Mit einer guten Offensive gewinnt man das Spiel - und mit einer guten Defensive das Turnier." Was sich im modernen Fußball als Basis für den langfristigen Erfolg längst etabliert hat, gilt grundsätzlich auch für die Wertpapieranlage. Will heißen: Die Papiere von Unternehmen, deren Produkte und Services auch dann noch sehr gefragt sind, wenn die Konjunktur schwächelt, sind der ruhende Pol im Depot, wenn es an den Börsen mal stürmischer zugeht.
Zu den klassischen Defensivspezialisten zählen dabei Firmen aus der Gesundheits- und Nahrungsmittelindustrie sowie Hersteller von Haushaltsgeräten und Immobilienkonzerne. Umgekehrt laufen Zykliker mit ihren Gewinnen genau dann zur Höchstform auf, wenn es mit der Weltwirtschaft nach oben geht. Dann wird überall investiert - und die steigenden Gewinne lassen auch die Aktienkurse von Firmen aus der Maschinenbau-, Auto-, Chemie- und Technologiebranche abheben. Andererseits stellt sich der spiegelbildliche Effekt, der die Kurse in die Tiefe zieht, immer dann ein, wenn sich die Konjunktur wieder abkühlt und Umsatz- und Gewinnprognosen nach unten angepasst werden.
Performance-Muster lösen sich auf
Dagegen ist das Geschäft von Nicht-Zyklikern relativ immun gegenüber konjunkturellen Schwankungen. Eine Analyse der Münchner Vermögensverwaltung Fiduka, die alle fünf Baisse-Intervalle zwischen 1998 und 2015 auswertete, kommt zu dem Ergebnis, dass die Aktien aus den Sektoren Haushaltswaren, Nahrungsmittel, Immobilien und Pharma in diesen Phasen tendenziell besser abschnitten. Umgekehrt verloren die Aktien aus den Bereichen Rohstoff, Autos, Chemie und Banken während dieser Perioden besonders deutlich.
Einheitliche Performance-Muster und damit Handlungsempfehlungen für Investoren in Baissephasen, so Marco Herrmann, Geschäftsführer bei Fiduka, lassen sich daraus aber nicht ableiten: "Die vermeintlich defensive Immobilienbranche wurde von der Finanzkrise ab 2009 besonders hart getroffen. Umgekehrt haben sich Aktien aus der Old Economy nach dem Platzen der Internetblase zur Jahrtausendwende vergleichsweise gut entwickelt."
Insbesondere das aktuelle Marktumfeld unterscheidet sich von früheren Seitwärtsmärkten und Ausverkaufswellen. "Es gibt bei der Kursentwicklung derzeit keine Unterschiede mehr zwischen zyklischen und nicht-zyklischen Sektoren. Ganz im Gegenteil. So haben etwa Technologiefirmen im August und September weniger stark verloren", meint Bert Jansen, Aktienstratege bei UBS CIO Wealth Management. Dies liege auch an spezifischen Einflussfaktoren. So sei das schwache Abschneiden der deutschen Versorger Eon und RWE in erster Linie politisch bedingt, da die Gewinneinbrüche eine Folge der Energiewende seien. Die Polit-Diskussion im US-Wahlkampf um Preissenkungen für Medikamente setzte die Kurse von Pharma- und Biotechfirmen unter Druck. Und der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen schlug sich auf die Kurse aller deutschen Autobauer und -zulieferer nieder.
Klar, dass die Defensivkünstler angesichts der rasanten Achterbahnfahrt der Börsen auch in diesem Jahr eine feste Bank in den Portfolios der Anleger bleiben. Zumal mehr als ungewiss ist, ob die Märkte in den kommenden Monaten nochmals zu einer traditionellen Jahresendrally ansetzen. Die derzeit stattfindende Aufholjagd ist ja getrieben von Momentumstrategien und Fundamentalanalysen.
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Sektoranalyse und Stock-Picking
Seit ihren Septembertiefständen haben DAX und MDAX bereits sieben Prozent an Boden gutgemacht. Vertreter aus klassischen Defensivbranchen, die vergleichsweise hoch bewertet sind, kamen dabei relativ lahm daher. Dagegen schalteten die zyklischen Branchen wie Autoindustrie, Autozulieferer oder auch Maschinenbau den Turbo ein. Nach den massiven Kursverlusten in den Wochen und Monaten zuvor schätzen Anleger das Aufholpotenzial hier höher ein.
