Vom Buch zur Gurke: Der weltgrößte Internethändler Amazon wächst immer weiter, erschließt ständig neue Geschäftsfelder und drängt mit aller Macht auch in den klassischen Lebensmittelhandel. Dabei setzt der Konzern aus Seattle einem Zeitungsbericht zufolge auf Offlinegeschäfte. Geplant sei die Eröffnung kleiner Lebensmittelläden, schreibt das "Wall Street Journal" unter Verweis auf eingeweihte Kreise. Zudem seien Drive-in-Stationen geplant, an denen Kunden mit dem Auto Lebensmittellieferungen abholen. Dafür werde eigens eine Technik zur Erkennung von Nummernschildern entwickelt, um Wartezeiten zu verkürzen.

Amazon will diesen Bericht nicht kommentieren, Deutschland-Chef Ralf Kleber sagte aber kürzlich in einem Interview, der Schritt in die hart umkämpfte Branche sei nur noch eine Frage der Zeit. In dieser schrillen längst die Alarmglocken, ist der Vorstoß ins stationäre Geschäft doch spätestens zu erwarten, seit der Konzern in den USA lokale Buchhandlungen eröffnet hat. Selbst wenn der Handel mit verderb-lichen Waren ganz eigene logistische Tücken aufweist, zielt die Strategie des Shoppinggiganten doch darauf ab, den Handel von Baltimore bis Buxtehude mit sämtlichen Verwertungsketten unter Kontrolle zu kriegen - und die Kundschaft gleich mit.

Auf dem Weg dorthin erschließt sich Amazon gleich ein weiteres Geschäftsfeld, und zwar mit seinem Lautsprecher "Echo", der seit Kurzem in Deutschland erhältlich ist. Das mit der digitalen Sprachassistentin "Alexa" verbundene Gerät reagiert auf Befehle, beantwortet Fragen, steuert Technik im vernetzten Zuhause und - bei Amazon ganz klar - bestellt Verbrauchsartikel per Sprachbefehl nach. Marktforscher erwarten, dass sich hier binnen weniger Jahre ein Milliardengeschäft entwickelt.

Der Lautsprecher ist auch ein Baustein des jüngsten Coups: Mit "Music Unlimited" steigt Amazon groß in das Geschäft mit Musik ein und bietet den Nutzern für knapp zehn Dollar im Monat rund zehn Millionen Musikstücke zum Anhören - Echo-Besitzer zahlen die Hälfte. Der Dienst wird noch dieses Jahr in Deutschland, Großbritannien und Österreich angeboten.



Lukraktives Weihnachtsgeschäft



Noch vor Weihnachten will Amazon angeblich auch das Geschäftskundenportal Amazon Business in Deutschland starten. Das Sortiment soll aus den Bereichen Elektronik, Industriegüter, Sanitär und Bürobedarf bestehen. In den USA setzte Amazon Business in den ersten zwölf Monaten mehr als eine Milliarde Dollar um. Der sogenannte B2B-Markt ist um ein Vielfaches größer als das Endkundengeschäft. Besonders vielversprechend lässt sich offenbar das Weihnachtsgeschäft an: Für die umsatzstärksten Wochen des Jahres wurden in den USA 120000 Aushilfen eingestellt - 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Der US-Einzelhandelsverband hatte kürzlich einen Anstieg der Onlineumsätze im wichtigen Weihnachtsgeschäft um sieben bis zehn Prozent prognostiziert.