Die gebürtige Kölnerin Pia Marten will mit ihrem mittlerweile börsennotierten Berliner Startup Cannovum den wachsenden deutschen Markt für medizinisches Cannabis (Schmerzmittel) mit einer Eigenmarke erobern. Der deutsche Cannabis-Markt hat laut Experten das Potenzial, einer der weltweit größten Einzelmärkte zu werden. Mittlerweile ist der Markt aber sowohl von Startups als auch von etablierten Pharmagroßhändlern hart umkämpft. Marten ist eine der jüngsten Vorständinnen in Deutschland und Cannovum das bislang einzige börsennotierter Cannabis-Produzent hierzulande.
BÖRSE-ONLINE.de: 2019 gründeten Sie mit Marius Koose Cannovum. Wie kam es dazu?
Pia Marten: Nach meinem Wirtschaftsstudium in den Niederlanden bin ich im Projektmanagement einer Firma gelandet, die im Bereich erneuerbare Energien tätig ist. 2017 wurde dann medizinisches Cannabis in Deutschland legalisiert. Da ich damals sowieso auf der Suche nach einem neuen Tätigkeitsfeld war und großes medizinisches Potenzial in der Cannabis-Pflanze gesehen habe, habe ich den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Ich selbst bringe den wirtschaftlichen Hintergrund mit und mein Mitgründer Marius Koose den pharmazeutischen. Er war 13 Jahre lang in der Pharmabranche im Bayer-Konzern tätig. Außerdem konnte ich auch verschiedene vermögende Investoren aus meinem privaten Umfeld für meine Idee begeistern. Wir sind der Meinung, dass das medizinische Potenzial der Pflanze noch gar nicht ausgeschöpft ist. Daher kam uns der Gedanke, dass wir Patienten in Deutschland und Europa mit medizinischem Cannabis versorgen wollen.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Gründung von Cannovum? Gab es besondere Hürden?
Die Pharmabranche ist in Deutschland sehr stark reguliert. Außerdem unterliegt Cannabis in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz. Aufgrund der vielen strengen Richtlinien haben wir das Qualitätsmanagement und die Expertise zu diesem Thema direkt in der Firma angesiedelt. Das hilft, sich in einem derart streng regulierten Markt zu bewegen. Um überhaupt tätig werden zu dürfen, müssen erst zahlreiche Lizenzen beantragt werden. Das fängt bei einer Großhandelserlaubnis an, geht über eine Betäubungsmittellizenz, bis hin zu einer Good-Manufacturing-Practice-Lizenz (GMP-Lizenz). Die GMP-Lizenz berechtigt uns dazu, Herstellungsschritte für pharmazeutisches Cannabis hier in Deutschland durchzuführen - Herstellung, Verarbeitung und Verpackung. Außerdem dürfen wir Produkte von außerhalb des EU-Auslands importieren und hier weiterverarbeiten. Diese Lizenz unterscheidet uns von einigen anderen Cannabis-Unternehmen. Denn anders als der Canabidiol-Markt (CBD) sind wir bislang ausschließlich im Markt für verschreibungspflichtige Betäubungsmittel tätig.
Am 6. Mai fiel dann der Startschuss an der Börse Düsseldorf. Was erhoffen Sie sich von dem Börsenlisting?
Nach dem Direktlisting in Düsseldorf sind noch weitere Handelsplätze beispielsweise in München und Berlin dazugekommen. Grundsätzlich wollen wir, dass nicht nur Großinvestoren in diesem schnell wachsenden Markt dabei sein können. Sondern wir wollen auch Kleinanlegern die Möglichkeit geben, von Anfang an Teil der Cannabis-Revolution zu sein. Außerdem haben wir auch die Chance gesehen, als das erste deutsche Cannabis-Unternehmen an der Börse ein Statement zu setzen. Andere Cannabis-Unternehmen, beispielsweise aus Kanada, haben höchstens ein Zweitlisting in Deutschland. Ein weiterer Grund für den Schritt an die Börse war, die Sichtbarkeit unseres Unternehmens zu erhöhen. Werbung zu schalten ist für uns nur sehr begrenzt möglich, da der pharmazeutische Cannabis-Markt hier sehr stark reguliert ist. Für Betäubungsmittel darf in Deutschland nicht geworben werden. Nicht zuletzt sehen wir das Börsenlisting auch als einen Meilenstein für die ganze Branche, da wir das erste volllizensierte deutsche Cannabis-Unternehmen sind, das an der Börse gehandelt wird.
Die Cannovum-Aktie ist derzeit noch sehr volatil. Erwarten Sie hier eine Stabilisierung?
Um Kleinanleger schon von Anfang an mitnehmen zu können, sind wir sehr schnell an die Börse gegangen. Ein operativ erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, geht allerdings nicht von heute auf morgen und das zeigt sich in den Kursen. Da wird sich aber noch einiges tun. Mein Mitgründer und ich haben das Ziel, ein langfristig erfolgreiches Unternehmen zu etablieren und daran arbeiten wir. Ich gehe davon aus, dass die Aktienkurse folgen werden, sobald wir mit unserer Eigenmarke operative Erfolge verzeichnen.
Ist der Markt für medizinisches Cannabis hierzulande stark umkämpft und wie haben Sie Fuß fassen können?
