Die Lebenshaltungskosten sanken im Dezember zum Vorjahr um 0,2 Prozent, wie das Statistikamt in Brüssel am Mittwoch mitteilte. Obwohl insbesondere das viel billigere Öl die Verbraucher freut, sehen die Hüter des Euro Probleme heraufziehen: EZB-Chef Mario Draghi will deswegen die Gefahr bannen, die mit einem Preisverfall auf breiter Front einhergeht. Denn Verbraucher konsumieren dann weniger, weil sie erwarten, Produkte bald noch billiger zu bekommen. Unternehmen verdienen in der Folge auch weniger und kürzen ihre Investitionen - eine Abwärtsspirale entsteht, die nur schwer zu stoppen ist.

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte nun schon auf ihrer Sitzung am 22. Januar weitere unkonventionelle Maßnahmen beschließen. In den nächsten Wochen sei mit einer Ausweitung der Anleihenkäufe zu rechnen, sagte Postbank-Ökonom Thilo Heidrich. Das Kalkül dahinter: Gelangt viel Geld ins Finanzsystem, ziehen auch die Preise wieder an.

Die Aussichten auf eine baldige Geldschwemme der EZB und damit neue Impulse für die flaue Wirtschaft trieben die Aktienmärkte in Europa nach oben. Der Dax kletterte um 1,2 Prozent. Der Euro fiel dagegen und kostete nur noch etwas mehr als 1,18 Dollar - der tiefste Stand seit neun Jahren. Investments in den Dollar sind momentan für viele Anleger attraktiver: Denn in den USA steht die erste Zinserhöhung seit der Finanzkrise an, während die EZB noch auf absehbare Zeit bei ihrer extrem lockeren Geldpolitik bleiben dürfte.

Derzeit setzt vor allem das immer billigere Öl die Währungshüter in Europa unter Zugzwang: Der Preis für die weltweit wichtigste Sorte Brent fiel erstmals seit Mai 2009 wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 50 Dollar. Der Rohstoff kostete damit nur noch etwa halb so viel wie im Sommer. "Es wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB noch mehr machen könnte als sie bislang in Aussicht gestellt hat", sagte auch Commerzbank-Ökonom Ulrich Leuchtmann. Denn die Deflationsrisiken seien aufgrund des Ölpreisverfalls größer als vermutet.

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EINE BILLION EURO GEGEN DIE DEFLATION

Die Bundesregierung sieht trotz der erstmals seit Herbst 2009 rückläufigen Preise im Euro-Raum derzeit noch keine Gefahr im Verzug. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat zuletzt wiederholt erklärt, er sehe in Europa keine Deflation heraufziehen. EZB-Chef Draghi sieht die Lage weniger gelassen. Er betonte, die Zentralbank müsse das Risiko einer Deflation "angehen" und bereite Gegenmaßnahmen vor.

Die Notenbank beabsichtigt, ihre Bilanz auf das Niveau von Anfang 2012 aufzublähen: Dafür müssten rund eine Billion Euro ins Finanzsystem gepumpt werden. Die meisten Beobachter halten es für ausgeschlossen, dass diese Summe mit den angelaufenen Maßnahmen wie dem Kauf von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen erreicht werden kann. Weitere Beschlüsse dürften also nötig werden. Mit einem massenhaften Ankauf von Staatsanleihen würde die EZB zum Beispiel einen Anreiz bieten, dass Banken die Papiere abstoßen und im Gegenzug mehr Geld zur Kreditvergabe zur Verfügung haben.

In den USA hat die Notenbank Fed mit solchen Käufen die Wirtschaft nach der Finanzkrise wieder in Schwung gebracht. Kritiker, vor allem aus Deutschland, sehen jedoch die Grenze zur verbotenen Staatsfinanzierung verwischt. Bundesbank-Chef Jens Weidmann warnt davor, Rezepte aus den USA auf die europäische Währungsunion zu übertragen. Auch Ökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe ist skeptisch, dass die Wirtschaft so angekurbelt werden kann. Die EZB stehe unter Druck, da sie eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent anpeile. Ihre Glaubwürdigkeit gerate in Gefahr, weil sie ihr Ziel schon länger verfehle. Draghi werde dennoch nichts überstürzen.

Reuters