DAS IST LOS IM CANNABIS-SEKTOR:
Kanada ist der Hotspot für Cannabisunternehmen. Ende Juni stimmte die Mehrheit im Senat für die Legalisierung von Anbau und Verkauf der grünen Pflanze. Damit hat Premierminister Justin Trudeau sein Wahlkampfversprechen eingelöst. Das Nachbarland der USA ist nun die erste führende Industrienation mit einer solchen Regelung. Diese tritt am 17. Oktober in Kraft.
Das sorgt für Hochstimmung bei den Cannabisfirmen. Der Cannabisproduzent und -vertreiber Tilray mit Sitz im kanadischen Nanaimo ist erst seit Juli im Nasdaq gelistet und hat schon eine Marktkapitalisierung von 13,6 Milliarden US-Dollar (11,8 Mrd Euro) erreicht. Somit ist die Firma etwa mehr Wert als die Commerzbank (10,9 Mrd Euro). Auf den Plätzen dahinter im Branchenindex Global Cannabis folgen Canopy Growth (11 Mrd US-Dollar) und Aurora Cannabis (9 Mrd US-Dollar).
Wachstumsfantasien der Branche werden zudem durch die Aussicht auf den noch größeren US-Markt befeuert. Obwohl es auf der Bundesebene noch illegal ist, haben einige US-Bundesstaaten den Konsum legalisiert. Kleinere Mengen für den Privatgebrauch sind laut der Nationalen Konferenz der staatlichen Gesetzgeber (NCSL) in neun Staaten und in Washington, D.C. erlaubt, etwa in Kalifornien, Colorado, Oregon und Alaska. Insgesamt rund 20 Staaten haben den Konsum entkriminalisiert - das heißt, er wird nicht mehr als Verbrechen eingestuft. In einigen Staaten läuft das Gesetzgebungsverfahren noch.
In Deutschland ist Cannabis als Arzneimittel seit 2017 erlaubt, der Anbau ist aber auch nur mit Lizenz und zu medizinischen Zwecken zulässig. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat eine Ausschreibung gestartet, 2019 will sie den Zuschlag an entsprechende Unternehmen erteilen. Tilray hat auch eine Niederlassung in Berlin und möchte von dort aus "den deutschen Markt erschließen", wie es auf der Internetseite heißt. Der Hersteller kündigte Anfang September den Aufbau eines "EU Campus" in Portugal an und will von dort aus den europäischen Markt versorgen.
Neben der medizinischen Anwendung und der Aussicht auf Legalisierung sorgen auch Kooperationen mit der Getränkeindustrie für Aufwind. Constellation Brands hat Mitte August eine Investition von 4 Milliarden US-Dollar in Canopy Growth angekündigt. Der US-Produzent und Vertreiber von Alkoholika wie Corona Bier hält dann 38 Prozent an dem Cannabisunternehmen. "Im letzten Jahr haben wir den Cannabismarkt besser zu verstehen gelernt, die gigantischen Wachstumschancen, die er bietet, und die Fähigkeiten zur Marktführerschaft von Canopy auf diesem Gebiet", begründete Constellation-Brands-Chef Rob Sands die Investition. Auf den Zug wollen weitere Firmen aufspringen. So plant Coca-Cola einem Bloomberg-Bericht zufolge ein Marihuana-Getränk zusammen mit Aurora Cannabis.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Bisher wagen sich nur wenige Analysten an die Cannabis-Aktien heran. Über Tilray berichten bei Bloomberg nur vier Experten, davon raten jeweils zwei zum Halten und zwei zum Kaufen der Papiere. Bei Aurora empfehlen vier von fünf den Kauf. Zu Canopy Growth äußern sich immerhin elf Analysten, die Mehrheit von neun rät zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel auf zwölf Monate liegt bei 57,31 kanadischen Dollar.
Vivien Azer vom Analysehaus Cowen stuft Tilray und Canopy Growth mit "Outperform" ein. "Neben Coca-Cola wären wir auch nicht überrascht von einem Deal mit Pepsi zu hören", schreiben Azer und ihre Kollegen in einer Branchenstudie. "Wir rechnen weiterhin mit mehr Vereinbarungen zwischen kanadischen Cannabisproduzenten und den großen Marktteilnehmern der globalen Alkoholbranche, die in diesem Bereich noch Bedeutung gewinnen müssen." Durch die Legalisierung sieht Azer bis 2025 ein Potenzial von bis zu 12 Milliarden US-Dollar auf dem kanadischen Markt, einschließlich des medizinischen Cannabis.
Die Bloomberg-Analysten Kenneth Shea und Duncan Fox schätzen ebenfalls, dass sich mehr Getränkehersteller auf Cannabisprodukte einstellen. "Führende Produzenten alkoholischer Getränke wie Anheuser-Busch InBev und Diageo könnten bald den Konkurrenten Constellation Brands und Molson Coors beim Aufbau von Partnerschaften mit lizenzierten Cannabisproduzenten folgen", schreiben sie. Außerdem weisen sie auf das gestiegene Interesse institutioneller Fonds an Cannabisaktien hin, das durch die Gesetzgebung in Kanada befeuert werde. So hat der US-Finanzdienstleister Vanguard seine Anteile an Aurora Cannabis erhöht und ist mit rund 1,9 Prozent jetzt Auroras größter Anteilseigner.
DAS MACHEN DIE AKTIEN:
Alle Cannabis-Aktien zeichnen sich durch extreme Kursanstiege, aber auch starke Schwankungen aus. So hat sich der Wert der Papiere von Canopy Growth seit Oktober 2017 verfünffacht, der von Aurora Cannabis hat sich im selben Zeitraum vervierfacht. Tilray hat seinen Aktienkurs seit seinem Börsenstart in New York Mitte Juli sogar auf das Neunfache gesteigert. Angesichts der starken Kursausschläge stuft Mati Greenspan von der Trading Plattform eToro die Cannabis-Aktien als hochriskante Anlage ein.
Positive Nachrichten, wie der Milliarden-Deal bei Canopy Growth mit dem Getränkevermarkter Constellation Brands, sorgten für Kurssprünge. Mitte August stieg der Kurs daraufhin innerhalb eines Tages um 30 Prozent an. Seitdem hat er sich ausgehend von knapp über 30 kanadischen Dollar Anfang August auf über 60 Dollar je Aktie erhöht./elm/she/stw/jha/