Prof. Michael Heise: Aktien und Unternehmensanleihen werden unter Druck geraten


Donald Trump hat bei den US-Wahl das Rennen gemacht. Viele erinnert das an den Brexit. Kaum einer hatte das vorher für möglich gehalten, aber dann kam’s doch. Viele Politiker und Topmanager haben einen möglichen Präsidenten Trump für ein Horrorszenario gehalten. Jetzt ist dieser Albtraum Realität geworden. Wie besorgt sind Sie?


Michael Heise: Das politische System der USA hat dem Populismus Auftrieb verliehen. Das wird weltweite Auswirkungen haben und Tendenzen der Renationalisierung und Abschottung verstärken. Die Wahl hat die tiefen politischen, ökonomischen und kulturellen Risse, die sich durch das Land ziehen, in aller Deutlichkeit gezeigt. Das ist keine gute Nachricht, weder für die USA noch den Rest der Welt.

Wie erklären Sie sich dieses Wahlergebnis?


Das Ergebnis zeigt, dass ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung sich von dem politischen Establishment enttäuscht abgewendet hat und sich durch den wirtschaftlichen Wandel benachteiligt sieht. Trump wird versuchen müssen, die auseinanderdriftenden Strömungen in der amerikanischen Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Es wird eine längere Phase der Unsicherheit geben.

Kommt jetzt der radikale politische Bruch in Washington?


Dies entscheidet sich letztlich im Kongress. Denn viele von Trumps Pläne stehen im klaren Gegensatz zu traditionellen republikanischen Positionen: Große Teile der Partei sind nach wie vor für Freihandel, einen ausgeglichenen Haushalt und (gut gemanagte) Immigration. Wie werden sich die republikanischen Abgeordneten in dieser Lage entscheiden? Man kann darüber derzeit nur spekulieren, aber mir erscheint es plausibel, dass die Republikaner ihren Präsidenten auch in die Schranken weisen werden, wenn ihre traditionellen Werte verletzt werden. Daher rechne ich nicht mit einem radikalen Bruch.

Wo erwarten Sie die größten Veränderungen?


Es dürfte relativ schnell zu Ankündigungen in Bezug auf die Handelspolitik und Zuwanderung kommen, der Beschluss zu niedrigeren Steuern und höheren Staatsausgaben wird parlamentarische Debatten auslösen und daher noch auf sich warten lassen. Das gilt auch für die Gesundheitspolitik.

Droht jetzt der Rückzug der USA auf sich selbst, also eine neue Ära des Isolationismus?


Dies ist zu befürchten. Handelspolitisch und außenpolitisch stehen unsichere Zeiten bevor. Präsident Trump wird zwar keinen Handelskrieg anzetteln, aber die Bemühungen um eine weitere Liberalisierung liegen erst einmal auf Eis. TTP und TTIP sind mehr oder weniger tot. In der Außenpolitik hat Trump zudem radikale Positionen erkennen lassen.

Welche Folgen hat das Wahlergebnis für Europa und die Zukunft der Nato?


Das Wahlergebnis wird die schon vorhandenen nationalorientierten politischen Strömungen in Europa verstärken. Darüber hinaus werden die europäischen Staaten sich zukünftig in weitaus stärkerem Maße in geopolitischen Fragen engagieren und Verantwortung übernehmen müssen.

Was bedeutet das Ergebnis für die Finanzmärkte?


Die Risiken einer Trump-Präsidentschaft waren an den Märkten noch nicht eingepreist. Wir werden daher in den nächsten Tagen und Wochen eine Flucht in die Sicherheit und eine sprunghaft ansteigende Volatilität erleben. Aktien und Unternehmensanleihen werden in diesem Umfeld unter Abgabedruck geraten; gleiches ist für die Währungen der NAFTA-Partner Kanada und Mexiko sowie vieler Emerging Markets zu erwarten. Alle sicheren Anlagehäfen außerhalb der USA dürften dagegen profitieren: Die Rendite deutscher Staatsanleihen beispielsweise wird erneut sinken und die Differenz zu entsprechenden US Treasuries wird sich ausweiten. Eine Leitzinserhöhung der Fed im Dezember ist damit so gut wie vom Tisch.

Wie lange wird es nach unten gehen?


