Der strenggläubige Buddhist beginnt jeden Tag mit Meditation, trägt einfache Anzüge mit einem hohen Stehkragen, das traditionelle Outfit von Chinas Intellektuellen. Chen Feng liest klassische chinesische Literatur und übt sich täglich in der chinesischen Schriftkultur, der Kalligrafie. "Den buddhistischen Lehren zufolge wird deine Weisheit aus dir herausfließen, wenn du ganz ruhig wirst", sagt er. Chen Feng wirkt mit seinem bescheidenen Lächeln und seinen weichen Gesichtszügen fast wie ein ehrwürdiger Mönch.

"Ich lebe ein einfaches Leben", behauptet er. "Ich bin anders als die anderen Unternehmer in China." Der buddhistische Glaube präge auch die Kultur seines Konglomerats. Und dass es im Geschäft nur um Profit gehe, hält er "für ein Monster der westlichen Unternehmensführer", erzählt er in einem seiner seltenen Interviews.Über 100 Milliarden Dollar setzt sein Konzern HNA jedes Jahr um. Mitgründer Chen Feng hält einen Anteil von 20 Prozent. Das US-Magazin "Forbes" schätzt sein Vermögen auf 1,78 Milliarden Dollar. Aber wer ist dieser Mann, der aus einer obskuren Airline auf Chinas tropischer Ferieninsel Hainan einen weltumspannenden Konzern machte und dessen erklärte Ambition es ist, in zehn Jahren unter den Top Ten der größten Firmen der Welt zu figurieren?

Chen Feng, 1953 in der chinesischen Provinz Shanxi als Sohn eines Funktionärs der kommunistischen Partei geboren, musste nach dem Ausbruch der Kulturrevolution als 13-Jähriger die Schule verlassen. Es waren schwierige Zeiten, die maoistische Volksrepublik war im Umbruch und wurde von den revolutionären Roten Garden mit Chaos und Gewaltexzessen überzogen. Im Gegensatz zu vielen anderen jungen Chinesen, die damals zu den Bauern aufs Land geschickt wurden, musste Chen für die Luftwaffe der Volksbefreiungsarmee in der Provinz Szechuan arbeiten. 1976, nach dem Ende der Kulturrevolution, fand er in Peking einen Job bei der Zivilluftfahrtbehörde. 1990 beauftragte ihn die Provinzregierung der Insel Hainan, eine eigene Luftverkehrsgesellschaft aufzubauen, um den Tourismus auf der Insel anzukurbeln.

Hainan Airlines, Chinas erste private Fluggesellschaft, startete mit einer einzigen Boeing 737. Chen Feng schob damals noch persönlich den Servierwagen durch den Gang der Maschine.

Geholfen haben dem politisch gut vernetzten Chen Feng - er war auch Delegierter des Volkskongresses - mit Sicherheit seine guten Kontakte zu Peking. Zu seinen frühen Unterstützern gehörte aber auch die Hedgefondslegende George Soros. Soros hatte sich von ihm überzeugen lassen, sich mit 25 Millionen Dollar an der Airline zu beteiligen, und wurde damit der erste private Kapitalgeber von Hainan Airlines. Seinen Anteil, den er später noch verdoppeln konnte, verkaufte er vor einigen Jahren mit einem ordentlichen Gewinn.

"Ich glaube, Mister Soros hat große Weitsicht, denn er hat an unseren Erfolg geglaubt", sagte Chen Feng später über den Investor. "Soros’ Reputation war gut für unser Image." Heute umfasst die Flotte von Hainan Airlines 209 Maschinen und steuert Ziele in China, in den USA, Asien und Europa an. Weltweit gehören fast 20 weitere Fluggesellschaften zu Chens Imperium. Darunter Hongkong Airlines, Tianjin Airlines und Lucky Air. Und dank seiner Fluggesellschaften wurde aus dem verschlafenen Eiland Hainan, einst eine Ansammlung von Fischerdörfern, ein Refugium für gut betuchte Touristen und Millionäre. Hainan gilt heute als die Riviera Chinas, mit Luxushotels, Yachthäfen und Golfplätzen.

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Aggressive Übernahmepolitik



Über seine HNA Group, die als Holding dient, expandierte der Firmenchef ab 2015 aggressiv im westlichen Ausland. Ermuntert von Peking, das seine Konzerne zu globalen Champions ausbauen wollte. Es war ein Wachstum auf Pump, immer wieder nahm Chen Feng neue Kredite auf, Risikokapital gab es damals in China schließlich genug. "Privatinvestoren und Unternehmen, die im eigenen Land reich geworden sind, haben im Ausland investiert, oftmals unterstützt von staatseigenen Banken, bei denen Kredite locker sitzen", schrieb das "Manager Magazin". "Unter diesen chinesischen Welteroberern ist HNA einer der aggressivsten. Die Übernahmen zeigen exemplarisch, wie eine kleine Handvoll chinesischer Konzerne sich Dutzende westlicher Unternehmen, vor allem nach der Finanzkrise, einverleibt hat."

Und das waren keine unbekannten Firmen. Chen Feng kaufte etwa für knapp zwei Milliarden Dollar den Schweizer Airline-Caterer Gategroup und für 2,7 Milliarden Franken den Servicegiganten Swissport, weltgrößter Anbieter für Bodenabfertigung und Luftfrachtservice. 6,5 Milliarden Dollar kostete eine Beteiligung von 25 Prozent an Hilton, dazu kamen weitere Beteiligungen an Hotelketten wie Carlson, Rezidor oder NH. Und dank seiner Investitionen in Flugzeugleasingunternehmen ist HNA heute der drittgrößte Flugzeugverpächter der Welt.

Allein im Jahr 2016 hat HNA Group - vor 24 Jahren quasi aus dem Nichts entstanden - rund 30 Milliarden Euro für Übernahmen ausgegeben. Neben den USA ist auch Deutschland im Fadenkreuz des chinesischen Tycoons. Er ist einer der wichtigsten Aktionäre der Deutschen Bank. HNA hielt ursprünglich 9,9 Prozent an dem Bankhaus. Die Beteiligung musste der Großaktionär jedoch im April 2018 schon auf 7,9 Prozent reduzieren - wegen der rasanten Expansion ist HNA hochverschuldet - und angeblich ist ein Komplettverkauf der Anteile geplant.

Auch den Flughafen Hahn, 125 Kilometer westlich von Frankfurt gelegen, hat eine Tochterfirma von HNA übernommen. Die ehemalige Luftwaffenbasis der Amerikaner galt als Investitionsruine - die Chinesen bezahlten 15 Millionen Euro und wollen den Flughafen für regelmäßige Passagier- und Frachtflüge von und nach China nutzen.