Die meisten deutschen Aktien mussten nach einem bereits schwachen Jahresausklang auch im neuen Jahr zum Teil schon heftige Verluste einstecken, bevor es jüngst zu einer Erholungsbewegung gekommen ist. Dabei hat es neben den großen Titeln auch viele Nebenwerte erwischt, obwohl seit Beginn der Aktienhausse im Jahr 2009 die Nebenwerte die hochkapitalisierten Aktien geschlagen haben.

Nach Ansicht von Aktienstratege Ralf Zimmermann vom Bankhaus Lampe könnte dieses Muster jetzt aber drehen, denn es gebe einige Gründe dafür, dass Anleger bei der Auswahl der Nebenwerte künftig selektiver vorgehen müssen. Zur Begründung für diese These verweist er auf die Annahme eines schwankungsintensiveren Seitwärtsmarktes, der große Werte begünstige, anstatt einer stetigen Aufwärtsbewegung, die in der Regel Nebenwerte treiben würde. Außerdem führt er die hohen Bewertungsprämien der kleineren Werte gegenüber den Schwergewichten bei zugleich erhöhtem Risiko von Gewinnenttäuschungen an und den fehlenden Bewertungsabschlag für die geringere Liquidität in volatilen Märkten.

Der Status quo in vielen Portfolien dürfte aber derzeit noch vom Gegenteil geprägt sein, nachdem Anleger bislang auf die größere Wachstums- und Übernahmefantasie bei Small Caps gesetzt haben. Doch jetzt müssten Investoren bei der Auswahl ihrer Nebenwerte selektiver werden, so Zimmermann. Die Empfehlungsliste des Bankhaus Lampe für deutsche Nebenwerte im Jahr 2016 trägt dem Rechnung. Unter den mit einem Kaufurteil versehenen Werten werden sieben Small-Cap-Top-Kaufempfehlungen hervorgehoben, bei denen man laut Analyst Christoph Schlienkamp davon ausgeht, dass sich durch die Stärke des Geschäftsmodells, die strategische Positionierung und nicht zuletzt durch die Managementqualitäten - losgelöst von makroökonomischen Unsicherheiten - eine positive Entwicklung einstellen sollte.

Dieses Portfolio sei dabei nicht nur auf Renditechancen ausgerichtet, sondern nehme parallel auch eine Risikoeinschätzung vor und sei somit diversifiziert. Ergänzt wird diese Zusammenstellung durch drei Verkaufsempfehlungen, bei denen Abwärtspotenzial gewittert wird. Aus diesen zehn Topempfehlungen stellt Börse Online auf den nachfolgenden Seiten zwei deutschen Nebenwerten, bei denen die Lampe-Analysten den Daumen senken und drei Titel, bei denen der Daumen nach oben zeigt, etwas näher vor.



Lampe-Verkaufsempfehlung deutsche Nebenwerte Nummer eins: Hawesko Holding AG (WKN: 604270, 39,98 Euro, alle Kurs - und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 17.02.)



Schon seit Mitte 2011 präsentiert sich der Aktienkurs der Hawesko Holding AG nun unter dem Strich letztlich als Langweiler. Die meiste Zeit davon bewegte sich die Notiz des Weinhändlers in sehr engen Bahnen und charttechnisch gesehen gibt es derzeit keine Hinweise auf einen baldigen Ausbruch aus der zuletzt gültigen Seitwärtsrange.

Auch Lampe-Analyst Schlienkamp geht nicht von einer zügigen Neubewertung des Titels aus. Allerdings sieht er den Kurs auf 37 Euro fallen. Bei Zielerreichung wäre das gemessen am aktuellen Stand ein Abwärtspotenzial von 7,5 Prozent und die Notiz würde sich damit dann der unteren Begrenzung der zuletzt eingehaltenen Seitwärtsspanne annähern.

Nach Einschätzung von Schlienkamp befindet sich Hawesko weiter in einer Transformationsphase. Der neue Vorstandschef Thorsten Hermelink sei zwar seit dem Jahreswechsel an Bord, man erwarte jedoch nicht vor Mitte April wesentliche strategische Weichenstellungen, die dann eventuell eine Neueinschätzung der Aktie erforderlich machen würden. Der Fokus der Investoren liege jedenfalls vor allem auf dem erwarteten Punkte-Plan des Managements und die am 02. Februar gemeldeten vorläufigen Geschäftszahlen für 2015 werten als neutral gewertet.