Mittelfristig sind die Marktreaktionen schwieriger vorherzusagen. Dies liegt einerseits daran, dass die ersten Schritte der neuen US-Administration zum gegenwärtigen Zeitpunkt unbekannt sind. Es ist nicht auszuschließen, dass neben protektionistischen und weniger wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen auch konjunkturelle Impulse angekündigt werden, etwa über Steuersenkungen und Mehrausgaben des Staates. Dies dürfte allerdings noch auf sich warten lassen, so dass für die kommenden Monate von schwacher Marktverfassung auszugehen ist.

Gold ist ein klassischer Zufluchtshafen in Zeiten wachsender Unsicherheit. Zieht der Goldpreis jetzt wieder an?


Ja. Dies liegt nicht nur an der zunehmenden Unsicherheit, sondern ist auch im Wahlprogramm Trumps begründet. Wenn beispielsweise die partielle Ausweisung nicht registrierter, aber beschäftigter Einwanderer oder die Einführung höherer Zölle umgesetzt würde, würde sich dies unweigerlich in höherer Inflation niederschlagen, aufgrund eines geringeren Arbeitsangebots, höheren Lohndrucks und höherer Importpreise.

Wo sehen Sie den Goldpreis auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten?


Über der Marke von 1300 Dollar je Feinunze.

Deutsche Führungskräfte haben sich im Vorfeld der Wahl sehr besorgt gezeigt. Die USA sind der wichtigste Handelspartner für die deutsche Wirtschaft. Was bedeutet die Wahl Trumps für die Exportnation Deutschland?


Insgesamt erwarten wir keine Fortschritt bei den Freihandelsabkommen und weltweit ein langsameres Wachstum des Handels. Das belastet die deutsche Exportwirtschaft, auch wenn das nicht unmittelbar am Exportvolumen in die USA sichtbar werden wird.

Trump hat im Wahlkampf große Kritik an der US-Notenbank geäußert und ihr indirekt vorgeworfen, verlängerter politischer Arm des Weißen Hauses zu sein. Beobachter erwarten, dass Fed-Chefin Yellen abgelöst wird. Welche Folgen hätte ein solcher Eingriff in die Politik der Notenbank für die US-Währung und die Unabhängigkeit der Fed?


Eine Politisierung der Geldpolitik würde langfristig das Vertrauen in das Finanzsystem der USA untergraben. Steigende Zinsen und eine schwächere Währung wären die Folgen.

Auf Seite 2: Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer



Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer: Größeres Problem als der Brexit


Donald Trump hat bei den US-Wahl das Rennen gemacht. Viele erinnert das an den Brexit. Kaum einer hatte das im Vorfeld für möglich gehalten, aber dann kam’s doch. Viele Politiker und Topmanager haben einen möglichen Präsidenten Trump für ein Horrorszenario gehalten. Jetzt ist dieser Albtraum Realität geworden. Wie besorgt sind Sie?


Jörg Krämer: Ich bin besorgt. Das ist kein normaler Regierungswechsel, sondern ein Erdrutsch. Die Selbstzerfleischung der USA geht weiter. Mit einem Protektionisten im Weißen Haus drohen schwere Handelskonflikte mit Mexiko und China. Außerdem stärkt der Wahlsieg Trumps in Populisten in der EU. Fällt am 4. Dezember in Italien die Senatsreform in der Volksabstimmung durch, könnte der Ex-Komiker Beppo Grillo nach Parlamentsneuwahlen Ministerpräsident werden. Das könnte den Euroraum in eine neue Krise stürzen.

Wie erklären Sie sich dieses Wahlergebnis?


Das ist ein Mißtrauensvotum gegen die politischen, wirtschaftlichen und publizistischen Eliten der USA. Viele Menschen fühlen sich wirtschaftlich abgehängt, die Finanzkrise hat das Vertrauen vieler Amerikaner in Marktwirtschaft und Freihandel beschädigt."

Kommt jetzt der radikale politische Bruch in Washington?


Viele beruhigen sich mit dem Spruch, dass nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Aber Trump hat sich im Wahlkampf mit markigen Worten festgelegt. Er kann etwa beim Thema Freihandelsabkommen nicht einfach von seinen Positionen abrücken. Dagegen spricht auch sein Charakter. Die USA erleben eine Zeitenwende.

Wo erwarten Sie die größten Veränderungen?


