Deutschland im Lockdown. Nur der Handel mit lebenswichtigen Gütern hat geöffnet - Lebensmittelmärkte, Drogerien, Apotheken und nach wenigen Tagen in den meisten Bundesländern auch Baumärkte. Keine Restaurantbesuche, keine Geschäfts- oder touristische Reisen, Hotels geschlossen, Homeoffice fast flächendeckend, Kurzarbeit. Derart auf sich selbst zurückgeworfen, griffen viele in Deutschland zu Hammer und Zange, Spaten und Hacke. Im ersten Halbjahr 2020 wurde "repariert, saniert, renoviert und dekoriert", heißt es vom BHB, dem Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten.
Die Corona-Krise brachte der Baumarktbranche einen spürbaren Schub, allein in Deutschland stieg der flächenbereinigte Umsatz im zweiten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 22,9 Prozent. Auf das gesamte erste Halbjahr gesehen verzeichnete die Branche hierzulande einen Anstieg um 16 Prozent und setzte knapp zwölf Milliarden Euro um. In Österreich und der Schweiz waren die Zahlen ebenfalls beeindruckend, wenngleich nicht ganz so stark, bedingt vor allem durch länger geschlossene Märkte. Vergleichbare Entwicklungen erlebten die Bau- und Heimwerkermärkte in den Vereinigten Staaten und Großbritannien.
Unerwartete Sonderkonjunktur
Am Aktienmarkt wurde die Entwicklung positiv aufgenommen. So stiegen etwa die Kurse der Hornbach Holding, von Kingfisher und Home Depot seit dem Tiefpunkt im März steil an. Die Hornbach-Aktie konnte sich von März bis September im Wert fast verdreifachen, ähnlich wie die Papiere der britischen Kingfisher. Home Depot legte in der Spitze um fast 70 Prozent zu.
Die außergewöhnlichen Wachstumszahlen sind Folge der Corona-Sonderkonjunktur. Doch die Branche wächst schon länger nachhaltig. In Deutschland wurde in fast jedem der zurückliegenden Jahre seit 2010 der Umsatz flächenbereinigt gesteigert.
Die Hornbach Holding, die außer in Deutschland in acht weiteren europäischen Ländern aktiv ist, hat nicht nur im Frühjahr, sondern auch in den Sommermonaten vom Trend zum Heimwerken profitiert. Die Vorlage der starken Zahlen zum zweiten Quartal nutzte das Unternehmen, um zum zweiten Mal seit Anfang August die Prognose für das laufende Geschäftsjahr zu erhöhen.
Hornbach optimistischer
Das Management des familiär geprägten Unternehmens aus dem pfälzischen Neustadt an der Weinstraße blickt optimistischer auf die zweite Jahreshälfte und erwartet ein Umsatzwachstum für das gesamte Jahr in einem Korridor von acht bis 15 Prozent. Der Vorsteuergewinn werde zwischen 270 und 330 Millionen Euro liegen. Im Vorjahr standen 227 Millionen Euro zu Buche. "Die Konsumenten haben weiterhin deutlich mehr Bedarf an Baumarktprodukten", sagte Albrecht Hornbach, Chef der Gruppe. Und: Ein abruptes Ende dieses Verbrauchertrends sei derzeit nicht absehbar.
Neben dem Schub durch die Corona- Krise und der anhaltend positiven Marktentwicklung profitiert Hornbach vom starken Online-Angebot. Die Pfälzer gewinnen hier Marktanteile. Sortimentserweiterungen wie etwa der Bereich Bodenbeläge kurbeln die Geschäfte zusätzlich an.