Was den erwähnten Maßnahmenkatalog angeht, dürfte das oberstes Ziel des neuen Vorstandschefs sein, die bislang sehr autark arbeitenden unterschiedlichen Vertriebslinien vom Einkauf bis zur Preisgestaltung näher zusammenführen, um so klassische margensteigernde interne Synergieeffekte zu erzielen. Schlienkamp geht dabei unverändert davon aus, dass es Hawesko bei operativer Exzellenz gelingen muss, mittelfristig eine Marge beim Gewinn vor Steuern und Zinsen von sieben Prozent zu erreichen. Zum Vergleich: Für 2015 wird dieser Wert auf 4,2 Prozent taxiert und für 2016 auf 5,5 Prozent.

Das genannte Kursziel werden durch einen Vergleich mit der Vergleichsgruppe durch Bewertungsbausteine wie Unternehmenswert zum Umsatz, Unternehmenswert zum Gewinn vor Steuern und Zinsen, KGV und Kurs-Buchwert-Verhältnis ebenso gestützt wie durch das Cash-flow-Yield-Modell. Beim Gewinn je Aktie beispielsweise wird für das Geschäftsjahr 2016 mit einem Wert von 1,94 Euro gerechnet. Daraus ergibt sich ein geschätztes KGV von 20,6. Die derzeit gültige Verkaufsempfehlung basiere letztlich auf der als unvorteilhaft eingestuften Bewertung sowie auf den derzeit nicht zu erkennenden Kurstreibern



Lampe-Verkaufsempfehlung deutsche Nebenwerte Nummer zwei: SGL Carbon SE (WKN: 723530, 10,32 Euro)



Einem Trauerspiel gleicht schon seit längerer Zeit der Aktienkurs von SGL Carbon. Jüngst ist die Notiz des Graphitspezialisten dabei auf den tiefsten Stand seit 2004 gefallen, bevor es dann in den vergangenen Tagen zu einer Erholungsbewegung gekommen ist. Der charttechnische langfristige Abwärtstrend ist davon unberührt bei dem im SDAX enthaltenen Unternehmen aber nach wie vor völlig intakt.

Lampe-Analyst Marc Gabriel sieht unverändert weitere Risiken, denn bedingt durch die Schwäche im Geschäft mit Graphitelektroden für die Stahlindustrie rechnet er unverändert mit Verlusten. Er erwartet deshalb eine weitere Kursabschwächung und hält vor diesem Hintergrund seine Verkaufsempfehlung aufrecht. Konkret veranschlagt er das Kursziel auf 8,00 Euro, was einem Abwärtspotenzial von 22,5 Prozent entspricht. Beim Kursziel von acht Euro handelt es sich übrigens um einen leicht nach oben aufgerundeten Wert. Denn basierend auf einem abgezinsten Cashflow-Modell sowie einem unterstellten Kapitalkostensatz von 5,6 Prozent und einem Cashflow-Wachstum von einem Prozent im Terminal Value wird der faire Wert je Aktie auf 7,90 Euro beziffert. Beim Ergebnis je Aktie wird für 2016 mit einem Verlust von 0,36 Euro gerechnet und für 2017 mit minus 0,21 Euro.

Zur vorsichtigen Geschäftsprognose muss man wissen, dass SGL rund 44 Prozent des Umsatzes mit dem Bereich Performance Products erzielt, der Kathoden für die Aluminiumindustrie und Graphitelektroden für die Stahlindustrie produziert. Nachfrage und Preise für Graphitelektroden sind rückläufig - ein Verkauf dieses Geschäftsbereichs dürfte laut Gabriel daher die favorisierte strategische Option sein. Bessere Wachstumschancen seien in den Bereichen Carbon Fibers Materials und Graphite Specialties zu finden, deren Umsatz von geschätzten 788 Millionen Euro bis 2020 um 50 Prozent steigen könnte.

Die Bilanzvorlage am 23. März dürfte laut Lampe geprägt sein von Restrukturierungsaufwendungen. Beim Ausblick wird mit einem Erreichen der Nulllinie beim Gewinn vor Steuern und Zinsen auf Konzernebene gerechnet. Weitere Abschreibungen angesichts des sich weiter abschwächenden Geschäfts seien nicht auszuschließen und könnten den Kurse ebenso belasten wie eine vermutlich weiter steigende Nettofinanzverschuldung, die sogar zu einem Bruch der Kreditbedingungen führen könnte. Spekulationen bezüglich einer Übernahme durch die SKION (27,5 Prozent-Anteil) alleine oder zusammen mit BMW (18,4 Prozent-Anteil) dürften sich dagegen positiv auf den Kurs auswirken. Insbesondere dann, falls sich VW (9,9 Prozent-Anteil) von seinen Anteilen trennen sollte.