Trump wird die Steuern radikal senken. So soll der Körperschaftssteuersatz von 35% auf 15% fallen. Außerdem will er mehr für Verteidigung ausgeben. Das Haushaltsdefizit wird deutlich steigen, mindestens um 2% des Bruttoinlandsprodukts. Besorgt bin ich auch darüber, dass Trump den Freihandel schwächen wird - und zwar ausgerechnet in einer Zeit, in der der Welthandel schon seit zwei Jahren stagniert und neue Freihandelsabkommen dringend notwendig sind. Schließlich besteht ein weiteres Problem darin, dass Trump die Sicherheitsgarantien der Nato für die von Russland bedrängten baltischen Staaten in Frage gestellt hat. Das schwächt die Nato.

Droht jetzt der Rückzug der USA auf sich selbst, also eine neue Ära des Isolationismus?


Was den Freihandel anbelangt, werden sich die USA in der Tat zurückziehen. Für einen gewissen Isolationismus spricht auch Trumps Schwächung der Nato, aber für klare Rückschlüsse ist es noch zu früh.

Welche Folgen hat das Wahlergebnis für Europa und die Zukunft der Nato?


Trumps Sieg stärkt die Populisten in Europa und schwächt die EU.

Was bedeutet das Ergebnis für die Finanzmärkte?


Das ist für die Märkte ein Thema, auch wenn sie die anfänglichen Verluste zum großen Teil wieder wettgemacht haben. Schließlich geht die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt unter einem Präsidenten Trump in der Handelspolitik auf Konfrontationskurs. Hinzu kommt die monatelange Unsicherheit darüber, was genau Trump tun wird. Die politische Selbstzerfleischung der USA geht weiter. Wie lange wird es nach unten gehen?
Die Märkte haben überraschend entspannt reagiert. Aber fundamental ist die Wahl Trumps ein weit größeres Problem als das Brexit-Votum im Juni.

Gold ist ein klassischer Zufluchtshafen in Zeiten wachsender Unsicherheit. Zieht der Goldpreis jetzt wieder an?


Der Goldpreis hat natürlich von Trumps Wahlsieg profitiert. Auf die längere Sicht könnte es weiter nach oben gehen.

Wo sehen Sie den Goldpreis auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten?


Wir prognostizieren für den Goldpreis in sechs Monaten 1350 US-Dollar."

Deutsche Führungskräfte haben sich im Vorfeld der Wahl sehr besorgt gezeigt. Die USA sind der wichtigste Handelspartner für die deutsche Wirtschaft. Was bedeutet die Wahl Trumps für die Exportnation Deutschland?


Der Welthandel, der in preisbereinigter Rechnung bereits seit zwei Jahren stagniert, wird unter einem Präsidenten Trump sicher nicht zur alten Dynamik zurückfinden. Das wird die Exportnation Deutschland zu spüren bekommen, wenn der gegenwärtige konsumgetriebene Aufschwung in ein paar Jahren ausläuft."

Trump hat im Wahlkampf große Kritik an der US-Notenbank geäußert und ihr indirekt vorgeworfen, verlängerter politischer Arm des Weißen Hauses zu sein. Beobachter erwarten, dass Fed-Chefin Yellen abgelöst wird. Welche Folgen hätte ein solcher Eingriff in die Politik der Notenbank für die US-Währung und die Unabhängigkeit der Fed?


Die Republikanische Partei versucht seit längerem, die US-Notenbank enger an die Leine zu nehmen und zu einer weniger expansiven Geldpolitik zu bewegen. Sie hat beispielsweise Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, welche die Fed an eine geldpolitische Regel binden wollen. Das spräche für deutlich höhere Leitzinsen.

Auf der anderen Seite hat Trump die Niedrigzinspolitik der Fed vor allem deshalb kritisiert, weil sie den regierenden Demokraten nutzt. Als Präsident hätte Trump kein Interesse daran, dass deutlich höhere Leitzinsen die Wirtschaft abkühlen und seine Popularität beschädigen.

Alles in allem ist unklar, was das in der langen Sicht für die geldpolitische Strategie der Fed bedeutet. Relativ klar ist aber, dass es zwischen einer Trump-Administration und der Fed-Präsidentin Janet Yellen zu Konflikten kommt, nachdem Trump Yellen bereits im Wahlkampf hart angegriffen hatte. Das Tischtuch zwischen beiden scheint zerschnitten. Yellen dürfte spätestens mit dem Ende der Amtsperiode am 3. Februar 2018 von Bord gehen."