Die günstige Bewertung etlicher Unternehmen spielt dagegen eine Rolle beim guten Abschneiden von IT-Aktien. "Bei Bluechips wie Cisco, Microsoft oder auch Qualcomm ist das Aufwärtspotenzial noch lange nicht eingepreist. Das sind Firmen, die auch in zehn Jahren noch existieren werden, weil sie in ihren Geschäftsfeldern ständig neue Produkte auf den Markt bringen und hohe Cashflows generieren", meint Gerald Kichler, Portfolio Manager bei Flossbach von Storch.
Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank, ist ebenfalls davon überzeugt, dass Zykliker wegen ihres Bewertungsabschlags weiterhin gefragt bleiben. Potenzial sieht er hier in erster Linie bei Firmen aus der Elektrotechnik, der chemischen Industrie und dem Maschinenbau. Einstiegskurse gibt es Halvers Meinung nach auch bei den zyklischen Konsumtiteln: "Aus Gesichtspunkten der Bewertung sollten Anleger hier die europäische Karte mit Firmen aus Italien, Frankreich und Spanien spielen."
Demgegenüber elektrisieren die Stromkonzerne trotz niedriger Bewertung die meisten Investoren kaum noch. Auch wenn Optimisten wie UBS-Experte Jansen nach dem Kostenschnitt ab 2016 größere Gewinnsteigerungen bei den Versorgern erwarten, befindet sich die Branche weiter im Umbruch: Während traditionelle Geschäftsbereiche komplett wegbrechen, entstehen andererseits völlig neue Technologien zur Energieerzeugung.
Kombidepot am aussichtsreichsten
Anleger fahren langfristig am besten, wenn sie ausgewählte zyklische Titel mit defensiveren Branchen kombinieren, die sich durch stabile Ertragsentwicklung auszeichnen. Wichtigste Kriterien für Investments sind eine attraktive Bewertung - sowohl im Hinblick auf das künftige Gewinnwachstum als auch im Vergleich zu Wettbewerbern aus demselben Sektor.
Grundsätzliche Alternativen zu Aktien bietet das aktuelle Niedrigzinsumfeld nicht. "Angesichts dieses Anlagenotstands bleiben wir in Aktien hoch investiert. Erste Wahl sind dabei defensive Aktien von Qualitätsunternehmen." Unter solchen Firmen versteht Kichler Gesellschaften mit kontinuierlich steigenden Dividenden und Gewinnen - mit langfristig durchschlagendem Erfolg: "Mit dieser Anlagestrategie lässt sich allein schon über die Dividendenrendite der Kapitalerhalt gewährleisten. Ein entsprechendes Portfolio wird auf Sicht von zehn Jahren mit großer Sicherheit den Rentenmarkt schlagen, ohne dass Anleger hektisch auf die Kurse blicken müssen."
Vor diesem Hintergrund hat BÖRSE ONLINE sechs Branchen identifiziert, die über das laufende Börsenjahr hinaus stabiles Wachstum liefern. Der Megatrend Gesundheit zählt ebenso dazu wie Konsum oder Immobilien. Telekomwerte als Defensivklassiker liefern auch in mageren Börsenzeiten solide Renditen. Dasselbe gilt für Nahrungsmittelkonzerne. Übrigens: ETFs und Fonds sind eine gute Option, um an positiven Entwicklungen kompletter Branchen zu partizipieren.
