Wie eine Gruppe von Rehen im Scheinwerferlicht stehen derzeit viele Marktteilnehmer vor ihren Kursanzeigen und warten darauf, dass der Deutsche Aktienindex die 10.000 überrollt. Passiert es vielleicht sogar heute noch? Unwahrscheinlich, aber wie immer an der Börse, nicht ausgeschlossen. Schauen wir uns doch mal an, was die Statistik dazu sagt. Interessant ist vor allem auch, was danach kommt.

Zunächst einmal für Anleger, die jetzt erst eingeschaltet haben, die Zusammenfassung - was bisher geschah: Der DAX kletterte am Donnerstagvormittag auf ein neues Allzeithoch bei (bis Redaktionsschluss) 9810 Punkten. Dies schürt natürlich Spekulationen auf einen neuen Aufwärtstrend, und ein Ende der kurzfristigen Seitwärtsbewegung - ein durchaus chancenreiches Szenario aus charttechnischer Sicht.

Und da dem Index nur noch zwei Prozent bis zur 10.000 fehlen, muss man auch kein Prophet sein, um fünfstellige Kurse vorherzusagen. Doch Moment - wer jetzt ein Déjà-vu-Erlebnis hat, liegt richtig. Im Januar fehlten schon einmal nur noch knapp 200 Punkte bis zur 10.000er-Marke, und was ist dann passiert? Ein Absturz auf unter 9000 folgte. Droht diese Gefahr jetzt wieder? Die Antwort wie immer an der Börse, ein klares Jein.

Wer mehr wissen will, muss zwischen den Zeilen lesen. Damals war der Markt weitaus überhitzter: Der DAX hatte gerade eine 2000-Punkte-Rally aufs Parkett gelegt, wofür er weniger als ein halbes Jahr brauchte. Danach war der Abstand zur 200-Tage-Linie auf einem sehr hohen Niveau. Der DAX notierte fast 14 Prozent über diesem Durchschnitt, und zeigte damit eine überkaufte Situation an. Im Klartext: Die Kurse waren zu schnell gestiegen und hatten ein Niveau erreicht, welches in der Vergangenheit stets zu Korrekturen führte (siehe senkrechte Linie im Chart).

Erkennbar wird das an dem orangefarbenen Indikator unter dem DAX-Chart, der den prozentualen Abstand zur 200-Tage-Linie visualisiert ("DIX 40"). Sofort ist ersichtlich, dass der Markt diesmal nicht so heiß gelaufen ist. Nach einer mehrmonatigen Konsolidierungsphase auch kein Wunder. Damit stehen die Chancen auf einen Ausbruch nach oben diesmal weitaus besser, da der Markt lange genug Zeit hatte, die vorhergegangenen Gewinne zu verdauen. Die konstanten Notierungen über der 9000 zeigen zudem, dass eine breite Masse von Marktteilnehmern bereit ist, den DAX dauerhaft auf diesem Niveau zu handeln.

Und was passiert, wenn die 10.000 fällt? Eine mittelfristige Prognose geben wir in einem der folgenden Beiträge, doch für einen schnellen Ausblick hilft ebenfalls wieder der Abstand zur 200-Tage-Linie. Aktuell beträgt er knapp 6,3 Prozent, Werte zwischen 12 und 14 sind in vielen Fällen erreichbar. Mit einer Faustformel lässt sich so ein Potenzial bis etwa 10.275/10.450 Punkten errechnen. Das deckt sich auch mit den nächsten charttechnischen Kurszielen, die wir in der DAX-Tagesanalyse von heute früh genannt haben. Dann ist der Markt erst wieder überhitzt, und es wird Zeit erneut an Gewinnmitnahmen zu denken.

Und wann ist es nun konkret soweit, dass die 10.000 fällt? Das wissen wir natürlich auch nicht. Aber wenn man die täglichen Kursschwankungen des Index in den vergangenen 10 Jahren misst, erhält man einen Durchschnittswert von 1,7 Prozent. Damit dürfte es statistisch noch zwei Tage dauern, wenn der Markt beide Male nach oben ausschlägt - denn dieser Prozentwert gilt in beide Richtungen. Letztendlich ist der genaue Tag auch nicht so wichtig. Viel hilfreicher ist die Erkenntnis, dass der Markt diesmal nicht so überhitzt ist und dadurch bessere Chancen hat, die 10.000 nicht nur zu durchbrechen, sondern sich auch darüber zu halten und nachher sogar noch weiter zuzulegen.