Auf Seite 3: Kapitalmarktstratege Robert Halver von der Baader Bank





Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank: An den Märkten weren sich die Wogen glätten



Donald Trump hat bei den US-Wahl das Rennen gemacht. Viele erinnert das an den Brexit. Kaum einer hatte das im Vorfeld für möglich gehalten, aber dann kam’s doch. Viele Politiker und Topmanager haben einen möglichen Präsidenten Trump für ein Horrorszenario gehalten. Jetzt ist dieser Albtraum Realität geworden. Wie besorgt sind Sie?


Robert Halver: Es nutzt ja nichts. Wir müssen jetzt alle das Beste daraus machen. Die Börsenreaktionen werden zunächst negativ ausfallen. Herr Trump ist ja ein politisch unbeleckt wie eine frische Briefmarke. Das sorgt für Unsicherheit mindestens bis zur Amtseinführung am 20. Januar 2017. Er ist so eine Art Wundertüte. Wir wissen noch nicht, was drin ist.

Wie erklären Sie sich dieses Wahlergebnis?


Man kann zukünftig Umfragen nicht mehr vertrauen. Der US-Mittelstand hat gelinde gesagt die Schnauze voll, dass es ihm wirtschaftlich immer schlechter geht. Nach Inflation liegen die Löhne der Amerikaner weiter unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2007. Über 45 Millionen Amerikaner leben von Lebensmittelmarken, ein Siebtel der Bevölkerung. Und die, die Arbeit haben, haben wegen Lohn-Dumpings teilweise mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen. Auch Akademiker beklagen sich immer mehr, dass sie ihren Studentenkredit erst pünktlich zu ihrem Ableben bezahlt haben werden. Gute Jobs sind selbst für sie nicht mehr ausgemachte Sache.

Trump hat es geschafft, sich bei den vermeintlichen Verlierern der Globalisierung im angeschlagenen "Rostgürtel" - der ältesten und größten Industrieregion der USA - als Robin Hood zu verkaufen, der gegen den Sheriff von Nottingham alias Washington ankämpft. Washington gilt für unzählige Amerikaner als das evil empire, das Reich des politischen Bösen, dessen Elite zuerst an sich selbst denkt. Washington eignet sich wunderbar als Feindbild.

Kommt jetzt der radikale politische Bruch in Washington?


Ich glaube, dass das, was im Wahlkampf sehr heiß gekocht wurde, in der Amtszeit von Trump deutlich weniger heiß serviert wird. Trump ging es darum, mit knackigen Themen Aufmerksamkeit und damit die Wahl zu gewinnen. Er wird politisch abspecken, auch weil ihn eine republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat - je größer die Mehrheit, desto größer die Zwietracht in der eigenen Partei - bremsen wird. Ich unterstelle außerdem, dass Trump kein Aktenleser ist. Das spricht dafür, dass er die zweite und dritte Ebene die "Drecksarbeit" machen lässt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir Mitte des nächsten Jahres sagen: So schlimm wie wir gedacht haben, ist es nicht gekommen.

Wo erwarten Sie die größten Veränderungen?


Er mag ja versuchen die Zuwanderung zu bremsen. Aber eine Mauer zu Mexiko wird es schon aus technischen Gründen nicht geben. An der Nato wird er festhalten, um die Omnipräsenz Amerikas zu sichern. Allerdings wird die Bundesregierung verpflichtet, deutlich mehr Geld in den Klingelbeutel der Nato einzuzahlen. In puncto Russland ist Trump weniger befangen als Hillary Clinton. Das spricht theoretisch für unpragmatische Anstrengungen, mit Putin auch das Problem Syrien zumindest einzugrenzen.

Dass er den Freihandel wirklich eingrenzt, sehe ich nicht. Die großen multinationalen Konzerne der USA, vor allem die Markennamen werden ihm mit starker Lobby-Arbeit schon die handelspolitischen Flötentöne beibringen. Diese Unternehmen werden weiter verkaufen wollen. Steuersenkungen werden zur Not von der US-Notenbank finanziert. Die Deregulierung, die er in der Gesundheitspolitik vorhatte, kollidiert eigentlich mit dem Vorhaben, der armen Mittelklasse unter die Arme zu greifen. Wir werden sehen, was von seinen Wahlkampfaussagen übrig bleibt.

Droht jetzt der Rückzug der USA auf sich selbst, also eine neue Ära des Isolationismus?