Der Markt ist sehr dynamisch und wächst unfassbar schnell. Seit unserem Markteintritt Anfang des Jahres ist der Markt auf jeden Fall kompetitiver geworden. Beispielsweise vertreiben auch viele pharmazeutische Großhändler medizinisches Cannabis, weil sie die nötigen Lizenzen sowieso haben. Das bedeutet, dass relativ viele Unternehmen in dem Segment tätig sind. Was uns von den anderen Unternehmen unterscheidet, ist unsere Eigenmarke, die wir auf den Markt bringen wollen.
Kann man schon sagen, welchen Marktanteil Cannovum bei medizinischem Cannabis ausmacht?
Da wir noch ein sehr junges Unternehmen sind, ist das schwer zu sagen. Die Jahre 2019 und 2020 haben wir zur Lizensierung sowie zum Aufbau unserer Infrastruktur wie Partner und Lieferanten genutzt. Mit dem Vertrieb von Fremdmarken sind wir erst Anfang 2021 an den Markt gegangen. Von einem tatsächlichen Marktanteil wird man wohl erst sprechen können, wenn wir in großem Stil unsere Eigenmarken vertreiben können.
Weshalb haben Sie sich für eine Eigenmarke entschieden und wann soll sie an den Markt gebracht werden?
In Deutschland verschreiben Ärzte nicht einfach nur ein Cannabis-Arzneimittel, sondern eine bestimmte Marke. Unser Ziel ist es, eine starke Eigenmarke aufzubauen, der Patienten, Ärzte und Apotheker vertrauen. Mit eigenen Pharmareferenten wollen wir unsere Eigenmarke auch bei den Ärzten platzieren. Das Cannabis dafür soll nachhaltig, sonnengereift und frei von chemischen Pestiziden angebaut werden. Auf dem deutschen Markt gibt es derzeit nichts Vergleichbares. Es ist mir persönlich ein großes Anliegen, Nachhaltigkeit am deutschen Cannabis-Markt zu integrieren. Hier kann ich meine Expertise bezüglich ressourcensparender Ansätze einbringen. Unsere ersten Produkte werden Blüten, Extrakte und Dronabinol, also synthetisches THC, sein. Wann wir genau am Markt starten können, ist allerdings noch unklar. Wir sind auf jeden Fall gut vorbereitet und wir hoffen, dass es noch in diesem Jahr soweit ist.
Kürzlich haben Sie eine Liefervereinbarung mit dem kanadischen Unternehmen Aurora, einem der größten Produzenten von medizinischem Cannabis weltweit, geschlossen. Was umfasst die Partnerschaft genau und wie profitieren Sie von solchen Kooperationen?
Getreu unserer Vision "Jeder Patient verdient die beste Therapie" wollen wir ein vollumfängliches Produktportfolio anbieten. Da unsere Eigenmarke aktuell noch nicht am Markt ist und weil diese am Anfang nur wenige Produkte umfassen wird, sind Kooperationen notwendig. Mit Fremdmarken wie von Aurora können wir Ärzte schon jetzt vollumfänglich beraten und den Patienten alle notwendigen Medikamente aus der Produktpalette von medizinischem Cannabis anbieten.
Für welche Krankheitsbilder ist die Cannabis-Therapie geeignet?
Die Bandbreite ist sehr groß. Aber hauptsächlich werden Schmerzpatienten therapiert. Das bedeutet, dass die Patienten zum Großteil bereits über 50 Jahre alt sind, seit mehr als zehn Jahren chronische Schmerzen haben und die austherapiert sind. Oftmals haben die Menschen schon jahrelange Therapien und verschiedenste Opiate hinter sich, bis sie zur Cannabis-Therapie kommen. Hier setzen wir an und wollen den Patienten individuell für ihre Lage die beste Medikation ermöglichen.
Soll das Cannabis auch weltweit vertrieben werden, oder liegt der Fokus klar auf Deutschland?
Zunächst wollen wir uns am deutschen Markt etablieren. Da wir uns aber nicht nur als deutsches sondern auch als europäisches Unternehmen sehen, schmieden wir bereits konkrete Pläne, auch in anderen Ländern Europas tätig zu werden. Erst kürzlich haben wir bereits den ersten europäischen Expansions-Schritt getan und haben ein Joint Venture in Portugal gegründet, die Cannovum Iberia LDA. Dass wir irgendwann auch global unterwegs sein könnten, halte ich aber nicht für ausgeschlossen.
Welche Ziele haben Sie sich mit Cannovum für dieses Jahr gesetzt?
Mit dem Börsenlisting haben wir bereits ein sehr großes Ziel erreicht. Ansonsten hoffen wir natürlich, dass die Produkteinführung unserer Eigenmarken noch in diesem Jahr gelingt. Ein weiteres Ziel ist der Launch unserer Weiterbildungsplattform "Cannovum Medical Education". Dort wollen wir Ärzte und medizinisches Fachpersonal weiterbilden und die Stigmatisierung von Cannabis aufheben. Es muss bekannt werden, dass Cannabis nicht nur eine Droge ist, sondern in seiner pharmazeutischen Form signifikant die Lebensqualität der Patienten verbessern kann. Was wir schon jetzt anbieten, sind Workshops für Apotheken, bei denen das Personal entsprechend weitergebildet wird.
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?
Mein Co-Founder und ich wollen die Cannovum bis dahin als ein operativ erfolgreiches Unternehmen in Deutschland und Europa etabliert haben und mit einem breiten Produktportfolio unserer Eigenmarken am Markt aktiv sein. Außerdem wollen wir diesen jungen und dynamischen Markt aktiv mitgestalten und durch "Medical Education" mehr Patienten den Zugang zu Cannabis-basierten Therapien ermöglicht haben.