Die Finanzmärkte reagierten am Mittwoch erleichtert auf den Kompromiss: Die Risikoaufschläge für italiensche Staatsanleihen sanken, die Aktienkurse an der Mailänder Börse legten deutlich zu.
"Die auf dem Tisch liegende Lösung ist nicht ideal", räumte EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis ein. "Sie bietet noch keine langfristige Lösung für die wirtschaftlichen Probleme in Italien. Aber damit können wir ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits zu diesem Zeitpunkt vermeiden." Auch Ministerpräsident Giuseppe Conte zeigte sich zufrieden. "Am Ende zäher Verhandlungen, die mit Beharrlichkeit geführt wurden, haben wir einen nachhaltigen Ausgleich geschafft", sagte er im Senat.
Die Regierung sagte zu, die Neuverschuldung in den kommenden Jahren schrittweise zurückzufahren - bis auf 1,5 Prozent im Jahr 2021. Zugleich rechnet sie für 2019 nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent. Bislang war sie von 1,5 Prozent ausgegangen, was viele Experten für unrealistisch hielten. Sollte sich Rom nicht vollständig an die vereinbarte Lösung halte, könnte sie schon im Januar wieder aufgehoben werden, drohte Dombrovskis. Auch ein Defizitverfahren sei dann möglich.
"HEIKLES WAHLJAHR"
Die Koalition in Italien aus rechter Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung will teure Wahlversprechen finanzieren, etwa ein Grundeinkommen und ein niedrigeres Renteneintrittsalter. Alle wichtigen Ziele könnten durchgesetzt werden, sagte Conte. Er hofft durch höhere Investitionen auch auf mehr Wirtschaftswachstum, was viele Experten angesichts der geplanten Maßnahmen aber bezweifeln. Das hoch verschuldete Land hatte ursprünglich für kommendes Jahr ein Defizit von 2,4 Prozent geplant - dreimal so viel wie ihre Vorgängerregierung. Die Brüsseler Behörde lehnte den Plan daraufhin als Verletzung der EU-Regeln ab.
Für Unverständnis sorgte in Italien, dass Frankreich wegen der Zugeständnisse an die "Gelbwesten"-Bewegung im kommenden Jahr ein deutlich höheres Defizit erwartet - voraussichtlich sollen es 3,2 Prozent werden, während die EU-Obergrenze bei drei Prozent liegt. Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der rechten Lega forderte deshalb, dass die EU beide Länder gleich behandeln müsse. Er sei es leid, dass beim Haushalt mit "zweierlei Maß" gemessen werde.
Allerdings ist der Schuldenberg in Italien deutlich höhere: Er summiert sich inzwischen auf rund 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In der Euro-Zone kommt nur Griechenland auf einen schlechteren Wert. Frankreich kommt auf rund 100 Prozent.
Auf den Kompromiss zwischen Brüssel und Rom reagierte die Börse erleichtert. Der Risikoaufschlag für italienische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit fiel im Vergleich zur deutschen Bundesanleihe auf 2,52 Prozent - den niedrigsten Wert seit fast drei Monaten. Der Mailänder Aktienindex kletterte um bis zu 1,9 Prozent. Der Bankenindex zog um 3,6 Prozent an. "Es ist klar, dass die Europäische Kommission keine harten Konfrontationen mit der italienischen Regierung will - nächstes Jahr ist schließlich ein heikles Wahljahr", sagte Analyst Sergio Capaldi von Intesa Sanpaolo angesichts der Wahl des EU-Parlaments im kommenden Mai. Beobachter befürchten, dass ein ungelöster Defizitstreit die radikalen Kräfte stärken könnte.
rtr