Anders Holch Povlsen kam 1972 auf den Färöerinseln zur Welt. Drei Jahre später zog die Familie nach Dänemark. Seine Eltern Merete und Troels Holch Povlsen eröffneten in der jütländischen Kleinstadt Brande ein Damenmodegeschäft. Herren- und Kinderbekleidung sowie weitere Filialen kamen später dazu. Der Handelskette gaben die Povlsens den Namen "Bestseller".
Anders Holch Povlsen übernahm mit 28 Jahren das elterliche Geschäft. Er hatte sich erst an einem Business College in Dänemark eingeschrieben und anschließend ein kombiniertes Bachelorstudium in Cambridge und an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin absolviert. Aus dem kleinen Unternehmen seiner Eltern schuf Povlsen einen der größten Modekonzerne Europas mit einem Umsatz von zuletzt rund 3,2 Milliarden Euro. Keimzelle des Konzerns ist sein Fast-Fashion-Produzent "Bestseller" mit insgesamt 17 Marken, darunter Vero Moda, Only oder Jack & Jones. Er ist mit Läden in 45 Ländern vertreten - in Europa, Indien, China, dem Mittleren Osten, Kanada und Uruguay. Zusammen mit zwei dänischen Partnern hält er Anteile an der Bestseller Fashion Group China, die Kollektionen für über 5000 Läden in ganz China fertigt.
Heute gilt der Modezar als einer der erfolgreichsten Investoren im europäischen Onlinehandel. Er ist am deutschen Online-Modeversandhändler Zalando beteiligt (seine Anteile hat er zum Teil von den Samwer-Brüdern erworben), außerdem hält er Anteile im zweistelligen Prozentbereich am Wettbewerber About You, der Mitte Juni erfolgreich an der Börse startete, sowie am britischen Pendant Asos. Asos ist der größte Onlineversender für Mode und Kosmetik in Großbritannien. Außerdem hat Povlsen in das dänische Möbellabel Hay investiert, in das Bezahlsystem Klarna und den dänischen Online-Supermarkt Nemlig. Er ist der reichste Däne und wird von Forbes mit einem geschätzten Vermögen von 11,9 Milliarden Dollar auf Rang 169 der reichsten Menschen der Welt geführt. Die Dänen nennen ihn bereits ihren Jeff Bezos.
Povlsen ist ein Mann, der mit der Gefahr leben muss. 2003 wurde in Indien ein Freund der Familie entführt - die Kidnapper hielten ihn fälschlicherweise für den Mode-Tycoon. Als sie ihren Irrtum bemerkten, ließen sie den Mann frei. Bereits 1998 war die Familie zehn Monate lang erpresst worden. Ein 34-Jähriger drohte die Familie umzubringen, forderte eine Million Euro, ritzte seine Initialen in ihre Autos und brach sogar in ihr Haus ein. Nachdem er verhaftet wurde, fand die Polizei in seiner Wohnung Handschellen, Perücken, entflammbare Flüssigkeiten und Bücher über Gift. Seither wird die Familie ständig bewacht. "Kein Wunder, dass es Povlsen bis heute genießt, unerkannt und unbehelligt in schottischen Pubs zu sitzen", schrieb das "Manager Magazin".
Schon als Kind liebte Povlsen die Natur. Mit seinen Eltern und seinem Bruder fuhr er viele Jahre lang nach Schottland zum Fliegenfischen. Sein Traum, so erzählte er später, sei es immer gewesen, ein Stück Schottland zu besitzen. Inzwischen ist er mit rund 80 000 Hektar der größte private Grundbesitzer im Vereinigten Königreich. Selbst die Queen hat in Schottland weniger. Über 130 Millionen Euro hat der Tycoon bereits in sein Reich investiert. "Seit den Wikingern hat es keinen Skandinavier mehr gegeben, der mehr britisches Land besessen hat", stellte die Zeitung "Daily Mail" fest. Das erste Anwesen, das Povlsen 2006 in Schottland kaufte, war Glenfeshie - eine 1880 erbaute Lodge im Nationalpark Cairngorms, für die er laut BBC rund zehn Millionen Dollar bezahlte. Hier wurden Teile der Serie "The Crown" und des Films "The Queen" mit Helen Mirren gedreht. Systematisch hat Povlsen seinen Grundbesitz erhöht und weitere Lodges dazugekauft. 2014 auch das Aldourie Castle am Ufer des sagenumwobenen Loch Ness, ein Schloss aus dem 17. Jahrhundert, das als Luxusdestination vermietet wird (Preis auf Anfrage). Hier wohnt die Familie Povlsen, wenn sie in Schottland ist - das Schloss sei Anders’ "Sehnsuchtsort", schreibt die Presse.
Ein Herz für Tiere und Natur
Povlsen will Schottland wieder wilder machen. Er entwickelte zusammen mit seiner Ehefrau Anne das "Rewilding-Projekt": Sie wollen das schottische Land in seinen natürlichen Zustand zurückversetzen, die Flüsse, Moore, Feuchtgebiete und Wälder wiederherstellen und bedrohte einheimische Wildtiere wie Wildkatzen und Steinadler schützen. Irgendwann sollen sogar Wölfe und Luchse wieder angesiedelt werden. Auch in Rumänien ist Povlsen als Naturschützer aktiv. Er hat ein großes Stück Land gekauft und in ein Reservat umgewandelt, in dem einheimische Tierarten wie Wölfe, Luchse und Braunbären geschützt werden sollen. Gleichzeitig half er - zusammen mit dem Schweizer Hansjörg Wyss, der ein Milliardenvermögen mit dem Implantatekonzern Synthes gemacht hatte -, einen von Europas seltenen Urwäldern vor der Holzmafia zu schützen. "Unser Land in den Karpaten ist ein Grundbesitz mit dem Potenzial, Teil eines zukünftigen Nationalparks zu werden", sagte Povlsen in einem seiner seltenen Interviews. "Es ist einer der wenigen Orte in Europa, an denen Sie noch ein intaktes Ökosystem haben. Sie können es fühlen, wenn Sie am Boden sind. Sie haben alle Raubtiere, alle großen Fleischfresser, einschließlich Wölfe und Bären. Es gibt mehr Blumen, mehr Schmetterlinge, mehr Insekten."
Der Hauptwohnsitz der Familie Povlsen befindet sich auf dem alten Gut Constantinsborg westlich von Aarhus. Das Anwesen umfasst ein luxuriöses Herrenhaus sowie Ackerland und Wälder. Der öffentlichkeitsscheue Povlsen ist stets darauf bedacht, seinen Reichtum nicht zur Schau zur stellen. Gemäß der Zeitung "The Herald Scotland" habe Povlsen einmal einem Mitarbeiter erklärt, er habe alles, was er brauche, und dazu noch eine schöne Uhr. Mehr benötige er nicht. Als der Angestellte auf Povlsens Handgelenk schaute, sah er, dass es sich bei seiner Uhr um ein japanisches Billigprodukt handelte. Lange fuhr Povlsen einen VW Golf. Erst kürzlich ist er auf einen Tesla umgestiegen.
2019, während ihres Osterurlaubs in Sri Lanka, wurde die Familie von einer Tragödie heimgesucht. Ein islamistischer Selbstmordattentäter sprengte sich im Hotel "Shangri-La" in Colombo in die Luft, als die Familie gerade beim Frühstück saß. Drei von Povlsens Kindern starben: die Töchter Alma (15) und Agnes (12), der Sohn Alfred (5). Die jüngste Tochter Astrid überlebte. Die königliche Familie Dänemarks war bei der Beerdigung dabei - die beiden Familien waren befreundet.