Nach der Emission im Oktober tastet sich die Aktie des Medizintechnikers langsam nach oben. Ein gutes Umfeld für Trader, aber auch für Langfristanleger.

Es geht hoch hinauf. Der US-Sportler Ezra Frech überspringt scheinbar mühelos mehr als 1,90 Meter, ist Weltrekordhalter im Para-Hochsprung. Natürlich gehören dazu ein eiserner Wille und hartes Training. Das Erfolgspaket wird aber abgerundet von der Prothese. Die kommt von Ottobock, deren Aktien seit Oktober an der deutschen Börse notieren. Ein Weltmarktführer ist sicherlich eine Bereicherung an der Börse. 

Die Redaktion sah bei der Emission allerdings drei Einschränkungen. Die Konstruktion als KGaA ist nicht sehr aktionärsfreundlich. Dazu kommt, dass Ottobock noch recht hohe Schulden mitbringt. Weil der Löwenanteil der Emission an die Familienaktionäre geflossen ist, liegt die Schuldenquote immer noch bei mehr als dem 2,5-Fachen des Betriebsergebnisses. Punkt drei: Die Familie hat, nachdem die Beteiligungsfirma EQT ausgezahlt wurde, immer noch hohe Schulden und dürfte deshalb gestiegene Kurse der Aktie für die Platzierung nutzen, was die Entwicklung bremsen dürfte.

Deutsche Aktie auf dem Sprung

Anleger, die mit diesen Beeinträchtigungen leben können, finden eine ziemlich spannende Wachstumsstory, vielleicht sogar mit einem bisher wenig beachteten Überraschungseffekt. Ottobock stellt Prothesen und Lösungen her, um die Mobilität von Menschen zu verbessern. 

Gegründet wurde das Geschäft 1919 also unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs. Im Laufe von mehr als einem Jahrhundert hat sich die Produktpalette erweitert. Neben Gehhilfen gibt es Armund Handprothesen, aber auch Stabilisierungshilfen. Im Geschäft mit den Prothesen und dem entsprechenden Zubehör ist Ottobock mit einem Marktanteil von 33 Prozent doppelt so groß wie der nächstgrößere Wettbewerber. Vielfach größer als die Produktion ist der Bereich „Care“. Dort  werden in eigenständigen Zentren die Patienten betreut, Prothesen vermessen und angepasst. 

Der Konzern hat weltweit 400 Standorte für Care, gehört international zu den Top-Anbietern, hat aber nur einen Marktanteil von fünf Prozent. Ein um Faktor sechs größerer Markt und ein kleinerer Marktanteil ist sicherlich ein bedeutender Teil des Wachstumspotenzials. Immerhin werden viele Kunden im Laufe ihres Lebens mehrfach von Ottobock betreut, etwa weil Prothesen ausgetauscht oder erneuert werden. Spannend an diesem Care-Geschäft ist vor allem, dass sich die Skalierung etwa durch technische Entwicklung noch deutlich steigern lässt, die Margen zulegen können. Schon heute können sich die operativen Kennzahlen sehen lassen. Das Unternehmen wird 2025 um die 1,6 Milliarden Euro umsetzen, die operative Marge soll bei 25 Prozent landen. Mittelfristig will das Unternehmen zwischen sieben und neun Prozent wachsen und die Marge um drei bis vier Prozentpunkte steigern.

Das Unternehmen hat eine relativ hohe Cash-Wandlungsquote. Zuletzt landeten gut 70 Prozent des Betriebsergebnisses auch in den Kassen. Damit wird es aus eigener Kraft gelingen, die Schuldenrelation auf unter zwei zu drücken. Ein grundlegend stabiles Geschäft mit enormen Eintrittsbarrieren, hohes einstelliges Wachstum mit Margensteigerungspotenzial sind langfristige Werttreiber für die Aktie. 

Bisher noch wenig beachtet ist, dass sich bei Ottobock zahlreiche Entwicklungen finden lassen, für die verstärkt auch elektronische Steuerungen verwendet werden. Wenn die Bewegungen einer Hand über Nervensysteme gesteuert werden können, sollte das etwa KI-gestützt auch elektronisch möglich sein. Von dort ist es wohl nur noch ein kleiner Schritt bis hin zum — wie Experten erwarten — großen Zukunftsmarkt für humanoide Roboter. Bisher ist das Thema in den Präsentationen des Konzerns nicht zu finden. Es gibt gleichwohl Produkte und Lösungen, die daran erinnern.

Dieser Artikel erschien zuerst in der aktuellen BÖRSE ONLINE Ausgabe. Hier geht es zum Magazin.

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