Unterhändler von EU-Parlament, Mitgliedsländern und EU-Kommission einigten sich am Donnerstag nach einer nächtlichen Marathonsitzung in Brüssel auf einheitliche Regeln zur Abwicklung maroder Banken. Mit dem Kompromiss, der der Finanzbranche höhere Lasten aufbürdet, sollen Steuerzahler künftig seltener zur Kasse gebeten werden, wenn ein großes Institut ins Straucheln gerät. Stattdessen müssen Aktionäre, Gläubiger und vermögende Sparer mehr bluten. Kurz vor der gemeinsamen Abwicklung, die Anfang 2015 starten soll, nimmt ab November die gemeinsamen Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre Arbeit auf.

Der für die Abwicklung nötige Fonds, um dessen Ausgestaltung in Brüssel lange gerungen worden war, soll nun in acht statt wie bisher geplant in zehn Jahren von den Banken aufgebaut werden. Das gilt sowohl für die Einzahlung als auch für die Vergemeinschaftung der Gelder. Zunächst zahlen die Institute ihre Abgaben in nationale "Kammern" des Fonds ein, die deutschen Geldhäuser tragen hier einen großen Anteil. Alle Banken müssen damit in kürzerer Zeit mehr schultern, um die angepeilte Zielsumme von 55 Milliarden Euro aufzubringen. Eine Vergemeinschaftung der Gelder geht schrittweise über die Bühne - im ersten Jahr sind es 40 Prozent der eingezahlten Summe, im zweiten 20 Prozent.

Der Bankenverband als Vertretung privater Geldhäuser in Deutschland begrüßte, dass alle Institute in den Fonds einzahlen müssten. "Letztlich profitieren alle Institute von Maßnahmen zur Sicherstellung der Finanzmarktstabilität", erklärte Verbands-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Die Sparkassen wehren sich dagegen: "Eine Bankenregulierung, die die Substanz regional tätiger Kreditinstitute schwächt, um Risiken internationaler Großbanken abzusichern, ist weder angemessen noch fair", sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon.

Wie genau die Gebühren von den Geldhäusern ausgestaltet werden, muss noch von EU-Kommission und Finanzministern der EU-Länder ausgehandelt werden. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso äußerte sich zufrieden: "Der erreichte Kompromiss wird das Vertrauen und die Stabilität der Finanzmärkte stärken." Der deutsche Europa-Abgeordnete Burkhard Balz (CDU) sprach von einem "Meilenstein". Europa habe seine Handlungsfähigkeit bewiesen.

24 STUNDEN BIS ZUR ENTSCHEIDUNG

Streit hatte es lange Zeit vor allem darüber gegeben, wer am Ende die Entscheidung treffen soll, dass eine Bank ihre Pforten schließen muss. Dem nun gefundenen Kompromiss zufolge soll ein solcher Prozess zunächst von der EZB-Aufsicht angestoßen werden. Anschließend befasst sich das fünfköpfige Steuerungsgremium des Fonds, das sogenannte Board, mit dem Fall. Die EU-Kommission kann das Votum dieses Boards dann billigen oder zurückweisen und soll zudem den Finanzministerrat der EU-Staaten informieren.

Die Abwicklung einer Bank kann so innerhalb von 24 Stunden eingeleitet werden, wenn Kommission und Länder keinen Einspruch erheben. Kritiker hatten moniert, dass vorherige Vorschläge zu kompliziert waren, um im Krisenfall rasch einen tragfähigen Beschluss fassen zu können. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier erklärte angesichts der jahrelangen Debatte über einen Schutzwall für Europas Steuerzahler: "Der Abwicklungsmechanismus mag keine perfekte Konstruktion sein, aber er erlaubt nun die schnelle und effektive Abwicklung einer grenzüberschreitend tätigen Bank." Der Kompromiss werde sich als deutlich effizienter erweisen als ein Netz nationaler Behörden. Eine solche Lösung hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lange favorisiert. Er äußerte sich dennoch zufrieden: Private Gläubiger würden künftig von Anfang an beteiligt. Die Risiken für die Steuerzahler würden minimiert.

Harsche Kritik kam von dem renommierten Finanzexperten Paul De Grauwe. "Das Schlüsselelement einer Bankenunion ist eine Institution mit finanzieller Schlagkraft. Die gibt es nicht, also haben wir auch keine Bankenunion", sagte der Professor an der London School of Economics zu Reuters. "Die Idee war ursprünglich, die fatale Umarmung von Banken und Staaten zu durchtrennen. Aber wenn es jetzt wieder eine Bankenkrise geben sollte, dann wären wir wieder zurückgeworfen ins Jahr 2008 und jedes Land stünde für sich alleine gerade."

Nach Angaben von EU-Parlamentariern waren die Beratungen zur Bankenabwicklung zwischen den EU-Institutionen die längsten, die es je gegeben hat. Die Unterhändler standen unter Zugzwang, weil das EU-Parlament die Beschlüsse noch verabschieden muss, bevor es Mitte April vor den Europawahlen ein letztes Mal tagt. Neben dem Parlament müssen auch die Mitgliedsländer dem nun gefundenen Kompromiss noch zustimmen. Ursprünglich sollte eine einheitliche Einlagensicherung noch Teil der Bankenunion sein, aber nach massivem Protest auch aus dem deutschen Sparkassenlager wurden diese Pläne wieder gekippt.

Reuters