Doch mit den Interventionen hat sich die SNB Experten zufolge lediglich eine Verschnaufpause erkauft: Denn der unsichere Fahrplan für den Brexit und eine mögliche weitere Geldschwemme der EZB dürften auch künftig auf dem Euro lasten und die SNB unter Druck setzen, eine Aufwertung des Franken zu verhindern.
Die Schweizer Währung gilt bei Investoren als vergleichsweise sichere Anlage und ist deshalb in turbulenten Zeiten wie jetzt nach dem überraschenden Kurswechsel auf der Insel besonders gefragt. Doch ein noch stärkerer Franken ist Gift für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft. "Der Brexit hat eine starke Nachfrage nach sicheren Häfen wie dem Franken ausgelöst, also muss die SNB aktiv bleiben", sagt Währungsstrategin Ursina Kubli von der Privatbank Safra-Sarasin.
Die Notenbanker werden nach Einschätzung von Beobachtern weiterhin auf Stützungskäufe am Devisenmarkt setzen, um den Franken zu schwächen. Diese Eingriffe lassen sich an den wöchentlich veröffentlichten Sichtguthaben bei der Notenbank ablesen: Wenn die SNB den Franken schwächen will, kauft sie beispielsweise Euro und schreibt den Banken den entsprechenden Franken-Betrag auf deren SNB-Konten gut.
In der Vorwoche waren diese Sichtguthaben um gut sechs Milliarden Franken angewachsen - der größte Anstieg seit eineinhalb Jahren. In den sieben Tagen davor betrug das Plus knapp fünf Milliarden Franken. Lediglich rund um die Aufhebung des Euro/Franken-Mindestkurses Anfang 2015 waren die wöchentlichen Eingriffe mit bis zu 26 Milliarden Franken höher.
Mit solchen Maßnahmen habe die SNB Erfolge gefeiert, sagt Experte Yann Quelenn von der Onlinebank Swissquote. Am Montag kostete ein Euro 1,0842 Franken - in etwa so viel wie zu Jahresbeginn. "Sie werden weiterhin intervenieren, wenn sie das müssen. Die Turbulenzen in Europa sind noch lange nicht vorbei." Auch die Experten der auf Schweizer Privat- und Firmenkunden spezialisierten Valiant-Bank erwarten weitere Interventionen - auch vor dem Hintergrund der anhaltend lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
UNDENKBAR VOR 10 JAHREN - "DAS IST NEULAND"
Doch die Eingriffe haben die Bilanz der SNB auf zuletzt 646 Milliarden Franken anschwellen lassen. Das entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung der Schweiz. "Das ist für eine Zentralbank vor zehn Jahren undenkbar gewesen", sagt ein SNB-Insider, der nicht namentlich genannt werden will. "Das ist Neuland. Wir müssen immer wieder erklären, wieso das nötig ist. Das Standardinstrument Zinsen reicht im Moment nicht mehr." Im Vorjahr hatten Währungsschwankungen auf ihren Devisenbestand der SNB einen Rekordverlust von 23,3 Milliarden Franken eingebrockt.
Eine SNB-Sprecherin wollte sich nicht zum weiteren Vorgehen der Notenbank äußern.
Viele Möglichkeiten außer den Interventionen haben die Währungshüter aber nicht: Die Zinsen sind bereits auf einem Rekordtief von minus 0,75 Prozent. Eine weitere Verschärfung würde etwa Pensionskassen unter Druck bringen, die ohnehin Probleme haben, für ihre Versicherten attraktive Renditen zu erwirtschaften. Zwar schließt die SNB selbst einen solchen Schritt nicht aus. Experten wie Jürg Mettler von der Privatbank Julius Bär halten das dennoch für wenig realistisch. "Theoretisch könnten sie auf minus 1 oder minus 1,25 gehen, in der Praxis denke ich das aber nicht." Börsianer haben diese Möglichkeit jedoch noch nicht abgeschrieben: Der Drei-Monats-Euro-Franken-Future impliziert für Dezember einen Negativzins von minus ein Prozent.
Auch den Freibetrag, ab dem Banken für ihre Einlagen bei der Notenbank Strafzinsen bezahlen müssen, dürfte die SNB nicht senken. "Der Signaleffekt wäre relativ bescheiden. Die wenigsten Leute können damit etwas anfangen", sagt Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank. Zudem laufe die Notenbank dann Gefahr, dass Banken die Strafzinsen auch an Privatkunden weitergeben. "Ich glaube nicht, dass sich die Nationalbank den Schwarzen Peter einfangen will", so Stucki.
Noch weitreichendere Maßnahmen wie einen von den Gewerkschaften geforderten neuen Mindestkurs zum Euro oder Kapitalverkehrskontrollen stünden wohl ebensowenig auf der Agenda, ergänzt Julius-Bär-Währungsexperte Mettler. "Das sind die allerletzten Dinge, die eine offene Volkswirtschaft macht. Man kann nichts ausschließen, aber ich kann mir das nicht vorstellen."