Dabei hat sich die Grüne Jugend alle Mühe gegeben. In der viel zu engen Münsteraner Messehalle drängen sie in grünen T-Shirts nach vorne zum Podium, begrüßen den 63-jährigen Daimler-Chef mit Buhen, Schreien, Schimpfen. Auf Plakaten bezichtigen sie den Konzern, Geld mit Rüstungsverkäufen an Diktatoren und dem Verschmutzen der Umwelt zu machen. Manche pusten Seifenblasen in Richtung Zetsche. Auch ältere Delegierte murren.

Der 63-Jährige - betont leger im krawattenlosen Streifenhemd, Jeans, blauem Jackett und Sneakers - wartet ruhig am Mikrofon, bis der Lärm sich legt. Dann hebt er an: "Vielen Dank für den engagierten Einstieg." Ihm sei nicht entgangen, dass sein Besuch umstritten sei. Er zitiert einen Grünen-Tweet: "Zetsche zur Verkehrspolitik einladen? Dann können wir auch (den neuen US-Präsidenten Donald) Trump zur Frauenpolitik reden lassen." Der Saal lacht, erste Klatscher sind zu hören.

"Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Daimler-Fahrer in Süddeutschland noch mit Flinten beschossen aus Angst vor der Kutsche ohne Pferde", sagt der Konzern-Chef zu den mehreren hundert Parteitagsdelegierten. "Im Vergleich dazu denke ich, dass unsere Diskussion heute über die Kutsche ohne Emissionen sicherlich konstruktiver wird." Applaus brandet auf, die spürbare Skepsis der Delegierten weicht wohlwollender Neugierde.

Dabei haben die Vorredner vor Daimler gewarnt. So etwa der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer, der den VW-Abgasskandal anprangert und erklärt: "Daimler macht es genauso!" Auch Rüstungsexporte werden dem Konzern vorgeworfen, so die Verkäufe von Lastwagen an die Armee in Saudi-Arabien.

Es gelingt Zetsche immer besser, die Empörung unter seinen Zuhörern zu dämpfen. Er bekennt sich zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, zum Pariser Klimaabkommen und erklärt: "Auch die Autoindustrie wird ihren Beitrag dazu leisten." Und: "Wir werden alles daran setzen, dass uns das gelingt." Der Saal klatscht. Zetsche setzt nach: Mehr als drei Milliarden Euro würden in die Optimierung des Verbrennungsmotors fließen, mehr als zehn Milliarden Euro würden in den Ausbau der Elektroflotte in den kommenden Jahren investiert.

Die Proteste flammen wieder auf, als Zetsche Rüstungsexporte rechtfertigt. Höhnisches Lachen kommt auf, als der Daimler-Chef erklärt, sein Konzern unterhalte kaum Lobbyisten. Aber insgesamt gelingt es ihm, den Grünen-Parteitag einzunehmen. "Wir kommen weiter, wenn sich Politik auf die Vorgabe realistischer und verbindlicher Ziele beschränkt", fordert er. Wie das erreicht werde, solle man den Unternehmen überlassen. Zum Schluss zitiert er das grüne Programm zur Verkehrspolitik: "Wir Grüne wollen, dass Deutschland vorangeht." Und bietet an: "Über den Weg können wir gerne weiter diskutieren." Die Delegierten danken mit starkem Applaus.

rtr