Der drohende Chaos-Brexit und der Regierungskrise in Italien trübten die Aussichten für die heimische Konjunktur zusätzlich ein, warnt Martin Lück, Chef-Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. "De facto versinkt Europa immer mehr in einem Japan-ähnlichen Szenario, also schwachem Wachstum, kaum spürbarer Inflation und niedrigen, weitestgehend negativen Zinsen." Auch in der kommenden Woche dürften diese Risiken die Anleger umtreiben
Eine Serie enttäuschender Konjunkturdaten und das Hick-Hack im Handelskonflikt brockte dem Dax in den vergangenen Tagen ein Minus von insgesamt etwa zwei Prozent ein. Damit steuerte er auf den dritten Wochenverlust in Folge zu. Das ist die längste Serie seit einem guten Dreivierteljahr. Parallel dazu werfen am Anleihemarkt zweijährige US-Bonds inzwischen mehr ab als zehnjährige. Diese inverse Zinskurve gilt als Vorbote einer Rezession, weil sich in den Renditen widerspiegelt, dass die Investoren die kurzfristigen Risiken für die Wirtschaft höher einschätzen als die langfristigen. Üblicherweise werden länger laufende Titel höher verzinst.
"Unser hauseigenes Konjunkturzyklusmodell signalisiert schon seit Jahresbeginn, dass sich die globale Konjunkturlage deutlich eingetrübt hat und mittlerweile so schlecht ist wie zuletzt in den Jahren 2008/2009", sagt Anlagestratege Carsten Klude vom Bankhaus MM Warburg. Inzwischen schwinde allerdings der Glaube an die Wirkungsmacht neuer Geldspritzen der großen Notenbanken, der den Aktienmärkten in den vergangenen Monaten Auftrieb gegeben habe. Der Konjunktureintrübung im Rest der Welt würden sich auch die USA langfristig nicht entziehen können.
US-PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL UND GELDPOLITIK IM BLICK
Thomas Lehr, Anlagestratege beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch, warnt dagegen vor überzogenem Pessimismus. Zwar sei US-Präsident Donald Trump unberechenbar. Ein Absturz der Konjunktur oder ein Börsencrash lägen aber nicht in seinem Interesse. "Ein solches Szenario gefährdet Trumps Wiederwahl." Sein Kollege Jeff Schulze vom Vermögensverwalter Clearbridge setzt auf die US-Notenbank Fed. "Erkennt sie früh, dass ein mögliches Rezessionsrisiko besteht und setzt auf eine entgegenkommendere Politik, erholt sich die Wirtschaft." Investoren rechnen derzeit bis zum Jahresende mit drei weitere Zinssenkungen der US-Notenbank. Vor diesem Hintergrund warten Börsianer gespannt auf die Veröffentlichung der Fed-Protokolle am Mittwoch. Aus den Mitschriften der jüngsten geldpolitischen Beratungen erhoffen sie sich Hinweise auf Tempo und Zeitpunkt der erwarteten Zinssenkungen.
Am Tag darauf liefern die US-Frühindikatoren Hinweise auf die Wachstumsaussichten der weltgrößten Volkswirtschaft. Parallel dazu werden die deutschen Einkaufsmanager-Indizes veröffentlicht. Er rechne vor allem im Dienstleistungssektor mit einer trüberen Stimmung, sagt Commerzbank-Analyst Christoph Weil. "Dies wäre ein Zeichen dafür, dass dieser Sektor zunehmend von der schwachen Industriekonjunktur in Mitleidenschaft gezogen wird."
rtr