C hinas wirtschaftliche Dynamik lässt sich nicht nur an Wachstumszahlen und steigenden Einkommen ablesen. Ein Indikator für die konjunkturelle Entwicklung ist auch der Hafen von Shanghai. Seitdem die Führung in Peking das Coronavirus für besiegt erklärt hat, herrscht dort wieder rege Betriebsamkeit.

Nach Angaben des börsennotierten Betreibers Shanghai International Port Group (SIPG) wurden im Juli 3,9 Millionen Container umgeschlagen, so viele wie nie zuvor in einem Monatszeitraum. Aller Voraussicht nach wird der Rekordwert des vergangenen Jahres von insgesamt 43,3 Millionen Containern in diesem Jahr gebrochen. Es wäre - trotz Pandemie und Lockdown - die elfte Steigerung in Folge.

Die guten Zahlen sollten eigentlich Investoren anlocken, zumal die SPIG-Aktie mit einem Kurs- Gewinn-Verhältnis von um die elf günstig bewertet ist. Anleger sind dennoch vorsichtig. Denn es gibt ein Risiko.

Hoher Handelsüberschuss

Die Aktivitäten im größten Containerhafen der Welt missfallen Donald Trump. Über Shanghai werden Waren in sein Land transportiert. Zu viele, findet der US- Präsident. Er sieht in den jüngs- ten Zahlen seine Warnungen vor Chinas Dominanz bestätigt. Mit 34,2 Milliarden Dollar fiel der Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um 27 Prozent höher aus. Washington wirft Peking jetzt vor, sich nicht an Abmachungen zu halten.

Im Januar dieses Jahres hatten sich beide Länder auf den Phase-1-Deal geeinigt. Chinas Regierung sagt in dem Abkommen zu, mehr Waren aus den USA beziehen zu wollen. Die Aktienmärkte rund um den Globus reagierten darauf mit Erleichterung. Doch im August stiegen Chinas US-Importe lediglich um 1,8 Prozent. Der Handelsstreit zwischen der Nummer 1 und der Nummer 2 der Weltwirtschaft droht also in den kommenden Wochen wieder Fahrt aufzunehmen.

Während Peking sich im Ton zurückhält und versichert, die Wirtschaft bleibe weiterhin für ausländische Direktinvestitionen offen, geht Trump in die Offensive. Auch wenn Experten dies aufgrund der engen Verflechtungen zwischen den beiden Staaten für unmöglich halten, verspricht der um seine Wiederwahl bangende Präsident: "Ob wir uns von China vollkommen abkoppeln oder ob wir die Zölle noch mal deutlich anheben - wir werden ein für alle Mal die Abhängigkeit von China beenden." Trumps scharfe Rhetorik richtet sich nicht nur gegen Peking. Er droht auch chinesischen Unternehmen. Sollten sie sich nicht an die in den Staaten gängigen Bilanzprüfungen halten, will er sie von US-Börsen verbannen. Davon betroffen wären auch die beiden Internetriesen Alibaba und Tencent.

Volatilität voraus

Washingtons Konfrontationskurs könne an Chinas Aktienmärkten erhebliche Schwankungen auslösen, meint William Fong. Zunehmende Volatilität ist für den Fondsmanager des über eine Milliarde Dollar schweren Barings Hong Kong China Fund jedoch kein Grund zur Sorge. Vielmehr will er Schwächephasen zum Kauf nutzen. "Ein langfristiges Engagement in China-Aktien sollte sich lohnen", sagt Fong. Chancen sieht er aktuell bei günstig bewerteten Unternehmen aus der Tourismusbranche. "Wir glauben, dass diese sich nach der Aufhebung von Reisebeschränkungen erholen werden." Im Tech-Bereich und bei Glücksspielanbietern ist er dagegen vorsichtig und investiert sehr selektiv. Viele Aktien aus den beiden Sektoren sind schon teuer. Hohes Kurspotenzial unterstellt er jedoch Alipay: "Der Finanzdienstleister, der im Oktober erstmals notieren wird, verfügt über 1,3 Millionen Kunden und ist damit schon jetzt größer als Paypal."

