Den bevorstehenden Aufkauf von Unternehmensanleihen durch die EZB sieht Paul Brain, Leiter des Rententeams bei Newton (BNY Mellon), positiv. Er rechnet mit mehr Emissionen. Allerdings könne sich die Liquidität verknappen. Die Gefahr eines Crashs am High-Yield-Markt sieht Brain nicht.

Börse Online: EZB-Präsident Mario Draghi hat angekündigt, ab Juni auch Unternehmensanleihen aufzukaufen. Welche Folgen hat das für den Markt?


Paul Brain:

Draghi hat ein bisschen mehr getan, als vom Markt erwartet wurde. Schon die Aufnahme von Firmenbonds in das Anleihekaufprogramm war eine kleine Überraschung, das breite Spektrum an Laufzeiten, Emittenten und Ratings hat die Erwartungen übertroffen. Grundsätzlich ist es gut, dass ein neuer großer Käufer auftritt. Die EZB wird die Nachfrage nach Unternehmensanleihen beflügeln. Es wird mehr Emissionen von Bonds und somit mehr Kaufgelegenheiten geben. Aber: Die Zinsen könnten sich noch mehr ins Negative bewegen, sofern sich keine Besserung der Konjunktur einstellt.

Befürchten Sie, dass durch die EZB-Käufe der Markt austrocknet - wie bei Staatsanleihen - und die Liquidität sinkt?


Ja, es könnte zu Engpässen kommen. Die Erfahrungen in Großbritannien zeigen, dass die Liquidität knapper wurde, als die Bank of England auch Unternehmensanleihen in ihr Kaufprogramm aufnahm. Trotzdem mache ich mir nicht allzu viele Sorgen. Monatlich haben wir ein Volumen von zehn Milliarden Euro bei Corporate Bonds.

Wird die Risikoprämie von Unternehmensanleihen weiter sinken?


Ja, die Spreads sind gegenüber Staatsanleihen bereits spürbar um 25 Basispunkte zurückgegangen. Wir haben schon vor der eigentlichen EZB-Ankündigung eine spekulative, anhaltende Erholungsrally gesehen. Die Kurse stiegen, die Renditen sanken. Das könnte noch weitergehen.

Welche Anleihen bevorzugen Sie derzeit?


Aktuell setzen wir kurzfristig auf Emerging-Markets-Anleihen in lokaler Währung. US-Staatsanleihen meiden wir im Moment.

Befürchten Sie, dass die US-Notenbank Fed rasch an der Zinsschraube dreht?


Die Fed wird wahrscheinlich noch einmal - im Frühsommer - die Zinsen anheben. Dann wird sie vermutlich den Zinserhöhungszyklus stoppen. Denn ab der zweiten Jahreshälfte wird sich unserer Einschätzung nach das Wachstum der US-Wirtschaft abschwächen. US-Staatsanleihen dürften dann wieder attraktiver werden.

Auf Seite 2: Welches sind Ihre Favoriten in den Emerging Markets?





Welches sind Ihre Favoriten in den Emerging Markets?


Wir mögen Kolumbien. Staatsanleihen rentieren derzeit mit 7,5 Prozent. Und die Währung ist billig. Auch Mexiko zählt zu unseren Favoriten. Wir haben eine bis 2018 laufende Peso-Anleihe mit 4,75 Prozent Zinsen.

Welche anderen Länder favorisieren Sie?


Zu unseren favorisierten Ländern gehört Marokko. Das Land profitierte zuletzt von den niedrigeren Ölpreisen.

Was halten Sie von China?


Wir bevorzugen chinesische Staatsanleihen. Der Renminbi wird kurzfristig weiter unter Druck bleiben, denn die Abflüsse aus China werden vorerst weitergehen. Eine drastische Abwertung erwarten wir freilich nicht. Der Renminbi ist inzwischen unter Kontrolle der chinesischen Regierung.

Mehrere Fracking-Unternehmen und Kohleförderer wie Peabody sind pleitegegangen. Wird der niedrige Ölpreis für weitere Verwerfungen am High-Yield-Anleihemarkt und möglicherweise für eine neue Bankenkrise sorgen?


Nein, am Markt wird schon jetzt damit gerechnet, dass jede zweite Anleihe im Energiebereich ausfallen wird. Insofern sind die meisten Risiken inzwischen eingepreist. Die Lage bei den High-Yields wird sich bald entspannen, zumal sich der Ölpreis bei einem Niveau um 50 Dollar einpendeln wird. Die Gefahr einer neuerlichen Finanzkrise sehe ich nicht.

Halten Sie Anleihen in einer zunehmenden Niedrigzinswelt noch für attraktiv?


Der Kreditzyklus hat sich verändert. Die Unternehmen haben sich höher verschuldet und zahlen mehr Dividende. Damit wird es bald vorbei sein.