Die US-Notenbank hat am Sonntag erneut auf die Ausbreitung des Coronavirus reagiert und den Leitzins auf fast 0 % gesenkt. Um die Kreditmärkte zu stützen, sollen zudem die Staatsanleihen-Bestände um 500 Milliarden Dollar und die Bestände an Hypothekenpapiere um 200 Milliarden Dollar ausgebaut werden. Fed-Chef Jerome Powell sagte außerdem, alle vorhandenen Instrumente nutzen zu wollen, um die negativen wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie zu dämpfen.

Alleine schon dieses umfassende Maßnahmenpaket macht unmissverständlich klar, wie groß inzwischen selbst in den USA die Angst ist, dass es wegen dem Coronavirus zu einer Rezession oder vielleicht sogar einer Depression kommt. Wobei daran erinnert sei, dass die US-Notenbank unter Verweis auf den Coronavirus bereits Anfang März den Leitzins um einen halben Prozentpunkt gesenkt hatte.

Was der Fed-Schritt kurzfristig bewirkt und ob es noch zu weiteren, etwa zusätzlichen fiskalpolitischen Ankurbelungsmaßnahmen neben den bereits bisher beschlossenen kommt, bleibt abzuwarten. So oder so scheinen bis auf weiteres volatile Kursausschläge an den Weltbörsen vorprogrammiert zu sein.

Um bei all dem Lärm, der aus Anlegersicht auch davon ausgeht, dass die Aktienmärkte praktisch aus dem Stegreif von Rekordjagd auf Bärenmarkt umgestellt haben, nicht komplett den Überblick zu verlieren, kann es hilfreich sein, das Geschehen auch mit Hilfe von Grafiken einzuordnen.

Genau das haben am Freitag die beiden Analysten Uwe Streich & Frank Klumpp von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) getan. BÖRSE ONLINE zeigt aus diesem Bericht 6 der spannendsten Charts und erklärt, warum das LBBW-Fünf-Jahres-Modell für den DAX jetzt prozentual zweistellige Rendite p.a. verspricht.

Corona - Anlass zur Sorge, aber auch zu leiser Hoffnung



In ihrem Bericht konstatieren die Autoren Streich und Klumpp zunächst, dass dntwicklung der Coronavirus-Ansteckungszahlen Anlass zu großer Sorge gebe. Außerhalb von China seien diese schließlich zuletzt explodiert.

Falls man aber den Zahlen aus China Glauben schenken darf, mache die Statistik jedoch auch leise Hoffnung. Die die Neuansteckungen im Reich der Mitte hätten zuletzt gegen Null tendiert. Dies nähre die Vermutung, dass die Entwicklung im Rest der Welt China möglicherweise um vier bis sechs Wochen hinterher hinke.

Dabei dürfe allerdings nicht vergessen werden, dass die Abschottungs- und Quarantänemaßnahmen im Rest der Welt - mit Ausnahme von Italien -lange viel laxer ausgefallen seien, was zu einer deutlich längeren Phase steigender Ansteckungszahlen führen könnte.


Corona - DAX-Einbruch etwas stärker als während der Eurokrise



Die Coronavirus-Epidemie trifft die Wirtschaft empfindlich, so Streich und Klumpp. Mit Beruhigung der Lage dürften Nachholeffekte zwar einen Teil der Ausfälle kompensieren - je länger die Epidemie dauere, desto weniger werde dies jedoch möglich sein.

Der starke Kurseinbruch um in der Spitze knapp 34 Prozent übertreffe nicht nur den Mittelwert aller bisherigen DAX-Korrekturen (-23 Prozent) weit, sondern sei auch stärker verlaufen als in den beiden vorausgegangenen Einbrüchen mit China-Bezug (China-Konjunktursorgen 2015 -29 Prozent und sino-amerikanischer Handelsstreit 2018 -23 Prozent). Sogar der Einbruch während der Eurokrise (-33%) sei übertroffen worden.