Das glaube ich nicht. Amerika hat das nach dem 1. Weltkrieg schon mal versucht. Sie mussten auf die Weltbühne zurückkommen. Und ein Isolationismus passt nicht zu Amerika. Man wird die Welt natürlich nicht den Chinesen und Russen oder den Schwellenländern allein überlassen. Amerika weiß sehr genau, dass wirtschaftlicher Erfolg auch mit geostrategischer Macht erkauft wird. Isolationismus passt überhaupt nicht zu den Republikanern.

Welche Folgen hat das Wahlergebnis für Europa und die Zukunft der Nato?


Die Nato wird bestehen bleiben, aber es wird für alle Beteiligten deutlich deutlich teurer. Trump kennt die Stimmung in Amerika, wonach sich der europäische Kontinent - also ohne den wertgeschätzten Waffenbruder Großbritannien - gerne hinter dem Schutzschild der USA versteckt, aber sich bei eigenen Engagements zurückhält.

Was bedeutet das Ergebnis für die Finanzmärkte?


Wir haben zunächst Unsicherheit, weil niemand weiß, wohin die Reise mit Trump führt. Ich denke allerdings, dass sich die Wogen zum Ende des Jahres glätten. Auch ein Trump kann nicht gegen die Regeln der Weltkonjunktur agieren. Amerika hängt mittlerweile auch am Export.

Wie lange wird es nach unten gehen?


Die Finanzmärkte werden sich zunächst emotional austoben. Sie denken immer in Schwarz-Weiß. Je mehr Zeit aber ins Land gegangen ist, desto mehr werden die Grautöne überwiegen und die rationalen Gedanken Oberhand gewinnen. Noch einmal: Trump wollte mit viel Wahlkampfgetöse gewinnen. Aber mit Beginn seiner Amtszeit werden seine Hörner mehr und mehr geschliffen.

Gold ist ein klassischer Zufluchtshafen in Zeiten wachsender Unsicherheit. Zieht der Goldpreis jetzt wieder an?


Der Goldpreis wird im Zuge der Unsicherheit anziehen. Das mag den Goldpreis auch noch einmal stützen. Aber mit zunehmender politischer Entspannung auch wieder verlieren. Es kann sein, dass die Fed jetzt die für Dezember eingeplante Zinserhöhung verschiebt.

Wo sehen Sie den Goldpreis auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten?


Bei 1350 Dollar je Feinunze.

Deutsche Führungskräfte haben sich im Vorfeld der Wahl sehr besorgt gezeigt. Die USA sind der wichtigste Handelspartner für die deutsche Wirtschaft. Was bedeutet die Wahl Trumps für die Exportnation Deutschland?


Grundsätzlich kann man aus dem Wahlsieg von Trump viel Dramatik für die Exportnation Deutschland ableiten. Natürlich erfreut es sicherlich die wenigsten deutschen Exportmanager, dass Trump gewonnen hat. Aber auch sie werden das Beste daraus machen. Man wird Amerika daran erinnern, dass es als Exportnation auch einiges zu verlieren hat, insbesondere seine Markennamen. Dennoch werden die Zeiten für Deutschland härter. In Amerika wird behauptet, dass die deutsche Industrie zwar gerne von einer guten US- und Weltkonjunktur profitiert, umgekehrt Deutschland aber zu wenig für die Stabilisierung der globalen Wirtschaft tut.

Die schwarze Null oder gar Überschüsse im deutschen Staatshaushalt sind den USA ein riesiger Dorn im Auge. Europäische Stabilitätspolitik ist für Amerikaner so wenig genießbar wie Bratwurst für Veganer. Man solle doch lieber alles für Wirtschaftsaufschwung tun. Herr Trump wird hier deutlich mehr Druck ausüben als ihr Vorgänger: Entweder Deutschland fördert zumindest die lahmende europäische Konjunktur mit staatlichen Konjunkturpaketen oder Amerika wird zurückhaltender in puncto deutscher Exporte in die USA.

Trump hat im Wahlkampf große Kritik an der US-Notenbank geäußert und ihr indirekt vorgeworfen, verlängerter politischer Arm des Weißen Hauses zu sein. Beobachter erwarten, dass Fed-Chefin Yellen abgelöst wird. Welche Folgen hätte ein solcher Eingriff in die Politik der Notenbank für die US-Währung und die Unabhängigkeit der Fed?


