AMSTERDAM/BERLIN (dpa-AFX) - Entwarnung für den Impfstoff von Astrazeneca
Wie sieht die EMA den Impfstoff?
Die Europäische Arzneimittelbehörde hat das Vakzin von Astrazeneca nie negativ bewertet - aber nach dem vorläufigen Stopp noch einmal überprüft. Auslöser waren Fälle von Thrombosen, also Blutgerinnseln, in Hirnvenen nach einer Impfung. Hinweise darauf, dass die Impfungen die Vorfälle verursacht hätten, hat die EMA aber nicht gefunden. Ausgeschlossen sei dies zwar auch nicht. Aber EMA-Chefin Emer Cooke ist davon überzeugt, dass der Impfstoff folgende Voraussetzungen erfüllt: Er sei sicher. Er sei wirksam gegen Covid-19. Und deshalb überwögen die Vorteile bei Weitem die Risiken.
Was soll nun geschehen?
Der Impfstoff soll mit einer Warnung versehen werden. Demnach soll er in möglichen seltenen Fällen Thrombosen verursachen können. Gleichzeitig sieht die EMA aber keine erhöhten Gesundheitsgefahren. Die Fortsetzung der Impfungen wird empfohlen. In Deutschland hatten Gesundheitsminister Spahn, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), die Ständige Impfkommission und die Gesundheitsminister der Länder auf das Votum aus Amsterdam gewartet. Die Bundesländer stehen in den Startlöchern, die Impfungen mit dem Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers wieder aufzunehmen. Die Stadt Düsseldorf etwa will an diesem Freitag auf jeden Fall wieder loslegen.
Warum hatte Spahn die Impfungen nicht gleich weiterlaufen lassen?
Den Anfang machte vergangene Woche Dänemark mit der Aussetzung der Impfungen. Nachdem es in Deutschland zu einigen Thrombosefällen kam, riet am Montag auch das PEI als die zuständige Behörde zu diesem Schritt. Zu auffällig waren für die Experten die Fälle nach den Impfungen. Zur Einschätzung des Risikos gibt es zwei Aspekte zu beachten: Ist die Impfung ursächlich? Und wenn sie wahrscheinlich ursächlich war: Ist das Risiko eines Astrazeneca-Ausfalls nicht trotzdem größer als das von solchen Erkrankungen in möglichen Einzelfällen? Der Impfstopp hatte aber auch praktische Gründe - Ärzte und Patienten sollten über die möglichen Risiken informiert, die Impfstoffinformationen entsprechend ergänzt werden.
Was hat es mit den Thrombosen überhaupt auf sich?
Es handelt sich um Blutgerinnsel in Hirnvenen. 13 Fälle sind im Zusammenhang mit einer Impfung in Deutschland inzwischen gemeldet. Drei endeten tödlich. Zwölf Frauen und ein Mann zwischen 20 und 63 Jahren erlitten eine solche Thrombose. Das ist nur ein kleiner Bruchteil der insgesamt 1,78 Millionen Menschen, die Astrazeneca mittlerweile laut Robert Koch-Institut (RKI) erhalten haben. Doch diese sonst auch auftretenden Thrombosen sind statistisch gesehen sonst noch seltener zu erwarten.
Wie weit sind die Corona-Impfungen in Deutschland?
10 Millionen Impfdosen sind mittlerweile verabreicht worden - davon laut den aktuellen Zahlen des RKI rund 8 Millionen von Biontech
Was würde ein Aus für Astrazeneca für die Impfkampagne bedeuten?
Millionen Impfungen fielen erst einmal weg. Denn bis April sollten die Lieferungen von Astrazeneca auf insgesamt 5,6 Millionen Dosen wachsen. Im zweiten Quartal sollten 16,9 Millionen Dosen des Astrazeneca-Vakzins geliefert werden. Der Rückschlag wäre allerdings mit der Zeit aufgeholt worden. Bereits bis April sollen die Lieferungen von Biontech/Pfizer auf 12 und die von Moderna auf 1,8 Millionen Dosen anwachsen. Im zweiten Quartal sollten von beiden Impfstoffen zusammen 46,6 Millionen Dosen geliefert werden. Bis alle Erwachsenen eine Impfung erhalten können, dauert es laut Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung mit Astrazeneca bis Ende August - ohne dieses Vakzin bis Ende September. Die Regierung will das Versprechen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass allen ein Impfangebot bis Ende des Sommers gemacht wird, auf jeden Fall halten.
Welche Rolle spielen weitere Impfstoffe?
Auf längere Sicht dürfte kein Mangel an Impfstoff herrschen. Ab der zweiten Aprilhälfte soll das Präparat des US-Konzerns Johnson-&-Johnson-Stoffs geliefert werden. Der Impfstoff von Curevac (Tübingen/Niederlande) könnte im Sommer folgen. Außerdem prüft die EMA derzeit eine Zulassung des russischen Impfstoffs Sputnik V.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen an diesem Freitag das weitere Vorgehen beraten. Zentral ist, wann die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte flächendeckend ins Impfen einsteigen. Nach einer Empfehlung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern soll dies frühestens in der 16. Kalenderwoche geschehen - abhängig davon, dass genügend Impfstoff für so einen Schritt geliefert wird. Die Länder wollen nämlich, dass ihre Impfzentren und -teams wöchentlich kontinuierlich 2,25 Millionen Dosen erhalten. Wenn dann in den Praxen geimpft wird, kann das den Nachteil haben, dass nicht mehr so streng nach Prioritätengruppen vorgegangen wird - aber den Vorteil, dass die Hausärzte am besten wissen, welche Patienten mit Vorerkrankungen am Ehesten geimpft werden sollten. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar meint zudem, dass die Hausärzte bei der nun nötigen Aufklärung über mögliche Risiken eine wichtige Rolle spielen können./bw/sam/ab/vsr/jr/DP/nas
Quelle: dpa-Afx