Falls sich die Epidemie nicht zu einer "neverending story" ausweiten sollte, dürfte damit bereits viel Negatives in den Kursen verarbeitet sein, so das Urteil. Vergleiche man den aktuellen DAX-Absturz mit früheren starken Einbrüchen (die extremen Zäsuren bleiben hier zunächst noch bewusst außen vor), erkenne man, dass es sich dieses Mal wohl um etwas "Größeres" handele. Dabei falle zudem auf, dass der DAX in seiner mehr als 32-jährigen Geschichte noch nie so schnell so stark gefallen sei.

Vergleiche man den derzeitigen Absturz mit den fünf extremsten Zäsuren, erkenne man allerdings, dass der DAX insgesamt dreimal noch stärker eingebrochen sei als derzeit. Im Rahmen der Russlandkrise sowie der Dot.com-Krise hätten wohl nicht zuletzt auch die extrem hohen Bewertungen im Vorfeld des Absturzes dazu beigetragen, dass dieser so massiv verlaufen sei.

Dieses Mal sei die Bewertungen im Vorfeld des Absturzes zwar ebenfalls erhöht gewesen - mit Ausnahme der USA sei dies jedoch nur begrenzt der Fall gewesen. Inzwischen habe sich das DAX-KGV wieder deutlich zurückgebildet. In den jeweiligen Indextiefs von Finanz- und Eurokrise habe es allerdings noch deutlich niedriger gelegen.


DAX nähert sich seinem 12-Monat-Forward-Buchwert



Mit Ausnahme der Dot.com- und der Finanzkrise fand der DAX nach Einbrüchen laut Streich und Klumpp zügig seinen Boden. Nicht nur bei DAX-Einbrüchen in der Größenordnung zwischen 10 Prozent und 20 Prozent, sondern häufig auch bei deutlich größeren Abstürzen, sei das Tief vergleichsweise zügig erreicht worden.

Die Dot.com-Krise und die Finanzkrise bildeten hierbei jedoch die großen Ausnahmen. Hierbei habe es sich allerdings auch um die beiden massivsten Einbrüche der DAX-Geschichte gehandelt. Nach Erreichen des Bodens sei es damals längst nicht so schnell wieder nach oben gegangen, wie die Kurse in die Tiefe gerauscht waren.

Anders als bei Einbrüchen von höchstens zehn Prozent seien die Anleger nicht schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen. Schließlich habe ein massiver Kurssturz in aller Regel einen sehr ernsten ökonomischen Hintergrund, heißt es zur Begründung. Zudem hätten hier auch psychologische Aspekte mitgespielt. Weil der Schreck den Anlegern noch deutlich in den Gliedern gesessen habe, sei ihr Risikoappetit nur sehr allmählich wieder zurückgekehrt.

Ermutigendes hat die LBBW aber in Sachen Bewertung zu verkünden. Und zwar heißt es dazu, im Hoch vor wenigen Wochen habe der DAX noch die obere Begrenzung seines Bewertungsbandes touchiert. Mit der Coronakrise sei er dann jedoch nicht nur weit unter sein neutrales Niveau abgetaucht - welches mit den jüngsten Gewinnabwärtsrevisionen auf 11.700 Punkte gesunken sei - sondern der Index habe auch die untere Begrenzung seines Bewertungsbandes (aktuell 10.150 Punkte) durchbrochen.

Wie schon während Finanz-und Eurokrise scheine es nun möglich zu sein, dass der DAX für eine begrenzte Zeit unterhalb seines Bewertungsbandes verweilen werde. Jenes dürfte sich in den kommenden Monaten zudem noch etwas nach unten verschieben, weil markante Gewinnabwärtsrevisionen zu befürchten seien.