Auch in den USA hat Do it yourself in der Pandemie einen Schub erhalten. Die Baufachmarkt- und Einrichtungskette Home Depot, Nummer 1 in den USA und zugleich größter Branchenvertreter weltweit, zählt zweifellos zu den Gewinnern der Viruskrise. Das Unternehmen profitiert längerfristig vom Trend, dass Amerikaner aus den Innen- in die Vorstädte ziehen und dort erschwingliche Häuser mit erhöhtem Sanierungsbedarf kaufen. Zudem erweiterte Home Depot sein Angebot beispielsweise um Weiße Ware und steigt verstärkt auch in die Vermittlung von Handwerkern und die Finanzierung von Sanierungsvorhaben ein. Auch die Online-Services sind gut ausgebaut und werden von der Kundschaft angenommen.
Ein Risiko: Home Depot ist auf den Heimatmarktmarkt angewiesen. Schwächelt die Konjunktur nachhaltig oder steigen die Arbeitslosenzahlen wieder an, so würde dies das Geschäft belasten. Risiken drohen auch vom Handelskonflikt zwischen den USA und China, weil ein großer Teil des Sortiments aus Fernost importiert wird.
Die Corona-Krise hat auch Großbritannien stark getroffen. Viele Briten nutzten die Zeit des entgangenen Urlaubs, zu Hause anzupacken. Der Einzelhandelskonzern Kingfisher, der mit den Marken B & Q, Castorama, Brico Dépôt und Screwfix vorwiegend im Vereinigten Königreich, Irland, Frankreich und Polen am Markt ist, hatte zwar in den vergangenen Jahren mit rückläufigem Geschäft zu kämpfen. Das Unternehmen mit Schwerpunkt auf Bau- und Heimwerkerprodukte nutzte aber die Marktentwicklung durch Corona zur Stabilisierung. Der Gewinn je Aktie stieg im ersten Halbjahr um fast ein Drittel auf 15,1 Pence.
Brexit-Risiko bei Kingfisher
Neben den für alle Unternehmen der Branche bestehenden Unsicherheiten durch die fragile Konjunkturentwicklung und den offenen Fortgang des Infektionsgeschehens belastet auch die Frage, inwieweit Kingfisher vom Austritt der Briten aus der europäischen Union betroffen sein wird. Noch immer ist offen, wie die Handelsvereinbarungen mit der EU durch den Brexit 2021 sein werden und in wieweit Zölle, zusätzliche Formalitäten und neu zu verhandelnde Lieferketten das Unternehmen belasten.
INVESTOR-INFO
Hornbach Holding
Trend hält an
Die Hornbach Holding umfasst die Aktivitäten der Hornbach Baumarkt AG, der Baustoff Union GmbH und der Immobilien AG. Die Aktie ist seit Ende 2018 von gut 40 Euro bis auf das Allzeithoch bei knapp 100 Euro geklettert. Die Anstrengungen, den Onlinekanal auszubauen, tragen Früchte. Der Ausbau des Sortiments geht weiter. Gemessen am KGV scheint die Aktie nicht teuer. Ein Kauf mit verlässlicher Wertsteigerung.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 120,00 Euro
Stoppkurs: 78,00 Euro
Home Depot
Chancen nutzen
Die Baumarktkette hat einen florierenden Onlinevertrieb, erweitert das Sortiment und profitiert davon, dass viele Amerikaner aus den Innenstädten in die Vorstädte ziehen und dort ältere Häuser renovieren. Die Aktie ist ein Kauf. Allerdings sollten Anleger den Handelskonflikt mit China sowie die labile Konjunktur auf dem amerikanischen Heimatmarkt im Auge behalten. Beides könnte die positive Entwicklung dämpfen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 260,00 Euro
Stoppkurs: 198,00 Euro
Kingfisher
Belastungen drohen
Über mehr als drei Jahre hinweg hat sich die Aktie bergab bewegt. Seit März entwickelt sich der Kurs der Briten mit der Branche steil nach oben. Der negative Trend scheint gebrochen. Dennoch raten wir lediglich zum Halten. Denn der drohende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ohne Handelsabkommen dürfte für Kingfisher mit erheblichen Belastungen verbunden sein.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 3,40 Euro
Stoppkurs: 2,59 Euro