Man muss zwischen Wahlkampfgetöse und Realität auch hier unterscheiden. Wenn er im Weißen Haus sitzt, wäre er doch dann auch Begünstigter einer freizügigen Zins- und Geldpolitik. Und wer soll denn sonst seine dramatischen Steuersenkungen finanzieren. Amerika ist mit der Politik von Donald Trump von einem ausgeglichenen Staatshaushalt so weit entfernt wie die Erde vom Jupiter.

Auf Seite 4: Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M. Warburg





Carsten Klude, Chefvolkswirt M.M.Warburg: Rückschlag bietet günstigere Einstiegschance



Donald Trump hat bei den US-Wahl das Rennen gemacht. Viele erinnert das an den Brexit. Kaum einer hatte das im Vorfeld für möglich gehalten, aber dann kam’s doch. Viele Politiker und Topmanager haben einen möglichen Präsidenten Trump für ein Horrorszenario gehalten. Jetzt ist dieser Albtraum Realität geworden. Wie besorgt sind Sie?


Carsten Klude: Das Hauptproblem ist die mit der Wahl Trumps verbundene Unsicherheit, weil ein wirkliches Wahlprogramm mit aufeinander abgestimmten Aussagen nicht vorliegt. Während des Wahlkampfs ging Trump stark auf Konfrontationskurs mit fast allen etablierten Ideen und Vorstellungen. Allerdings ist es möglich und auch wahrscheinlich, dass er sich im Amt moderater gibt und sich an dem tatsächlich Machbaren orientiert. Die großen Sorgen, die derzeit mit einem Präsidenten Trump verbunden werden, könnten von daher übertrieben sein.

Wie erklären Sie sich dieses Wahlergebnis?


Trump hat es geschafft, "seine" Wähler zu mobilisieren. Darunter sind viele Menschen, die sich von der Politik in Washington abgehängt und mit ihren Sorgen nicht ernst genommen fühlen. Dass es ihm gelungen ist, entgegen den Umfragen alle wichtigen Swing States zu gewinnen deutet (wie auch schon beim Brexit erlebt) darauf hin, dass viele Wähler ihre wahren Präferenzen in Umfragen nicht offengelegt haben.

Kommt jetzt der radikale politische Bruch in Washington?


Das bleibt abzuwarten. Natürlich wird sich vieles ändern, zu unterschiedlich sind die Positionen von Demokraten und Republikanern in den meisten wichtigen politischen Punkten. "Radikal" wäre der Bruch aber wohl nur dann, wenn sich Amerika von nun an komplett nach innen wenden würde, was unwahrscheinlich ist. Donald Trump will vermutlich nicht nur in den USA wahrgenommen werden, sondern es spricht viel dafür, dass es auch die internationale Bühne suchen wird. Entscheidend wird sein, ob die USA als größte Volkswirtschaft der Welt auch weiterhin diese führende Rolle spielen wollen und werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist groß.

Welche Folgen hat das Wahlergebnis für Europa und die Zukunft der Nato?


Europa wird in der NATO zukünftig mehr Verantwortung übernehmen müssen, nicht nur finanziell. Wenn dies der Fall sein sollte, werden die USA auch weiterhin integraler und wichtiger Bestandteil des Bündnisses sein.

Da auch in Europa in der nächsten Zeit viele wichtige politische Ereignisse anstehen (Wahlen in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, Verfassungsreferendum in Italien) wird man genau beobachten müssen, ob "politische Außenseiter" auch hier stärker in den Politikprozess eingreifen werden.

Was bedeutet das Ergebnis für die Finanzmärkte?


Ähnlich wie beim Brexit dürfte es zunächst zu einer Überreaktion an den Märkten kommen, ehe sich die Lage dann wieder beruhigt. Noch ist Trump nicht im Amt, selbst wenn er große politische Veränderungen beschließen sollte, wird es dauern, bis diese greifen und sichtbar werden. Auch wenn Repräsentantenhaus und Senat von Republikanern dominiert werden, ist nicht gesagt, dass Trump mit all seinen Ideen durchkommt. Von daher gehen wir davon aus, dass sich die Märkte relativ zügig wieder erholen werden, denn das fundamentale wirtschaftliche Umfeld ist derzeit gut und hat sich in den vergangenen Monaten kontinuierlich verbessert. Insofern bietet sich Anlegern, die bislang nicht (ausreichend) investiert sind, aktuell eine günstigere Einstiegsmöglichkeit.