Der Begriff "Fintech" hat Hochkonjunktur. Immer häufiger taucht das für "Financial Technology" stehende Kürzel in den Medien auf. Aus gutem Grund: Die Digitalisierung könnte dem Banken- und Versicherungssektor ein völlig neues Gesicht geben. Das Fintech-Spektrum ist groß. Darin finden sich mithilfe der Blockchain-Technologie geschöpfte Kryptowährungen genauso wie mobile Bezahldienste, Crowdfinanzierer oder Online-Vermögensverwalter.
Rund um den Globus drängen junge Unternehmen mit innovativen Lösungen auf die Bühne - und wecken Begehrlichkeiten bei Finanzinvestoren: Laut Zahlen von CB Insights wurde im Jahr 2017 Wagniskapital mit einem Rekordvolumen von 16,6 Milliarden US-Dollar in Fintech-Start-ups gesteckt. Gegenüber dem Vorjahr dehnte sich diese Summe damit um mehr als ein Fünftel aus (siehe Seite 3).
Mitten im Geschehen ist Finlab. Das Unternehmen entwickelt auf der einen Seite als Inkubator Start-ups aus dem Fintech-Bereich und stellt darüber hinaus Wagniskapital bereit. Mit Deposit Solutions könnte eine echte Perle im Portfolio liegen. Die Bewertung des Betreibers einer Open-Banking-Plattform hat sich seit dem Einstieg der Frankfurter im Herbst 2015 verneunfacht. Finlab selbst zählt zu den Gründungsmitgliedern des kürzlich gestarteten Scale-30-Index. In dieser Benchmark führt die Deutsche Börse die 30 liquidesten Aktien auf Scale, dem Segment für kleine und mittlere Unternehmen. Mit der Indexaufnahme dürfte die Finlab-Aktie bei institutionellen Investoren verstärkt auf den Schirm kommen. Ungeachtet dessen bietet der jüngste Rücksetzer des Small Caps eine Einstiegsgelegenheit für mutige Anleger.
Unter Druck geriet im Zuge der Marktkorrektur auch die Fintech Group. An den starken operativen Aussichten des Unternehmens hat sich jedoch nichts geändert. Der eigene Onlinebroker Flatex konnte die Zahl der Kunden in den vergangenen drei Jahren um mehr als die Hälfte auf über 205 000 steigern. 2018 möchte das Unternehmen mindestens 30 000 weitere Nutzer für Flatex gewinnen. Im sogenannten B2B-Geschäft bietet die Fintech Group Privat- und Spezialbanken die eigenen Systeme an. Neben der technologischen Robustheit wirbt das Management hierfür mit deutlichen Kosteneinsparungen. Offenbar mit Erfolg: Zu den strategischen Partnern des Unternehmens zählen Commerzbank und Deutsche Bank, beide Häuser nutzen außerbörsliche Handelssysteme der Fintech Group.
Vorstandschef Frank Niehage möchte weiter kräftig wachsen. 2018 soll der Konzernumsatz auf rund 120 Millionen Euro zulegen. Beim Gewinn stellt er 24 Millionen Euro in Aussicht. Zunächst allerdings gilt es, die 2017er-Ziele einzutüten. Sie sehen bei Erlösen von mehr als 100 Millionen Euro einen Überschuss von mehr als 16,8 Millionen Euro vor. Am 1. April präsentiert Niehage den Abschluss des vergangenen Jahres. Wir sehen gute Chancen, dass der Dauerfavorit von BÖRSE ONLINE spätestens dann die jüngste Schwächephase beendet.
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Eidgenossen mit Fintech-Gespür
Weniger die allgemeine Börsenkorrektur als vielmehr eine Managemententscheidung setzte Temenos zuletzt mächtig unter Druck. Der Spezialist für Bankensoftware möchte den britischen Mitbewerber Fidessa für umgerechnet 1,6 Milliarden Euro übernehmen. Seit die Schweizer den Deal ankündigten, gab ihr Aktienkurs um rund acht Prozent nach. Offenbar stören sich Börsianer unter anderem an der geplanten Kapitalerhöhung bei Temenos. Sie verweisen zudem auf das schwache Wachstum des auf Software für den Aktienhandel spezialisierten Übernahmeziels. Ungeachtet dessen könnte der US-Milliardär Paul Singer den Eidgenossen einen Strich durch die Rechnung machen. Über seinen Hedgefonds Elliott ist er mit gut vier Prozent bei Fidessa eingestiegen. Der aktivistische Investor ist dafür bekannt, bei solchen Transaktionen auf einen höheren Preis zu drängen.
Temenos-Chef David Arnott sagt dazu nichts. Vielmehr streicht er die Logik hinter der Übernahme heraus: "Wir haben einige Ideen, um rasche Umsatzsynergien zu gewinnen." Insbesondere aus geografischer Sicht würden sich die Vertriebsstrukturen von Temenos und Fidessa gut ergänzen. Auch wenn der Zukauf Unwägbarkeiten birgt: Die Schweizer stellen ihr Gespür für die technologischen Trends im Bankensektor seit Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten unter Beweis - diese Stärke sollte sich über kurz oder lang an der Börse wieder durchsetzen.
Für Anleger, die dennoch vor einem Direktinvestment zurückscheuen, bietet der Solactive Fintech 20 Index eine diversifizierte Alternative. Für diesen Gradmesser kommen Unternehmen infrage, die einen signifikanten Umsatzanteil im Fintech-Bereich erwirtschaften. Wenig überraschend geben US-Aktien in dem Index den Ton an. Neben Temenos hält der deutsche Zahlungsabwickler Wirecard die europäische Fahne hoch. Über ein Tracker-Zertifikat der UBS können sich Anleger die Auswahl ins Depot holen und darauf setzen, dass der Begriff "Fintech" noch lange Hochkonjunktur hat.