"Unsere Branche erlebt eine Revolution", sagt etwa Wolfgang Bernhard, Chef von Daimler Trucks. "Wir sind von dem enormen Potenzial dieser Technologie absolut überzeugt." Der Trend dominiert die IAA Nutzfahrzeuge, die am 22. September in Hannover beginnt.

Kunden von Daimler, MAN oder Volvo sind unterdessen weniger euphorisch: "Wir brauchen kein Wolkenkuckucksheim. Entscheidend ist: Was spart uns Kosten über niedrigeren Energieverbrauch oder weniger Aufwand im laufenden Betrieb?", sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Karlheinz Schmidt. Für ein Logistikunternehmen zählt, ob es Sprit, Arbeitseinsatz und Versicherungsprämien einsparen kann, Unfälle und Ausfallzeiten vermeiden oder Ladekapazitäten besser nutzen kann. Nur wenn die "Total Cost of Ownership" - die Gesamtkosten inklusive Spritverbrauch - spürbar sinken, haben die futuristischen Modellfahrzeuge von Daimler, Scania oder Volvo eine Chance, in Serie auf die Straße zu kommen.

FAHRERLOS NACH 2030



"Alle haben Prototypen auf der Straße und investieren hohe dreistellige Millionenbeträge in digitale Technologien", sagt Romed Kelp, Nutzfahrzeug-Experte beim Beratungsunternehmen Oliver Wyman. Von Serienreife gingen die Hersteller um 2025 herum aus. Die Marktforscher von Frost & Sullivan erwarten allerdings nur geringe Stückzahlen zum Start: Für 2025 sagen sie erst rund 8000 teilautomatisierte Lkw weltweit voraus, im Vergleich zum aktuellen Weltmarktvolumen von 2,8 Millionen Neufahrzeugen eine verschwindend geringe Zahl.

Nach 2030 könnten Lastwagen auf Langstrecken auch völlig ohne Fahrer rollen - vorausgesetzt, der Gesetzgeber macht das möglich. Dabei werde nicht nur die Technik, sondern auch die Meinung in der Bevölkerung eine Rolle spielen, sagt Kelp und spitzt die Frage zu: "Wann akzeptiert die Gesellschaft, dass ein Zwanzigtonner am Kindergarten vorbeifährt, ohne dass ein Fahrer drinsitzt?" BGL-Geschäftsführer Schmidt hält den führerlosen Truck dagegen für "Science Fiction". Die von Mobilfunk und Satelliten abhängige Technik werde nie fehlerfrei arbeiten. Schon ein sekundenweiser Netzausfall oder ein Streik des Bordcomputers wären gefährlich. "Irgendjemand muss eingreifen können, wenn etwas schiefgeht", sagt Schmidt.

NUR EINER LENKT



Zumindest teilautonomes Fahren von Trucks unterstützt die Politik schon aktiv: Auf Initiative der niederländischen Regierung während ihres EU-Ratsvorsitzes führten die sechs europäischen Lkw-Bauer Daimler, DAF, Iveco, MAN, Scania und Volvo im Frühjahr vor, was bald auf der Autobahn gehen soll. In einer Sternfahrt nach Rotterdam ließen sie Konvois aus zwei bis drei Lastwagen wie Züge fahren: Beim Platooning steuert nur der erste Lkw, während die folgenden in engem Abstand im Windschatten hinterherfahren.

Der Kraftstoffverbrauch, der rund ein Viertel der Gesamtkosten einer Spedition ausmacht, werde so um bis zu zehn Prozent gesenkt, erklärt der Zulieferer Bosch. Durch das Automatisieren könnten zudem 90 Prozent aller von Trucks verursachten Unfälle mit Personenschaden verhindert werden, schätzen die Unfallforscher von Bosch. Niedrigere Versicherungskosten sind deshalb ebenfalls ein Verkaufsargument für neue Assistenzsysteme.

Der größte Kostenblock eines Fuhrunternehmens in Deutschland sind die Personalausgaben mit knapp 30 Prozent der Gesamtkosten. Die Experten von Roland Berger schätzen, dass die Fahrerkosten um sechs Prozent sinken könnten, wenn der Fahrer Ruhezeiten einhalten könnte, während der Lkw ohne ihn am Steuer über die Autobahn rollt. "Eine richtige Einsparung auf der Fahrerseite geht erst dann, wenn das Fahrzeug komplett autonom läuft", sagt Wyman-Berater Kelp. BGL-Mann Schmidt hält von diesem Szenario jedoch nichts.

"Beim Personal sehe ich keinen Kostenvorteil", sagt er. Es gebe weder andere Arbeiten, die dann erledigt werden könnten, noch könnte das als Ruhezeit zählen. Die Schicht sei schon heute zwölf Stunden lang, die Lenkzeit neun bis zehn Stunden. "Soll das auf 18 oder 20 Stunden ausgedehnt werden? Das ist nicht zumutbar", kritisiert Schmidt.