Die Börsen weltweit haben in den vergangenen Tagen neue historische Rekorde markiert, angetrieben von guten Unternehmenszahlen, besseren Wachstumsaussichten sowie der Aussicht auf weitere Konjunkturspritzen. Die Schockwellen der Corona- Krise sorgen allerdings weiter für einen Jo-Jo-Effekt. Vor allem die verlängerten Lockdown-Maßnahmen, schleppende Impfungen und die Sorge vor der Verbreitung von Coronavirus-Mutationen dämpfen die Euphorie. Denn das alles könnte die Erholung der Wirtschaft von den Folgen der Pandemie verzögern. Nichtsdestotrotz schaffte der DAX zu Wochenbeginn ein neues Rekordhoch von 14 169 Punkten. Auch die Nebenwerte- Indizes MDAX und SDAX erreichten neue Höchststände.

In den USA eilen die Börsen seit Tagen von Rekord zu Rekord. Hier sorgt vor allem die Aussicht auf das 1,9 Billionen Dollar schwere Konjunkturprogramm für Auftrieb. Sowohl der Dow Jones Index der Standardwerte als auch der breiter gefasste S & P 500 und der Technologie-Index Nasdaq Composite erreichten neue Bestmarken.

Drei Kräfte hat die Hausse

"Die wesentlichen drei Kräfte der Hausse sind die konjunkturelle Frühlingsperspektive, entschlossene Notenbanken und Regierungen im ,Whatever it takes‘-Modus", erläutert Merck- Finck-Chefstratege Robert Greil. Der Ausdruck "Whatever it takes" geht auf ein geflügeltes Wort des Ex-EZB-Chefs Mario Draghi von 2012 zur Stabilisierung der Eurozone zurück.

Alle drei Faktoren stehen Greil zufolge für die nächsten Monate auf Grün: die Aussicht auf das Ende der Lockdowns und eine von Nachholeffekten getriebene wirtschaftliche Erholung, die anhaltende Liquiditätsschwemme der Notenbanken und die Perspektive weiterer großzügiger Unterstützungsprogramme der Regierungen. Greil hält beim DAX noch im ersten Halbjahr ein Niveau von 15 000 Punkten für realistisch. Den S & P 500 sieht er bereits in den kommenden Wochen oberhalb der 4000 Punkte.

DAX bei 15 000?

Auch die DZ Bank hat ihre Prognosen angehoben. Demnach könnte der DAX bis Jahresende auf 15 000 (bisherige Zielmarke 14 000) Punkte klettern. Die Unternehmensgewinne sind weniger stark gesunken als in früheren Krisen. Die Gewinne der DAX-Konzerne könnten deshalb bereits in diesem Jahr im Schnitt um 30 Prozent zulegen, erwartet DZ-Bank-Stratege Christian Kahler. Zur globalen Konjunkturerholung komme, dass politische Unwägbarkeiten wegfielen. "Der Brexit ist durch und Donald Trump Geschichte", so Kahler.

Baader-Bank-Kapitalmarktexperte Robert Halver wiederum sieht den DAX bis Ende des Jahres bei 14 500 und den S & P 500 bei 4200 Punkten. Anlagechancen sieht Halver in den neuen Megathemen Klimaschutz und erneuerbare Energien, insbesondere aber in der Digitalisierung. "Perlen dazu finden sich vor allem in der zweiten Reihe, sowohl in Amerika im Nebenwerteindex Russell 2000 als auch im MDAX, TecDAX und SDAX."

Als kurzfristig größter Störfaktor für den Höhenflug der Börsen könnte sich vor allem eine dritte Welle der Viruskrise erweisen. Mittelfristig wiederum könnte eine restriktivere Notenbankpolitik, etwa über reduzierte Anleihekäufe, für Unruhe sorgen. "Es könnte auch sein, dass wir es in einigen Aktienmarktbereichen bereits mit Übertreibungen zu tun haben", warnt Analyst David Iusow vom Brokerhaus Daily FX. "Die Gamestop-Attacke war nur ein Beispiel."

Nachgehakt bei Robert Halver: "La vie en rose an der Börse"


Der Kapitalmarktexperte der Baader Bank sieht kein Ende des Aktienbooms.

€uro am Sonntag: Welche Kräfte treiben die Rally an und wie nachhaltig sind sie?

Robert Halver: An der Börse wird "La vie en rose" (Das Leben in Rosa) gespielt. Die verlängerten Lockdowns mit wirtschaftlichen Handicaps werden ausgeblendet. Man zählt auf US-Finanzministerin Janet Yellen, die bis 2022 Vollbeschäftigung erreichen will. Das US-Konjunkturpaket könnte nicht das letzte sein. In Deutschland wird im Super-Wahljahr mit weiteren Stimuli gerechnet. US-Notenbank und EZB werden die außer Rand und Band geratenen Staatsschuldenlasten tragen. Insofern bleibt das Umfeld aktienfreundlich.

Welche Höchststände sind 2021 drin?

Unter kräftigen Schwankungen sind bis Ende 2021 für den DAX über 14 500 und für den S & P 500 bis 4200 Punkte möglich. Auch die zweite Reihe, MDAX, SDAX und TecDAX, wird mit neuen Rekordständen aufwarten, ebenso der US-Technologieindex Nasdaq Composite. Hintergrund ist der anhaltende Anlagenotstand, gepaart mit einer nicht totzukriegenden Digitalisierung, dem Konjunkturaufschwung und dem neuen Megathema Klimaschutz.

Und wo lauern im rosa Leben die Risiken?

Virusmutationen, die den Aufschwung verzögern, könnten die Märkte stören. Die Finanzpolitik steht aber zur Gegenwehr parat. Negative Kurseffekte könnten auch drohen, wenn die Konjunktur kräftig beschleunigt und das Inflationsthema gespielt wird. Dann stellt sich die Frage, wie viel Zinswende der Aktienmarkt aushält. Hohe Aktienbewertungen würden dann rasiert. Die Vergangenheit lehrt aber, dass nach Einbrüchen am Aktienmarkt wie bei Dotcom- und Finanzkrise die Konjunktur wie ein Baum fällt. Deutliche Zinserhöhungen würden auch die Schuldenwelt in die Apokalypse der Unfinanzierbarkeit treiben. Die gebrannten Notenbank-Kinder werden dieses Feuer scheuen, um die öffentliche Ruhe nicht zu gefährden.