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Gesundheit: Langer und lukrativer Megatrend fürs Depot
Dank der medizinischen Fortschritte werden die Menschen immer älter. Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung: Weltweit steigt die Zahl chronischer und bislang unzureichend behandelbarer Krankheiten. Mehr als die Hälfte der neu zugelassenen Heilmittel gegen Krankheiten wie Krebs oder Diabetes stammt mittlerweile aus den Labors von Biotechfirmen. Branchenexperten erwarten auf Sicht der nächsten drei Jahre ein durchschnittliches Gewinnwachstum von zwölf Prozent für die Entwickler von Proteinen und Antikörpern, die direkt die Krankheitsauslöser angehen und nicht nur Symptome bekämpfen. Die US-Firma Celgene zählt hier zu den Schwergewichten mit der größten Gewinndynamik. Unter den Pharmakonzernen hebt sich Novo Nordisk aus Dänemark dank seiner führenden Position bei Diabetesmitteln ab. Auch in der Medizintechnik beschert eine neue Generation von Geräten, etwa zur Messung von Blutzucker oder Herzklappen, die per Katheter minimalinvasiv eingeführt werden, Unternehmen wie Medtronic einen neuen Gewinnschub. Unter den Investmentfonds bietet der JPM Healthcare mit seinem Portfoliomix aus Pharma-, Biotech-, Medtech- und Klinikdienstleisteraktien eine überdurchschnittlich gute Renditechance.
Nahrungsmittel: Stabiles Geschäft, leckere Rendite
Ob internationale Konzerne oder Nischenanbieter von Bioprodukten: Nahrungsmittelhersteller eignen sich wegen ihrer konstanten Umsätze und Erträge besonders gut als defensive Beimischung. Zum Beispiel Danone. Der weltweit größte Joghurthersteller ist dank sinkender Milchpreise wieder in der Erfolgsspur. Neben den Milchprodukten, die etwas mehr als die Hälfte der Konzernerlöse stellen, verkauft der Konzern abgefülltes Wasser, Babynahrung und medizinische Nahrungsmittel. Langfristig jede Menge Genuss bietet auch die Aktie der irischen Kerry Group. Das Unternehmen ist der weltweit führende Hersteller von Aromen und Nahrungsmittel-Zusatzstoffen, beispielsweise für Fertiggerichte. Wie bei den meisten Firmen aus dem Sektor zählt auch die Kerry-Aktie von der Bewertung her nicht zu den Billigheimern. Das Unternehmen glänzt aber mit konstanten Wachstumsraten von vier bis fünf Prozent im Jahr und erhöht regelmäßig seine Dividende. Für langfristig orientierte Anleger eignet sich auch der ETF auf den Stoxx Europe 600 Food & Beverage Index, in dem Nestlé, Unilever und Danone zu den größten Positionen zählen.
Haushaltswaren: Erstklassige Marken setzen Glanzpunkte
Haushaltswaren und nicht-zyklische Konsumgüter sind ein weites Feld. Das zeigt sich auch bei der Zusammenfassung der Branchenindizes, die von den ETFs abgebildet werden. Der Stoxx Europe 600 Personal & Household Goods enthält so unterschiedliche Weltkonzerne wie British American Tobacco, Reckitt Benckiser oder LVMH. Dank seiner starken Performance ist ein ETF auf diesen Index auch eine gute Depotbeimischung. Für Aktieninvestments bieten sich jedoch zwei Nebenwerte aus Deutschland und Italien als bessere Alternative an. Villeroy & Boch hat zuletzt dank eines anziehenden Inlands- und Auslandsgeschäfts seine Margen gesteigert. Diese Tendenz sollte sich trotz eines sich abschwächenden Russlandgeschäfts fortsetzen, wenn der Spezialist für Bad- und Tischkeramik am 20. Oktober sein Zahlenwerk für das dritte Quartal präsentiert. Auf beschleunigtes Gewinnwachstum können Anleger auch bei De Longhi setzen. 75 Prozent der Erlöse erzielt die Firma aus Treviso in Nordostitalien mit Espressomaschinen und Haushaltsgeräten. Die auf den ersten Blick stramme Bewertung reflektiert den zu erwartenden Gewinnschub.
