Grafik 1: Index der Frühindikatoren und US-Notenbankzins
Insbesondere sorgt sich die Fed um den US-Arbeitsmarkt, dessen "sich verlangsamende Erholung" Fed-Chefin Yellen explizit hervorhob. Und jeder Marktteilnehmer weiß, dass geldpolitische Äußerungen zum Arbeitsmarkt auf die Zins-Goldwaage zu legen sind. Tatsächlich deutet der auf 19 Subindikatoren basierende Labor Market Conditions Index der US-Notenbank seit Jahresbeginn auf eine im Trend zunehmende Verschlechterung der Arbeitsmarktbedingungen hin. Interessanterweise hat die Fed darauf sowohl 2000 als auch 2007 mit Zinssenkungen reagiert. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt besteht für weitere Zinserhöhungen kein Bedarf.
Grafik 2: Labor Market Conditions Index und US-Notenbankzins
Ihre Inflationsprognose hat die Fed für 2016 (1,4 nach zuvor 1,2 Prozent) zwar leicht angehoben. Ein Inflationsproblem ergibt sich daraus jedoch definitiv nicht. Denn unabhängig von einer unproblematischen Höhe spricht die Preiserwartungsebene eine andere Sprache. Die prospektiven 5-jährigen Inflationserwartungen für die kommenden fünf sind auf ein Rekordtief gefallen. Demnach besteht auf Jahre hinaus kein Grund für restriktive Zinspolitik seitens der Fed.
Grafik 3: 5-jährige Inflationserwartungen in 5 Jahren und US-Notenbankzins
Auf Seite 2: Auch die globale Konjunkturebene schreit förmlich gegen Zinserhöhungen
Auch die globale Konjunkturebene schreit förmlich gegen Zinserhöhungen
Als Mutter aller Notenbanken ist der Fed das globale Risiko von US-Leitzinsanhebungen bewusst. An Attraktivität gewinnende US-Zinsanlagen, die gleichzeitig zu US-Währungsgewinnen beitragen, konkurrieren dann mit unsicheren Investitionsbedingungen in Asien und Lateinamerika und führen zu einem Kapitalabzug in die USA. Die resultierenden Investitionsausfälle würden die ohnehin bereits angeschlagene Unternehmensstimmung im weltweiten Verarbeitenden Gewerbe endgültig in rezessives Terrain drücken. Diese weltkonjunkturelle Vollbremsung wird die Fed nicht riskieren.
Grafik 4: Unternehmensstimmung im Verarbeitenden Gewerbe weltweit und US-Notenbankzins
Der Fed zins-dämmert es
Eine vor diesem Hintergrund gerechtfertigte zinspolitische Zahmheit der Fed kommt in ihren gesenkten Zinsprojektionen gemäß "Dot Plot" für 2017 (1,6 nach zuvor 1,9 Prozent) und 2018 (2,4 nach 3,0) zum Ausdruck. Der Weg ist das Ziel. Aus Glaubwürdigkeitsgründen kann die US-Notenbank nicht einen noch weiteren Zins-Rückzug dokumentieren. Und dennoch, dieser bereits verflachte Zinserhöhungspfad untermauert die grundsätzliche Zinserhöhungsunwilligkeit der Fed. Bekräftigt wird sie durch die Anzahl der Fed-Mitglieder, die in diesem Jahr nur noch mit einer Zinserhöhung anstatt der zunächst angepeilten zwei rechnen. Während im März ein Mitglied mit nur einer Erhöhung rechnete, sind es nun sechs.
Wenn es denn unbedingt aus Glaubwürdigkeitsgründen sein muss - konjunkturell spricht nichts, aber auch nichts dafür - sollte dieser "symbolische" Zinsschritt am 27. Juli 2016 erfolgen, um Klarheit an den Finanzmärkten zu schaffen. Noch besser wäre es, wenn die Fed zu diesem Termin das Ende der Zinswende ausruft. Das wird sie in ihrem "Monetary Policy Statement" zwar nicht mit einem Aussagesatz der Marke "Es gibt keine Zinserhöhungen mehr" tun. Mit ihrer wundervollen Formulierungsfähigkeit ist sie aber dennoch fähig, den "Kaffeesatzlesern" der Finanzwelt zwischen den Zeilen zumindest tendenziöse zinsentspannende Botschaften zukommen zu lassen. In diesem Fall hilft sogar die Tatsache, dass keine ordentliche Pressekonferenz anberaumt ist. Man könnte also non-verbale Kommunikation betreiben und Zins-Zeichen setzen.
An den Finanzmärkten hat sich längst die Einschätzung breit gemacht, dass die Zinswende erst sehr spät fortgesetzt bzw. sogar bereits beendet ist. Laut Finanzdatenanbieter Bloomberg liegt die aus den Derivatemärkten - den Fed Funds Futures - abgeleitete Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung der Fed auf einer noch in diesem Jahr stattfindenden Notenbanksitzung erst für Dezember knapp über 30 Prozent. Und selbst für Januar 2017 fällt die Wahrscheinlichkeitseinschätzung für eine Zinserhöhung mit 36,2 Prozent äußerst gering aus.
Grafik 5: Marktbasierte Wahrscheinlichkeiten von US-Zinserhöhungen auf kommenden Fed-Sitzungen
Auf Seite 3: Gold läuft allen Anlageklassen den Rang ab
Gold läuft allen Anlageklassen den Rang ab
Die grundsätzlich zurückrudernde Zinsrhetorik der Fed verfehlt ihre Wirkung auf Edelmetalle nicht. Die Alternativrendite für Gold im Zinsbereich bleibt unattraktiv. Und die damit verknüpfte Umkehrung der Dollar-Aufwertung trägt zur fundamentalen Unterstützung des Goldpreises bei, der sich aus Absicherungsgründen entgegengesetzt zum US-Dollar entwickelt.
