"Unsere Aufgabe ist es nicht, auf das Beste zu hoffen, sondern uns auf das Schlimmste vorzubereiten", sagte BoE-Chef Mark Carney. Auch die Londoner Regierung warnte am Mittwoch vor Einbußen für den Fall, dass der mit der EU ausgehandelte Plan von Premierministerin Theresa May vom Unterhaus abgelehnt wird.

Auf Antrag von Abgeordneten hat die Notenbank die Folgen berechnet, die ein solcher Brexit ohne jegliche Regelung hätte: Die britische Wirtschaftskraft würde demnach binnen ungefähr eines Jahres um acht Prozent schrumpfen. In der Finanzkrise waren es 6,25 Prozent. Gründe für die starken Einbußen bei einem derartigen Chaos-Brexit wären der Vertrauensverlust der Finanzmärkte in britische Institutionen sowie gravierende Lieferverzögerungen wegen neuer Grenzkontrollen. Die Arbeitslosigkeit würde demnach auf 7,5 Prozent steigen und nur deshalb unter dem Höchststand während der Finanzkrise bleiben, weil Arbeitkräfte massenhaft Großbritannien verlassen würden.

BRITISCHE BANKEN BESTEHEN STRESSTEST DER NOTENBANK



Die Notenbank hat die Geldhäuser des Landes aufgefordert, Vorkehrungen für diese Extrem-Entwicklung zu treffen - und attestiert ihnen nun Widerstandskraft: Das britische Bankensystem sei stark genug, um auch in einem solchen Fall Haushalte und Firmen weiterhin ausreichend mit Krediten versorgen zu können. Das habe ein Stresstest der Branche ergeben. "Keine Bank muss ihr Kapitalpolster erhöhen", erklärte die BoE. Dem Test hatten sich sieben wichtige Banken unterziehen müssen, darunter die vier Großbanken HSBC, Barclays, Royal Bank of Scotland und Llodys.

Eine weniger drastische Form eines EU-Ausstiegs ohne Vereinbarung wäre ein zwar weiter funktionierender Grenzverkehr, bei dem aber unter anderem neue Zölle erhoben würden. Dafür rechnet die BoE mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um drei Prozent. Erst vergangene Woche hatte Carney gewarnt, dass ein ungeregelter EU-Ausstieg die Wirtschaft so stark erschüttern könnte wie der Ölschock in den 1970er Jahren. Carney stellte sich hinter den von May ausgehandelten Vertrag mit der EU. Diese knapp 600 Seiten umfassende Ausstiegsvereinbarung wurde am Wochenende in Brüssel unterzeichnet. Ob May allerdings dafür im britischen Unterhaus eine Mehrheit bekommt, ist unklar.

Ihre Regierung legte selbst Prognosen vor, die eine deutlich stärkere Beeinträchtigung der Konjunktur vorhersagen, wenn Mays Plan bei der Abstimmung am 11. Dezember scheitert. In diesem Fall würde das BIP nach 15 Jahren um 7,7 Prozent geringer ausfallen als bei einem Verbleib in der EU. Sollte der Plan dagegen angenommen werden, dürfte die Wirtschaftsleistung nach 15 Jahren 2,1 Prozent geringer sein. In den Jahren vor dem Brexit-Referendum Mitte 2016 war Großbritannien eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Europa.

May bekräftigte, ihr Plan sei die beste Option für das Land. Die Analyse zeige, dass die Wirtschaft stark sei und weiter wachsen werde. Das Land werde in Zukunft nicht ärmer sein. Ein zweites Brexit-Referendum lehnte sie ab. "Es ist wichtig, dass das Votum des britischen Volkes umgesetzt wird." Kritiker des EU-Austritts hoffen, mit einer zweiten Abstimmung den Brexit noch verhindern zu können. Finanzminister Philip Hammond sagte dem TV-Sender BBC, aus rein ökonomischer Sicht wäre ein EU-Verbleib am besten für die Insel. Der vorliegende Plan von May komme aber nah daran.

rtr