Im Februar haben übrigens auch die Analysten der DZ Bank ihr Kursziel für den Titel deutlich von elf auf ebenfalls acht Euro gesenkt. Zur Begründung hieß es hier, man gehe zwar davon aus, dass SGL Carbon die Jahresziele für 2015 erreicht hat, mit Blick auf anhaltende Schwierigkeiten im Elektrodengeschäft würden die Gewinnschätzungen aber dennoch gesenkt.



Lampe-Kaufempfehlung deutsche Nebenwerte Nummer eins: Capital Stage AG (WKN: 609500, 7,31 Euro)



Um einen der größten Kursgewinner am deutschen Aktienmarkt handelt es sich seit dem Jahr 2004 bei dem Hamburger Solar- und Windparkbetreiber Capital Stage. Doch im Zuge der jüngsten Kursturbulenzen am Gesamtmarkt musste auch dieser Titel einen spürbaren Rückschlag hinnehmen. Kurzfristig hat sich dadurch bei dem SDAX-Mitglied das Chartbild eingetrübt.

Trotz der jüngst gezeigten Kursvolatilität stuft Lampe-Analyst Schlienkamp die mit einer Kaufempfehlung versehene Aktie in den defensiven Bereich ein. Viele Marktteilnehmer sehen Capital Stage aus seiner Sicht noch als klassischen Solarhersteller und würden dabei verkennen, dass die Gesellschaft konjunkturunabhängig stabile und vor allem planbare Cash-flows erzielen könne. Die Notiz sei zuletzt im Sog vor allem makroökonomischer Themen wie etwa den Sorgen um China unter Druck geraten, Schlienkamp hat sein Kursziel davon unbeirrt aber bekräftigt. Als Kursziel nennt er 10,60 Euro, was um 45 Prozent über den aktuellen Notierungen liegt.

Als Kaufargument wird auch eine gut gefüllte Akquisitions-Pipeline angeführt, die einen anhaltend positiven Nachrichtenfluss verspreche. Das genannte Kursziel basiere aber nur auf dem aktuellen Portfolio. Dies gelte auch für die Vorhersage des Unternehmens, die auf dem derzeitigen Bestand aufsetzt. Akquisitionen sollten zu einer systematischen Aufwärtsentwicklung der Geschäftsprognosen führen.

Derzeit betreibe das Unternehmen ein breit diversifiziertes Portfolio mit rund 80 Solar- und Windparks in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien mit einer Gesamtleistung von rund 550 MWp. Schlienkamp geht davon aus, dass das Portfolio mittelfristig auf 1.000 MWp ausgebaut wird. Die Risiken würden dabei gemindert durch eine Fokussierung bei den Investitionen auf hochwertige Anlagen in ausgewählten Märkten Europas, die gleichermaßen sichere und attraktive Rahmenbedingungen gewährleisteten. Garantierte Feed-in-Tarife sicherten zudem stabile Umsätze und attraktive Renditen. Zudem könne zusätzliches Ergebnispotenzial mit Hilfe der Tocher Solar Service erschlossen werden, welche die technische Betreuung einer Vielzahl von eigenen Solarparks übernehme und die technische Betriebsführung von Solarparks auch Dritten anbiete.

Für 2016 wird beim Gewinn je Aktie mit einer Verbesserung von 0,45 auf 0,51 Euro gerechnet. Der ergibt sich ein geschätztes KGV von 14,3. Bei der Dividende je Aktie wird mit 0,25 kalkuliert, woraus sich eine Dividendenrendite von 3,4 Prozent ergeben würde.



Lampe-Kaufempfehlung deutsche Nebenwerte Nummer zwei: QSC AG (WKN: 513700, 1,424 Euro)



Nicht gerade ermutigend präsentiert sich momentan das Chartbild bei der QSC AG. Mit 1,32 Euro ist die Notiz des Anbieters von Informations- und Telekommunikationstechnik jüngst auf den tiefsten Stand seit 2010 gefallen. Nachdem die Aktie im Oktober 2013 noch bei 5,11 Euro notierte, ergibt sich dadurch nicht nur ein steiler, sondern auch ein völlig intakter charttechnischer Abwärtstrend.

Lampe-Analyst Wolfgang Specht stuft den Titel trotz der tristen Kursentwicklung als defensiven Titel ein. Er erwartet, dass QSC 2016 große Teile der 2015 erzielten Kosteneinsparungen (das Kostensenkungsprogramm "Clarity" soll die Kostenbasis 2016 um rund 20 Millionen Euro gegenüber dem Geschäftsjahr 2014 senken) in die Entwicklung der eigenen Cloud-Plattform reinvestiert. Dadurch sollte der Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisationen gegenüber 2015 belastet werden und nur geringfügig wachsen, jedoch die Basis für zukünftiges Wachstum gelegt werden.

