"Im bisherigen Jahresverlauf befürchteten Investoren eine Überhitzung der Weltwirtschaft", sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. "Nun herrscht Sorge, dass das Wachstum seinen Höhepunkt vielleicht schon überschritten hat, während die Preise weiter steigen." Das Stagflationsgespenst gehe um. Mit "Stagflation" bezeichnen Experten eine stagnierende Wirtschaft bei gleichzeitig anziehender Inflation.

RÜCKSETZER ODER AUFTAKT FÜR LÄNGERE TALFAHRT?


Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com mahnte zur Besonnenheit. Die Aktienrally seit den ersten erfolgreichen Tests von Coronavirus-Impfstoffen und der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten im vergangenen November sei gekennzeichnet von Kursrücksetzern. Dabei seien bei einem Minus von rund fünf Prozent stets Schnäppchenjäger in den Markt zurückgekehrt und hätten den Börsen neuen Schwung verliehen. Es sei riskant, darauf zu wetten, dass es diesmal anders komme. Bislang liegen Dax, Stoxx600 und S&P 500 jeweils etwas mehr als drei Prozent unter ihren Rekordhochs.

Außerdem verhindere die Aussicht auf anhaltende Geldspritzen der Notenbanken einen weiteren Ausverkauf der Börsen, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi. Daher blickten Investoren gespannt auf die Beratungen der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Die Währungshüter wollen unter anderem ihren geldpolitischen Ausblick überarbeiten. Sie würden sicher an ihrem bisherigen ultra-lockeren Kurs festhalten, prognostizierte Rabobank-Anlagestrategin Jane Foley. Die Aussicht auf weitere Wertpapierkäufe der EZB drückte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen zeitweise auf ein Fünfeinhalb-Monats-Tief von minus 0,427 Prozent.

Die Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen der grassierenden Delta-Variante des Coronavirus könnten sich zudem als überzogen herausstellen, gaben die Experten des Research-Hauses BCA zu bedenken. In Großbritannien blieben dank hoher Impfquoten die Krankenhaus-Einlieferungen bei steigenden Fallzahlen niedrig. Devisenanleger blieben dennoch nervös und drückten des Kurs des Pfund Sterling auf ein Fünfeinhalb-Monats-Tief von 1,3608 Dollar.

ALSTOM UND EASYJET ERFREUEN MIT GESCHÄFTSZAHLEN


Aufwärts ging es dagegen für die Titel von Alstom, die sich mit einem Kursgewinn von gut drei Prozent an die Spitze des Pariser Auswahlindex CAC40 setzten. Vor allem dank des starken Eisenbahn-Geschäfts liege der Auftragseingang über den Erwartungen, lobte Analyst Simon Toennessen von der Investmentbank Jefferies. Beim Umsatz habe Alstom ebenfalls überraschend stark abgeschnitten.

In London gewannen EasyJet 2,3 Prozent. Analyst Gerald Khoo von der Investmentbank Liberum hob hervor, dass der Billig-Flieger im abgelaufenen Quartal deutlich weniger Geld verbrannt habe als zuvor. Er hätte zwar eine stärkere Ausweitung des Flugplans erwartet. "Die Zurückhaltung kommt angesichts der schleppenden Lockerung internationaler Reisebeschränkungen aber nicht überraschend."

rtr