In den drei vorausgegangenen Einbrüchen sei der DAX jeweils für einen oder wenige Tage unter seinen 12-Monats-Forward-Buchwert abgetaucht, bevor er sich danach wieder erholte. Inzwischen habe er sich seinem Buchwert wieder deutlich angenähert. Für den Euro Stoxx 50 ergebe sich aktuell ein mit dem DAX vergleichbares - wenngleich in gewissen Nuancen unterschiedliches - Bild. Im Unterschied zum DAX habe der Euro Stoxx 50 im Tief der Dot.com-Krise nämlich bereits knapp oberhalb seines Buchwertes halt gemacht. Und während der Eurokrise sei er nicht nur einmal, sondern gleich doppelt unter seinen Buchwert abgetaucht.


S&P 500 noch weit von seinem Buchwert entfernt



Weil sich der DAX wohl kaum der Entwicklung an der Wall Street einziehen können dürfte, hat sich die LBBW zusätzlich auch die Ausgangssituation bei S&P 500 Index angesehen. Wie es rückblickend heißt, habe dieser wesentlich seltener als der DAX um zehn Prozent oder mehr nachgegeben. Im Durchschnitt seien dessen Einbrüche zudem nicht ganz so stark wie beim deutschen Blue-Chip-Index ausgefallen. Seit 1988 habe der S&P 500 mit Ausnahme von Dot.com- und Finanzkrise nie um mehr als 20 Prozent nachgegeben. Der jetzige Einbruch ist mit bislang knapp 27 Prozent daher der Drittgrößte der letzten 32 Jahre.

Wie für den DAX gelte auch für den S&P 500, dass er in den vergangenen 32 Jahren nie so schnell soweit eingebrochen sei wie nun. Mit Ausnahme der Dot.com- und Finanzkrise habe die Abwärtsbewegung am US-Aktienmarkt zuletzt immer kurz vor der 20 Prozent-Marke gestoppt. Das dies nun nicht der Fall gewesen sei, lasse erwarten, dass die durch die Epidemie ausgelösten konjunkturellen Verwerfungen so stark ausfallen werden, wie seit langem nicht mehr.

Selbst während der Dot.com sowie der Finanzkrise sei es anfänglich längst nicht so dynamisch nach unten gegangen. Im Gegenteil: In beiden Situationen sei es unter temporären Erholungen nur häppchenweise nach unten gegangen. Mit -49 Prozent (Dot.com) bzw. -57 Prozent (Finanzkrise) jeweils noch deutlich weiter, als dies bei der Coronakrise bislang der Fall gewesen sei.

Einbrüche beim S&P 500 von mehr als 20 Prozent habe es in den vergangenen 32 Jahren zuvor nur zwei Mal gegeben, nämlich während der Dot.com- und der Finanzkrise. Und in beiden Fällen habe es sehr lange gedauert, bis der Boden gefunden wurde. In sämtlichen anderen - also weniger starken - Einbrüchen habe der S&P 500 sein Tief hingegen relativ früh markiert.

Und auch für die nach den Tiefs folgende Erholung gelte: In aller Regel sei der Spuk recht schnell wieder vorüber gewesen. Wenn der Markt so wie in der Dot.com- bzw. der Finanzkrise jedoch extrem eingebrochen sei, seien mehrere Jahre vergangen, bis der S&P 500 die vorausgegangenen Hochs wieder erreicht habe.

Zur Bewertung führen Streich und Klumpp aus, dass der S&P 500 seit mehreren Jahren bereits mehrheitlich oberhalb seinem typischen Bewertungsbandes notiere. Dies habe dazu geführt, dass das Indexniveau regelmäßig fragil auf negative Nachrichten reagiert habe. Die Rückschläge seien dabei immer nur temporärer Natur gewesen und seien zügig verdaut worden. Mit dem jüngsten Einbruch sei der S&P 500 zum ersten Mal seit Dezember 2018 wieder unter sein neutrales Niveau (2.625 Punkte) gesunken. Weil die von der Coronavirus-Pandemie verursachten weltweiten ökonomischen Verwerfungen massiv sein dürften, geht die LBBW nicht davon aus, dass die Anleger so schnell wieder zur Tagesordnung übergehen wie sie dies zuletzt taten.