Der Markt für Cloud-Anwendungen, insbesondere bei der Kernzielgruppe deutscher Mittelstand, befinde sich jedenfalls noch in einer frühen Phase und verspreche über Jahre hinaus Wachstum. Durch ein bestehendes klassisches IT-Outsourcing-Geschäft im deutschen Mittelstand sollte QSC gut positioniert sein, um vom Trend zur Virtualisierung von Geschäftsprozessen zu profitieren. Gleichzeitig sollte die Abhängigkeit von dem schrumpfenden klassischen Telekommunikationsgeschäft sinken.

Vor diesem Hintergrund wird die bestehende Kaufempfehlung mit Blick auf einen positiven Ausblick für IT-Services, moderate Bewertungsrelation und Konsolidierungschancen bestätigt. Konkret werden als Kursziel 2,20 Euro genannt, was auf einem abgezinsten Cashflow-Berechnungsmodell basiert und sich um 54,5 Prozent über den aktuellen Notierungen bewegt.

Beim Ergebnis je Aktie wird für 2016 allerdings mit einem Verlust von 0,02 Euro gerechnet. Gegenüber dem für 2015 geschätzten Verlust von 0,09 Euro wäre das aber eine Verbesserung. 2017 soll dann ein Gewinn je Aktie von 0,05 Euro herausspringen. Bei der Dividende wird mit einer Zahlung von sechs Cent gerechnet, woraus eine Rendite von 4,2 Prozent resultieren würde.



Lampe-Kaufempfehlung deutsche Nebenwerte Nummer drei: Evotec AG (WKN: 566480, 3,15 Euro)



Biotech-Aktien haben im neuen Jahr bisher allgemein keinen leichten Stand bei den Investoren und das ist sicherlich mit ein wichtiger Grund, warum der Kurs der Evotec AG 2016 bisher auf keinen grünen Zweig kommt. Zum Jahresende wurde der Anbieter von Dienstleistungen in der Frühphasenforschung zur Entwicklung von Medikamenten noch bei 4,17 Euro gehandelt und hat somit seitdem fast 25 Prozent an Wert eingebüßt.

Nachdem das aktuell gültige Rekordhoch von 4,84 Euro bereits im November 2013 markiert wurde, läuft es aber schon länger nicht mehr richtig rund bei dem Unternehmen, zu dessen Kernbereich der gesamte Prozess vom Screening bis zur Fertigstellung so genannter Preclinical Development Candidates zählt. Damit ist Evotec einer der wenigen vollintegrierten Anbieter von Dienstleistungen in der frühen Phase der Wirkstoffforschung.

Aus Sicht von Lampe-Analyst Volker Braun stellt der TecDax-Vertreter mit seinem hybriden Geschäftsmodell eines sich selbst finanzierenden Biotechnologie-Unternehmens einen "sicheren Hafen" in der Biotechbranche dar. Der jüngste Kursrücksetzer stelle auch deshalb eine exzellente Einstiegsgelegenheit dar. Zumal Evotec zuletzt eine Reihe neuer, zum Teil umfangreicher Kollaborationen (Pfizer, Sanofi, UCB, Akademische Forschungseinrichtungen) abgeschlossen und alle kritischen präklinischen Meilensteine (Bayer, Janssen) erreicht habe.

Braun geht davon aus, dass Evotec seinen Umsatz exklusive Meilensteinzahlungen nach geschätzten 45 Prozent Wachstum im Jahr 2015 um mindestens zehn Prozent im Jahr 2016 wird steigern können. Somit verfüge das Unternehmen über weitreichenden Spielraum, sein Portfolio von über 70 Partner-Projekten weiter auszubauen. Die aktuelle Bewertung impliziere, dass der Markt dem Kollaborationsnetzwerk keinen positiven Wert beimesse. Diese Sicht teilt Braun nicht.

Vielmehr setzt er auf die Chancen, die sich aus den mittlerweile über 70 Partnerprojekten ergeben können. Das damit verbundene Potenzial werde weithin unterschätzt. Zudem seien Potenziale aus der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Partnerschaft mit Sanofi nicht adäquat reflektiert. Die Fähigkeit zur Selbstfinanzierung von Forschungsprojekten sei außerdem ein Vorteil in Zeiten schwierigerer Refinanzierungsmöglichkeiten für Biotech-Unternehmen weltweit.

Beim Gewinn je Aktie wird für 2016 mit 0,02 Euro kalkuliert und für 2017 mit 0,03 Euro. Als Kursziel werden 4,60 Euro genannt, was der Notiz rein theoretisch gut 46 Prozent Luft nach oben lässt.