Grafik 6: US-Dollar, handelsgewichtet und Goldpreis
Tatsächlich hat der Goldpreis seit Jahresanfang nicht nur auf US-Dollar- sondern insbesondere auf Euro-Basis deutlich zugenommen. Dank Währungsgewinnen haben Euro-Anleger bereits seit Ende 2014 deutlich mehr Rendite aus ihren Gold-Investments ziehen können.
Grafik 7: Gold in Euro und US-Dollar
Als sicherer Anlagehafen profitiert Gold aber natürlich auch von der insgesamt pessimistischen und risikoaversen Anlegerstimmung, die durch die weltweiten geopolitischen Konflikte und Ängste vor einem EU-Austritt Großbritanniens zuletzt noch genährt wurde. Der Renditenotstand bei Zinsvermögen als größter konkurrierender Anlageform zu Edelmetallen - die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen ist zwischenzeitlich unter null gefallen - ist ebenfalls ein Argument für die aktuelle Renaissance von Gold. Entsprechend setzt sich die seit Jahresbeginn im Trend zu beobachtende Outperformance von Gold gegenüber den weltweiten Renten- als auch Aktienmärkten - gemessen am JPMorgan Global Bond Index bzw. MSCI World Index - fort. Auch zu Rohstoffen hat Gold seine Besserentwicklung zuletzt wieder aufgenommen. Bei einem Bremain würde Gold allerdings wieder Kursverluste hinnehmen müssen.
Grafik 8: Relative Wertentwicklung von Gold zu Welt-Aktien, -Anleihen und Rohstoffen, indexiert
Auf Seite 4: Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung - Die Brexit-Frage stellt die Fed in den Schatten
Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung - Die Brexit-Frage stellt die Fed in den Schatten
Mit einer erneut ausbleibenden US-Zinserhöhung und einer zurückhaltenden Zinsrhetorik der Fed ist ein maßgeblicher Unsicherheitsfaktor zumindest vorläufig beseitigt.
Für Beruhigung wird ebenso sorgen, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht am 21. Juni das Anleiheaufkaufprogramm der EZB nicht für unrechtmäßig erklärt oder sogar der Bundesbank verbietet, an diesem Programm teilzunehmen. Denn die Richter in roten Roben wissen um die ansonsten wiederbelebten systemischen Banken- und Staatsschuldenrisiken, die zu Kollateralschäden für ein ohnehin (sozial-)politisch angeschlagenes Europa führen können.
Der Elefant im Porzellanladen der Finanzmärkte bleibt jedoch die Abstimmung Großbritanniens über den Verbleib in der EU in der nächsten Woche.
Die von einem Brexit-Szenario ausgehende Unsicherheit hinterlässt ihre Spuren dabei auch am US-Aktienmarkt. Die spekulativen Finanzanleger zeigen sich vorsichtiger und haben mit dem Abbau ihrer Netto-Long-Positionen begonnen, was in der Folge zu Kursverlusten bei US-Aktien führt.
Grafik 9: Spekulative Netto-Long Positionen am US-Aktien-Futures-Markt und US-Aktienmarkt
Tatsächlich ist festzustellen, dass sich das Lager der Austrittbefürworter seit etwa zwei Wochen merklich vergrößert hat. Die daraus resultierende Verunsicherung lässt auch den DAX nicht kalt, dessen Volatilität auf das höchste Niveau seit August 2015 angestiegen ist. Gemessen am VDAX-New Volatilitätsindex bewegt sich der DAX in den nächsten 30 Handelstag damit zwischen 8.679 und 10.637 Punkten.
Grafik 10: Deutscher Aktienmarkt (DAX) sowie Kursschwankungen deutscher Aktienmarkt laut VDAX-New Volatilitätsindex
Auf Seite 5: Charttechnik DAX - Die Lage bleibt angespannt
Charttechnik DAX - Die Lage bleibt angespannt
Aus charttechnischer Sicht liegen im DAX auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände zwischen 9.735 und 9.780 Punkten. Darüber treten die nächsten Hürden bei 9.820 und 9.875 in den Vordergrund. Im Falle einer Fortsetzung der Korrektur gibt zunächst die Unterstützung bei 9.650 Punkten Halt. Darunter liegen weitere Unterstützungen bei 9.550 und 9.430.
Der Wochenausblick für die KW 25 - To be or not to be a member of the European Union
Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anleger gilt dem Referendum der Briten über den Verbleib oder den Ausstieg in bzw. aus der EU am Donnerstag, den 23. Juni 2016. Vor dem frühen Freitagmorgen sind keine belastbaren Ergebnisse zu erwarten.
In Japan verschlechtert sich der Konjunkturzustand laut weiterhin schwachem Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe sowie rückläufigen Exportzahle.
In den USA signalisieren wieder schwächere Auftragseingänge langlebiger Güter sowie ein verhaltenes Konsumentenvertrauen der University of Michigan den angeschlagenen Zustand der amerikanischen Konjunktur. Vom US-Immobiliensektor ist gemäß Neubau- und Wiederverkäufe keine Dynamisierung zu erwarten.
In der Eurozone spiegeln die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe eine stabile, aber wenig dynamische Konjunkturentwicklung wider. Das gilt ebenso für die deutsche Wirtschaft, die sich zwar mit stabilen, aber insgesamt noch eher blutarmen Stimmungsdaten von ifo und ZEW der verhaltenen weltkonjunkturellen Entwicklung nicht entziehen kann.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.