz wurde so mit zwei Prozent Minus noch negativ. Am Tag nach Thanksgiving endete der Handel drei Stunden früher als üblich.
Der marktbreite S&P 500 verlor 2,27 Prozent auf 4594,62 Zähler. An der Nasdaq gerieten die Technologiewerte auch nicht viel weniger stark unter Druck. Der Auswahlindex Nasdaq 100 konnte sich dem Abwärtsstrudel mit einem Abschlag von 2,09 Prozent auf 16 025,58 Punkte nicht entziehen.
Craig Erlam vom Broker Oanda beobachtete eine "Flucht in die Sicherheit angesichts der zunehmenden Angst vor Varianten". Fachleute befürchten, dass die im südlichen Afrika entdeckte Variante B.1.1.529 wegen ungewöhnlich vieler Mutationen nicht nur hoch ansteckend ist, sondern auch den Schutzschild der Impfstoffe leichter durchdringen könnte. Dies ließ bei Anlegern Lockdown-Sorgen hochkochen. "Das Besorgniserregendste an dem neuen Stamm ist derzeit, wie wenig wir über ihn wissen", fuhr Erlam fort.
Diverse Länder kündigten Einreisebeschränkungen für Personen aus dem südafrikanischen Raum an. Für die ganze Reisebranche ist dies ein erneut schwerer Schlag, der auch an der Börse zu spüren war. Von Fluggesellschaften über Kreuzfahrtanbietern bis hin zu Reiseportalen gab es einen Kurseinbruch: Die Aktien von United Airlines , Carnival und Booking Holdings büßten zum Beispiel zwischen 7,2 und 11 Prozent ein. Der Flugzeugbauer Boeing war mit minus 5,4 Prozent einer der größten Dow-Verlierer.
Unter den Fahrdienstvermittlern ging es aus Sorge vor nachlassender Reiseaktivität auch steil bergab, wie Verluste von bis zu 4,8 Prozent bei Lyft oder Uber zeigten. Die Branche stand auch mit Spekulationen um einen möglichen Rückzug des Konkurrenten Didi von der New Yorker Börse im Mittelpunkt. Dessen dort gelisteten Anteilscheine fielen mit 2,8 Prozent aber weniger stark als jene der beiden Wettbewerber.
Die Verunsicherung wegen der Corona-Ängste waren auch am Ölmarkt spürbar, wie einbrechende Ölpreise zeigen. Die Aktien der Branchenriesen Chevron , ExxonMobil und ConocoPhillips sackten im Sog dessen um 2,3 bis 4,5 Prozent ab. Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 waren die Ölpreise wegen der Schließung vieler Bereiche des Wirtschaftslebens auch schon drastisch gesunken.
Es gab aber auch Gewinner der aktuellen Entwicklung - und dazu zählten einige der bekannten "Stay-at-home-Aktien", die schon bei vorherigen Lockdowns begehrt waren, in den vergangenen Monaten aber während der entspannteren Infektionslage bei Anlegern einen schweren Stand hatten. Hier fielen besonders die Papiere des Videokonferenz-Anbieters Zoom und des Fitness-Spezialisten Peloton mit Kursgewinnen von jeweils 5,7 Prozent auf.
Weitere Profiteure der neuen Situation waren Impfstoff-Hersteller: Die in New York gelisteten Biontech -Anteile schossen um gut 14 Prozent hoch, während die Pfizer -Titel um 6,1 Prozent stiegen. Während die weltweiten "Booster"-Impfungen die Nachfrage des Vakzins ohnehin schon hoch halten, stützten auch hier die erneuerten Ängste der Anleger.
Während die Papiere des Biontech-Wettbewerbers Moderna sogar um knapp 21 Prozent anzogen, gab es im Impfstoff-Universum auch einen Ausreißer mit negativen Nachrichten. Die Aktien des Gentherapiespezialisten Ocugen büßten 9,2 Prozent ein, nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA einen so genannten "clinical hold" für die Tests des Covid-Impfstoffkandidaten Covaxin verfügt hatte. Diesen Schritt vollzieht die FDA unter anderem, wenn sie eine Gefährdung von Probanden sieht.
Der Euro legte zu. Mit zuletzt gezahlten 1,1311 US-Dollar kehrte er über die Marke 1,13 Dollar zurück. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,1291 (Donnerstag: 1,1223) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,8856 (0,8910) Euro.
Die Kurse von US-Staatsanleihen profitierten deutlich von der Risikoscheu der Anleger. Der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries stieg um 1,07 Prozent auf 131,22 Punkte. Die Rendite für zehnjährige Staatspapiere sackte im Gegenzug auf 1,48 Prozent ab./tih/he
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-Afx