Aufgrund der kräftigen Kurskorrektur der US-Aktien haben sich auch die Bewertungsrelationen verbessert. Allerdings sei der S&P 500 noch weit entfernt von seinem aggregierten Buchwert, der knapp 1.000 Indexpunkte betrage. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis bewege sich bei rund 2,5 und damit deutlich höher als beim DAX, der fast Buchwertniveau erreicht habe. Die Höherbewertung des S&P 500 erkläre sich durch die höheren Eigenkapitalrenditen in den USA. Sollten sich diese eintrüben, könnte in den USA noch weitere Luft entweichen.


Nach dem Sturm könnte das TINA-Argument eine Renaissance feiern



Wenn sich der Sturm gelegt habe und der Appetit für Risikoassets wieder an die Märkte zurückkehrt sei, dürfte das TINA-Argument (there is no altenative) nach Einschätzung von Streich und Klumpp eine Renaissance feiern. Schließlich seien die KGVs zuletzt massiv gesunken, weshalb die Gewinnrendite von Aktien gestiegen sei.

Gewinnabwärtsrevisionen auf der einen und/oder mögliche weitere Spreadausweitungen auf der anderen Seite würden den massiven Vorteil von Aktien gegenüber Unternehmensanleihen zwar vermutlich wieder leicht schmälern. Dieser bleibe aber voraussichtlich trotzdem weit über dem historischen Median.

Dies unterscheide die aktuelle Situation auch von der Dot.com-Krise, bei der Aktien verglichen mit Corporates selbst nach dem Einbruch noch unattraktiv gewesen seien und auch im Vergleich mit der Finanzkrise, bei der Aktien erst sehr spät wieder attraktiver geworden seien.

Zu beachten ist dabei im regionalen Vergleich, dass die Kluft zwischen der Gewinnrendite des Euro STOXX 50 Index im Vergleich mit der Rendite europäischer Unternehmensanleihen sehr groß geworden ist und auch höher ausfällt als in den USA.


LBBW-Fünf-Jahres-Modell avisiert zweistellige Performance p.a.



Um die weiteren Aussichten der Aktienmärkte zu beurteilen, greifen die Studienautoren auf das LBBW-Fünf-Jahres-Modell zurück, weil dieses die geometrische DAX-Durchschnittsperformance für die jeweils folgenden fünf Jahre seit bereits schon mehr als fünfzehn Jahre recht zuverlässig prognostiziert habe.

Dazu heißt es,, mit dem massiven DAX-Einbruch sei die vom Modell avisierte Prognose innerhalb weniger Wochen von zwischenzeitlich nur noch 5,5 Prozent p.a. auf zwölf Prozent p.a. nach oben geschossen. Selbst für den Fall, dass das Modell die Zukunft etwas zu rosig einschätzen sollte, dürften Aktien somit auf mittlere Sicht daher erste Wahl sein.

Dies bedeute aber nicht zwingend, dass nun bereits der perfekte Einstiegszeitpunkt gekommen sei. In früheren Tiefs sei die vom Modell erwartete Performance nämlich auf noch höhere Werte emporgeschossen, bevor der DAX nach dem Einbruch wieder nach oben gedreht habe. Die von dem Fünf-Jahres-Modell avisierte Performance stehe für einen DAX-Stand von 16.000 bis 17.000 Punkten in fünf Jahren. Habe sich der DAX vor dem jüngsten Einbruch noch leicht oberhalb des vom Modell avisierten Pfades befunden, sei notiere der deutsche Blue-Chip-Index nun weit unterhalb diesem.

Dass der DAX mit dem Einbruch derart massiv unter dem vom Modell avisierten Pfad notiere, mache Hoffnung. Schließlich habe es auch in der Vergangenheit temporär größere Abweichungen gegeben. Zumeist hätten diese aber nur wenige Monate gedauert, bis der DAX wieder in der Nähe des übergeordneten Pfades notiert habe.