Bis 2011 galt Delticom als das deutsche Vorzeigeunternehmen schlechthin, wenn es um E-Commerce ging. Die Hannoveraner, deren Aktie seit 2006 an der Börse notiert ist, haben den Onlinehandel mit Reifen groß gemacht. Ein Erfolgsmodell, das durch regionale Expansion und die Erweiterung der Produktpalette um Autoersatzteile erweitert wurde. Zu seinen besten ­Zeiten erwirtschaftete das Unternehmen zweistellige Gewinnmargen, die Aktie kletterte auf über 60 Euro.

Doch einige neue Konkurrenten drückten die Preise. Delticom musste viel Geld in die Hand nehmen, um den Markt zu bereinigen. Davon hat sich das Unternehmen bis heute nicht erholt. Dass das Geschäftsmodell um den Onlinevertrieb von Gebrauchtwagen, Lebensmitteln und ­Logistik-Dienstleistungen erweitert wurde, stoppte den Abwärtstrend nicht. Die Aktie fiel von einem Tiefstkurs zum nächsten. Seit Juni hat sich ein Seitwärtstrend eta­bliert. Klar ist: Investoren haben den Wert aufgegeben. Und auf den ersten Blick ist das verständlich. Im laufenden Jahr wird Delticom trotz zuletzt verbesserter Rentabilität im ersten Halbjahr 2018 nur rund 30 Cent pro Aktie verdienen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis beträgt 33.

Hoher Abschlag zum Verkaufswert



Allerdings offenbart der Blick auf die klassischen Kennzahlen nicht das Aufholpotenzial. Delticom hat einen Börsenwert von 97,5 Millionen Euro. Das ist ein Sechstel der Erlöse. Wer sich mit Transaktionspreisen bei E-Commerce-Firmen auseinandersetzt, weiß, dass bei Deals viel höhere Multiplikatoren gezahlt werden.

Auf der Habenseite verbucht Delticom zum Beispiel seinen Datenschatz. Im vergangenen Jahr haben etwa zwei Millionen Kunden eingekauft. In seiner Kunden­datei führt das Unternehmen rund 13 Millionen Kunden. Was könnte es Autofirmen, die gerade ihre Mobilitätssparte ausbauen, wert sein, alle Einzelheiten von Haltern und Fahrzeugen zu kennen?

Zudem hat Delticom seine Online-Lebens­mittelsparte, die durch Gourmondo Food und Lebensmittel.de repräsentiert wird, durch den Kauf von Allyouneed Fresh verstärkt. Der Online-Supermarkt gehört hierzulande zu den größten. Überhaupt ist das Onlineshopping im Lebensmittelbereich ein heißer Sektor, den beispielsweise auch Amazon kräftig ausbaut.

Natürlich müssen Wertreserven gehoben werden. Der Druck auf die Aktie hat beim Management um Firmengründer und Großaktionär Andreas Prüfer offenbar zu einem Umdenkprozess geführt. So werden, wie Delticom meldete, strategische Optionen für den wachsenden Reifen-Onlinehandel in Nordamerika geprüft. Führen die Gespräche mit Investoren zu einem lukrativen Deal, dürfte die Aktie neu bewertet werden.