Immer mehr Anleger teilen den China-Optimismus und stocken ihre Investments auf. Ende Juni hatten ausländische Investoren laut einem Bericht der Peoples Bank of China 354,5 Milliarden Dollar in chinesische Aktien gesteckt. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Steigerung von 50 Prozent.

Trotz der Nachfrage und der zunehmenden Stärke chinesischer Unternehmen sind Aktien aus dem Reich der Mitte im MSCI All Countries World Index weiterhin unterrepräsentiert. Der Anteil beträgt lediglich fünf Prozent. Nimmt MSCI künftig mehr China-Aktien in den Index auf, unterstützt dies die Kursentwicklung. Exchange Traded Funds müssen dann die höhere Gewichtung nachbilden.

Schon in diesem Jahr hat sich der Einstieg gelohnt. Der CSI 300 - der Index umfasst die 300 größten an den Börsen in Shenzhen und Shanghai gelisteten Werte - bringt es seit Jahresanfang auf ein Plus von zwölf Prozent. Besonders gut entwickelt hat sich Bafang Electric. Das Unternehmen stellt E-Komponenten für Fahrräder und Motorroller her und vertreibt diese global. In den vergangenen sechs Monaten stieg die in chinesischer Währung notierende Aktie um 64 Prozent. Stark zugelegt hat auch Kweichow Moutai. Die Aktie des Getränkeherstellers bringt es seit Jahresanfang auf ein Plus von 32 Prozent.

Ein Grund für die Kurssteigerungen sind die Gewinnerwartungen für chinesische Unternehmen. Experten gehen von einem Plus von sechs Prozent aus. Firmen aus anderen Ländern wird dagegen im Schnitt ein Minus von 20 Prozent in diesem Jahr prognostiziert.

Kräftiges Wachstumsplus

Zudem überzeugen die Stimulierungspakete Pekings. Obwohl das finanzielle Volumen im Vergleich zu den Konjunkturmaßnahmen der USA deutlich geringer ausfällt, scheinen sie besser zu wirken. Im zweiten Quartal legte Chinas Bruttoinlandsprodukt jedenfalls um 3,2 Prozent zu. Für das Gesamtjahr wird ein Wachstum von zwei bis drei Prozent erwartet.

Aller Voraussicht nach wird China zu den wenigen Ländern zählen, deren Bruttoinlandsprodukt Ende des Jahres ein Plus aufweisen wird. Im kommenden Jahr kann die gesamtwirtschaftliche Leistung sogar wieder um sechs Prozent zulegen. Im Hafen von Shanghai werden dann wohl noch mehr Container umgeschlagen.
 


INVESTOR-INFO

Barings Hong kong China F.

China-Experte am Steuer

Manager William Fong investiert in Unternehmen, die in Hongkong gelistet sind, in chinesische A-Aktien, die an den Börsen in Shenzhen und Shanghai notieren, sowie in Titel aus Taiwan. Mit jeweils über neun Prozent hat er aktuell die beiden Tech-Unternehmen Tencent und Alibaba gewichtet. Unter den Top-Ten-Werten des rund 70 Aktien umfassenden Portfolios findet sich auch der Getränkehersteller Kweichow Moutai. Seit Jahresanfang erzielte der Fonds über 20 Prozent Plus.

Xtrackers CSI300 SWAP ETF

Ein Index, 300 Chancen

Der Exchange Traded Fund bildet die Wertentwicklung des Börsenbarometers CSI 300 Swap-basiert ab. Zu den 300 Werten zählen der Versicherer Ping An, der Hersteller von elektrischen Haushaltsgeräten Midea Group und die China Merchants Bank. Die Zusammensetzung des Index wird alle sechs Monate überprüft und wenn nötig angepasst. Auf Finanzwerte entfallen aktuell 31, auf die Konsumbranche 23 Prozent. Die Tech-Branche ist mit neun Prozent gewichtet. Auf Sicht von drei Jahren erzielte der ETF 36 Prozent.