In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Wohnriesterverträge auf 1,6 Millionen verdoppelt. Chancen und Fallen für Vorsorgesparer auf dem Weg zum Eigenheim. Von Stefan Rullkötter

Vor exakt acht Jahren wurden die ersten Wohnriesterverträge un- terschrieben. Nach zögerlichem Start hat die staatlich geförderte Eigenheimrente anderen Riesterprodukten im Neugeschäft den Rang abgelaufen. Finanzexpertin Annabel Oelmann, seit 2016 Vorstand der Verbraucherzen-trale Bremen, erklärt, worauf Vorsorgesparer in jedem Fall achten sollten.

BÖRSE ONLINE: Frau Oelmann, wie bewerten Sie den Wohnriesterboom?


Annabel Oelmann:

Wohnriester bleibt nach wie vor ein kompliziertes Produkt. Wer die staatliche Förderung bekommen möchte, muss bis zur vollständigen Abwicklung des Vertrags zahlreiche Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen.

Wo lauern die größten Steuerfallen?


Wer das vorgeschriebene Wohnförderkonto vorzeitig auflöst, muss zwar nicht wie bei der schädlichen Auflösung eines klassischen Riestervertrags Zulagen und die Steuererstattungen zurückzahlen, dafür aber den jeweiligen Kontostand sofort voll versteuern. Gerade wenn jemand noch mitten im Erwerbsleben steckt, kommt er schnell in den höchsten Grenzsteuersatz und hat eine hohe Steuerschuld zu begleichen. Wer dann keine entsprechenden Rücklagen hat, steht vor einem finanziellen Problem.

Wohnriestersparer werden auch bei normalem Vertragsverlauf hohe Steuerschulden auf dem Wohnförderkonto anhäufen. Was ist die beste Strategie?


Das Wohnförderkonto wird spätestens mit dem Erreichen des 68. Lebensjahrs aufgelöst. Es bestehen zwei Möglichkeiten für die Besteuerung des Kapitals. Erstens die Besteuerung auf einen Schlag und zweitens die Verteilung der Steuerschuld auf 17 Jahre. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Bei der einmaligen Besteuerung gibt es einen Rabatt von 30 Prozent auf das zu besteuernde Kapital, sie kann aber bei einem sonst eher niedrigen Steuersatz nachteilig sein. Bei der Verteilung auf 17 Jahre besteht der Vorteil, dass das Kapital nicht mehr ver-zinst werden muss, und außerdem kann das gesparte Kapital aus der einmaligen Besteuerung zinsbringend angelegt werden. Nachteil: Es gibt keinen Rabatt. Welche Variante für den Einzelnen vorteilhaft ist, hängt unter anderem vom individuellen Steuersatz ab und sollte von einem Steuerberater geprüft werden.



Große Wohnriesteranbieter wie die Landesbausparkassen machen sich wegen der EZB-Nullzinspolitik derzeit dafür stark, den Zinssatz für das Wohnförderkonto von aktuell zwei auf ein Prozent zu senken. Ist das sinnvoll?


Die Forderung, das Wohnförderkonto nur noch mit einem Prozent zu verzinsen, wurde schon vor der letzten Änderung des Gesetzes diskutiert und dann aber doch vom Gesetzgeber verworfen. Es blieb bei der Zwei-Prozent-Verzinsung. Eine Reduzierung würde die steuerlichen Belastungen für die Verbraucher spürbar senken und das Produkt an sich wieder attraktiver machen. Dies hat aber nichts mit der EZB-Politik zu tun. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Bei Musterrechnungen unterstellen Anbieter häufig, dass auch die Steuererstattungen in den Wohnriestervertrag fließen. Ist das nicht falsch kalkuliert?


In der Tat fließen zwar die staatlichen Grund- und Kinderzulagen direkt in den Vertrag, nicht aber mögliche Steuererstattungen. Diese bekommt der Verbraucher über die Einkommensteuererklärung letztlich auf sein Girokonto gutgeschrieben - und es hängt von seinen finanziellen Rahmenbedingungen, aber auch von seiner Selbstdisziplin ab, ob er die Erstattung zum Beispiel für eine Sondertilgung des Baudarlehens nutzt.

Warum ist Selbstdisziplin so wichtig?


Nutzt der Wohnriesterkunde seine Steuererstattungen zur Sondertilgung, ist das Darlehen noch eher zurückgezahlt, und er kann die dadurch ersparten Raten für die kommende Auflösung des Wohnförderkontos zurücklegen. Hat er dagegen nicht die Selbstdisziplin, ersparte Raten an die Seite zu legen, kann es eine böse Überraschung geben, wenn das Wohnförderkonto später aufgelöst wird.

Die bei Wohnriesterverträgen angebotenen Darlehenszinsen liegen im Schnitt 70 Prozentpunkte über den derzeit am klassischen Baufinanzierungsmarkt verfügbaren Kreditzinsen. Kann es dennoch für Vorsorgesparer sinnvoll sein, sich die teureren Wohnriester-Kreditkonditionen zu sichern?


Das kann sinnvoll sein. Es liegt aber nicht am Produkt Wohnriester selbst, sondern an der Zurückhaltung der Anbieter, ein klassisches Annuitätendarlehen mit Riesterförderung anzubieten. Der Markt wurde den Bausparkassen überlassen. Aber auch wenn ein Zins höher ausfällt als bei einem ungeförderten Kredit, kann sich der Wohnriester durch die Förderbeiträge und die Steuervorteile lohnen. Hier ist es besonders wichtig, dass im Einzelfall genau geprüft wird. Das kann der Verbraucher aber nicht ohne fachliche Begleitung. Hier helfen etwa die Verbraucherzentralen vor Ort.