Honduras wird Fußball- Weltmeister 2014. Wer dran glaubt, sollte ins Wettbüro gehen. William Hill, der größte Glücksspielanbieter Englands, bot zum Turnierstart den 2501-fachen Einsatz, falls der Fußballzwerg aus Mittelamerika tatsächlich die größte Sportveranstaltung der Welt gewinnen sollte.
Trotz Megaquote - die Wettbüros würden sich über einen Triumph von Honduras freuen. Denn Außenseitersiege sind gut für den Wettanbieter. Schließlich wird niemand ernsthaft auf Honduras setzen, die Masse hingegen trotz einer Miniquote von 4 : 1 auf den WM-Gastgeber und Top-Favoriten Brasilien.
Die Fußball-Weltmeisterschaft bedeutet Hochkonjunktur für die Wettbüros. Besonders groß ist das Geschäft in Großbritannien. Erstmals werden britische Glücksspieler in diesem Jahr mehr als eine Milliarde Pfund (rund 1,25 Milliarden Euro) auf Spiele einer WM setzen, hat die Boulevardzeitung "Mirror" hochgerechnet. Für die Wettbüros kommt dieses Extrageschäft gerade recht. Denn die Branche hat das Glück zuletzt verlassen.
Im Januar erlebten die Wettanbieter ein schwarzes Wochenende: 20 Millionen Pfund mussten die britischen Buchmacher ausschütten, weil in der obersten Fußball- Liga, der Premier League, an einem Spieltag durchweg die Favoriten siegten und es keine - für die Wettanbieter besonders wertvollen - Unentschieden gab. Ein Glücksspieler machte aus zwei Pfund Einsatz 40 000 Pfund Gewinn. Schlimmer als solche statistischen Ausreißer sind für die Branche jedoch verschärfte Auflagen der britischen Regierung.
Wetten ist eine Art Volkssport auf der Insel. Mehr als die Hälfte der Briten versucht sich beim Glücksspiel, ergab eine Untersuchung der Regierung. Entsprechend hässlich sind die Nebenwirkungen. Die Zahl der Spielsüchtigen hat sich seit der Liberalisierung des Glücksspiels im Jahr 2005 fast verdoppelt: auf eine halbe Million Menschen. Knapp eine Million Briten gelten zudem als suchtgefährdet.
In der Kritik stehen vor allem die Glücksspielautomaten in den Wettlokalen. Sie locken bei Roulette, Poker oder Black Jack mit hohen Gewinnchancen bei kleinen Einsätzen. Das verleitet, in kurzer Zeit immer wieder Geld nachzuwerfen. Brisant: Vor allem in Regionen mit niedrigem Einkommen und hoher Arbeitslosigkeit wird häufig an Automaten gezockt. Laut Regierungsbericht waren im Vereinigten Königreich 2012 mehr als 33 000 dieser Geräte in Betrieb. Im Schnitt erwirtschafteten sie für den Betreiber jede Woche 825 Pfund Gewinn.
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Nach dem Crash
Die Aktien der großen britischen Wettanbieter haben aus Furcht vor harten Eingriffen der Regierung über die vergangenen zwölf Monate rund 20 Prozent an Börsenwert verloren. Der breite Aktienindex FTSE 100 legte im selben Zeitraum elf Prozent zu.
Besonders anfällig für Regulierungen ist Ladbrokes. Die Nummer 2 unter den britischen Glücksspielern erwirtschaftet laut Schätzung der Investmentbank Goldman Sachs für das kommende Jahr rund 80 Prozent seines operativen Gewinns in Wettlokalen auf britischem Boden.
Besser aufgestellt ist der Konkurrent Paddy Power. Für das irische Unternehmen ist Großbritannien ebenfalls der größte Markt, Wettlokale aber machen bei Paddy Power in den Prognosen von Goldman Sachs nur 15 Prozent des Gesamtgewinns aus.
Die Ende April vorgelegten Vorschläge der Regierung zur Regulierung des Glücksspiels sind vergleichsweise milde ausgefallen. Als einer der Kernpunkte soll die Eröffnung neuer Spiellokale erschwert werden. Das dürfte den Großen der Branche sogar entgegenkommen, da sie sich mit ihren Shops bereits an den lukrativen Standorten ausgebreitet haben. Zusätzlich sollen Spieler an Automaten bei einem Einsatz von mehr als 50 Pfund künftig ein Benutzerkonto eröffnen müssen oder vorab in bar beim Shopbetreiber bezahlen.
Noch ist die Gefahr für die Unternehmen aber nicht gebannt: Im Herbst wird ein neuer Bericht erwartet, der sich mit den Auswirkungen des Glücksspiels auf die Gesellschaft befasst. Je nach Tonlage könnten schärfere Regulierungen dann erneut auf die Tagesordnung der Politik rücken. Vor allem die oppositionelle Labour Party will weiter Druck machen. Höhere Steuern sind schon jetzt beschlossene Sache. Die Investmentbank J P Morgan warnt zudem davor, dass sich die Regierung in einer nächsten Regulierungswelle die Glücksspielgeschäfte im Internet vornehmen könnte.
Erste Börsianer platzieren dennoch ihre Wetten. Die Überlegung: Die Risiken der strengeren Regulierung sind an der Börse bereits verarbeitet. Tatsächlich haben sich die Aktienkurse zuletzt gefangen. Das Investmenthaus Numis kalkuliert, dass Marktführer wie William Hill mit den Auflagen deutlich besser fertig werden als kleinere Konkurrenten. Die Analysten von Goodbody erwarten eine Marktbereinigung, bei der sich die Branchenriesen durchsetzen werden.
Trotz härterer Regulierung - das Geschäftsmodell der Glücksspielindustrie ist attraktiv. Bei Topunternehmen bleiben mehr als 15 Prozent des Umsatzes als Nettogewinn in der Bilanz hängen. William Hill hat für seine Aktionäre in den vergangenen Jahren regelmäßig Dividendenrenditen von mehr als drei Prozent abgeworfen. Ladbrokes kommt derzeit auf Basis der Analystenschätzungen für das kommende Jahr sogar auf mehr als fünf Prozent Dividendenrendite.
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Firmenjäger lauern
Begrenzte Wachstumsmöglichkeiten könnten auch große Unternehmen zu Übernahmekandidaten machen. Als Ziel wird in Finanzkreisen vor allem Ladbrokes genannt. Mögliche Käufer wären Finanzinvestoren. In britischen Medien gilt auch Paddy Power als möglicher Käufer. Konkret dürfte das wohl erst werden, wenn die Investoren Klarheit haben, wie streng die Regulierung genau ausfallen wird.
Gefahr droht ausgerechnet auch von der englischen Fußball-Nationalmannschaft. Sollte das Team in diesem Jahr Weltmeister werden, wären Auszahlungen in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Pfund fällig, hat William Hill hochgerechnet. Nimmt man Englands Leistungen bei früheren Turnieren als Maßstab, müssen Aktionäre zumindest dieses Szenario nicht fürchten.
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