Freizeit/Sport: Fitness und Urlaub gehören auch ins Depot
Die Deutschen machen ihrem Ruf als Reiseweltmeister weiter alle Ehre. Alles deutet darauf hin, dass der Rekordwert von 67,3 Milliarden Euro aus dem Jahr 2014 für Urlaubsreisen 2015 getoppt wird. Während das Geschäft bei den Kreuzfahrt-Reedereien weiter auf Volldampf läuft, setzen vor allem Onlineanbieter den klassischen Anbietern von Pauschalreisen zu. TUI hat darauf mit dem Zusammenschluss aller Hotel- und Clubmarken unter einem globalen Markenauftritt reagiert und die Strukturen verschlankt. Die starken Halbjahreszahlen zeigen, dass der Konzern mit seinem Ziel, das Gewinnwachstum in den kommenden Jahren zu beschleunigen, auf dem richtigen Weg ist. Wer sich die gesamte Branche in einem Indexfonds ins Depot holen will, fährt am besten mit dem von Lyxor aufgelegten ETF auf den Stoxx Europe 600 Travel & Leisure, in dem Ryanair und Compass auf die höchste Gewichtung kommen. Fitness ist ein weiterer konjunkturunabhängiger Trend. Gegenüber den beiden Top-Playern Adidas und Nike behauptet sich hier Asics mit dem klaren Fokus auf Laufschuhe. Dank der Topqualität seiner ergonomisch und funktionell überragenden Produkte erzielt Asics hohe Margen. Der für das laufende Geschäftsjahr zu erwartende Gewinnsprung wiederum rechtfertigt die auf den ersten Blick sportliche Bewertung.
Telekom: Solides Geschäft und knackige Dividenden
Dividendenrenditen zwischen drei und fünf Prozent, der anhaltende Run auf mobile Datenservices und ein im Zuge der Branchenkonsolidierung etwas abnehmender Preisdruck: Diese drei Argumente sprechen aktuell für Telekomaktien als defensives Fundament. Dem gegenüber stehen die Kosten für die Instandhaltung der Netze und der Wettbewerb um preiswerte Kundenservices. Branchengewinner unter den europäischen Telekoms sind derzeit schwer auszumachen. Anleger sollten deshalb am besten mit einem ETF auf den gesamten Sektor setzen. Mit 23,3 Prozent ist Vodafone der mit weitem Abstand schwerste Wert im Branchenindex Stoxx Europe 600 Telecommunications. Fundamental besser aufgestellt ist NTT DoCoMo. Japans größter Mobilfunkanbieter ist niedriger verschuldet als seine europäischen Pendants und steigert kontinuierlich den Free Cashflow, zuletzt auf umgerechnet 2,3 Milliarden Euro. Wegen der niedrigen Liquidität empfiehlt es sich, direkt an der Tokioter Börse zu ordern. Unter den deutschen Mobilfunkprovidern bleibt Drillisch unser Favorit. Mit der Übernahme der E-Plus-Tochter Yourfone und des Vertriebsspezialisten The Phone House hat die Firma in diesem Jahr Umsatz- und Kundenbasis wesentlich erweitert. Neben der günstigen Bewertung spricht die anhaltende Übernahmefantasie für den Kauf der Aktie.
Immobilien: Mit Betongold zum stabilen Fundament
Immobilienaktien zählen in diesem Jahr zu den Branchen in Deutschland mit der besten Performance. Das anhaltend niedrige Zinsniveau ist ein wesentlicher Wachstumstreiber, denn es ermöglicht den Gesellschaften, günstig an Kredite für größere Übernahmen und Zukäufe zu kommen. Darüber hinaus sind Immobilien als Anlageobjekte höchst begehrt. Und zu guter Letzt ziehen die seit jeher hohen Dividendenausschüttungen der Immobilienkonzerne Anleger an. Das aus dem Zusammenschluss von Gagfah und Deutsche Annington entstandene neue DAX-Mitglied Vonovia ist hier sehr gut positioniert. Während bei Vonovia der Schwerpunkt auf Wohnimmobilien liegt, ist das MDAX-Unternehmen Deutsche Euroshop auf Einkaufszentren in erstklassiger Citylage spezialisiert. Minimale Leerstandsquoten, niedrige Abschreibungen und ein stark diversifiziertes Portfolio garantieren eine stabile Geschäftsentwicklung. Angesichts der anhaltenden Niedrigzinspolitik sind europäische Firmen weiter zu bevorzugen. Bei den Immobilienfonds hebt sich der Henderson Horizon Pan European Property durch sein Firmenportfolio und seine Top-Performance ab.