"Investoren nehmen zudem Gewinne mit, weil sich die Börsen nahe ihren Hochs bewegen", sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. Vor dem anstehenden Wochenende sei es vernünftig, auf Nummer Sicher zu gehen.
Sorgen bereitete Börsianern die Ankündigung Großbritanniens, Reise-Rückkehrer aus Frankreich und einigen weiteren Staaten ab Samstag in eine 14-tägige Quarantäne zu schicken. Die Regierung in Paris kündigte vergleichbare Maßnahmen für Großbritannien-Reisende an und erklärte Paris wieder zum Hochrisiko-Gebiet. "Setzt sich der Trend fort, könnte das Reisen innerhalb der Europäischen Union bis zum Herbst erneut stark eingeschränkt werden, zusätzlich drohen regionale Lockdowns", warnte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader.
Vor diesem Hintergrund gingen die Reise- und Tourismus-Werte erneut in die Knie. Der europäische Branchenindex fiel um mehr als zwei Prozent. In London brachen die Titel des Touristik-Konzerns TUI, der Billig-Flieger Ryanair und EasyJet sowie der British Airways-Mutter IAG um bis zu 7,1 Prozent ein. Die Leitindizes der Börsen in London und Paris gaben jeweils rund 1,5 Prozent nach. Die britische Entscheidung unterstreiche das Risiko, Reisen zu buchen, und sei ein Schlag für das Verbrauchervertrauen, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com.
KONJUNKTURDATEN UND HICKHACK UM US-HILFSPAKET BELASTEN
Parallel dazu drückten enttäuschende Konjunkturdaten aus China und Europa auf die Stimmung. Die heimische Wirtschaft verbuchte wegen der Pandemie im zweiten Quartal einen Rekord-Einbruch von gut zwölf Prozent. "Der aktuelle Anstieg der Neuinfektionen zeigt, dass die Konjunkturerholung am seidenen Faden hängt", sagte Alexander Krüher, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe.
Nervös machten Investoren auch die stockenden Verhandlungen über ein weiteres US-Hilfspaket. "Die jüngsten Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass eine neue Konjunkturspritze dringend gebraucht wird", sagte AxiTrader-Experte Cutkovic. "Auch die US-Notenbank hat signalisiert, dass sie allein die Wirtschaft nicht retten kann."
ÖLPREIS FÄLLT - VARTA TROTZ GEWINNSPRUNG UNTER DRUCK
Die wachsenden Zweifel an einer kraftvollen Erholung der Weltwirtschaft spiegelten sich auch am Ölmarkt wider. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um bis zu 1,1 Prozent auf 44,48 Dollar je Barrel (159 Liter). Vor allem wegen der gesunkenen Nachfrage für Flugzeug-Kerosin hätten die Internationale Energie-Agentur IEA und die Opec ihre Bedarfsprognose für 2020 erstmals seit vier Monaten wieder gesenkt, sagte Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg. Gleichzeitig wachse das Angebot wieder.
Bei den deutschen Aktienwerten rückte Varta ins Rampenlicht. Die Aktien des Batterie-Herstellers verbuchten trotz eines Umsatz- und Gewinnsprungs und eines optimistischeren Ausblicks mit einem Minus von zeitweise gut 14 Prozent den größten Kursrutsch seit dem Börsencrash vom März. Börsianer hatten auf noch höhere Ziele gesetzt und machten Kasse. Allein in den vergangenen zwei Wochen hatten die Titel etwa 35 Prozent zugelegt - fast sieben Mal so stark wie der Nebenwerte-Index MDax, in dem sie notiert sind.
rtr