Für Frankreich brechen die Wochen der Wahrheit an. Aktuell deutet alles darauf hin, dass der liberale Newcomer Emmanuel Macron und die rechtsradikale Marine Le Pen im entscheidenden zweiten Wahlgang am 7. Mai darum kämpfen werden, wer der nächste Staatspräsident wird.
Der steht vor der schwierigen Aufgabe, die dauerhaft kriselnde französische Wirtschaft wieder in die Spur zu bringen. Mit 1,1 Prozent fiel das Wirtschaftswachstum auch 2016 schwächer aus als von der scheidenden Regierung Hollande erwartet. Immerhin lieferte die anziehende Binnenkonjunktur einen Lichtblick. Der Außenhandel schwächte sich dagegen weiter ab und untermauerte einmal mehr die Position Frankreichs als wirtschaftlich kranker Mann Europas.
Bei den Unternehmen, an den Finanzmärkten und bei wachsenden Teilen der Bevölkerung gelten die überfälligen Strukturreformen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt als wichtigste Aufgaben, die von der neuen Regierung angepackt werden müssen. Macron liegt derzeit in den Umfragen vorn. Der 39-Jährige gilt als unverbrauchter Hoffnungsträger, der nicht der etablierten politischen Klasse angehört und mit Reformschritten wie niedrigeren Unternehmenssteuern für neuen Schwung sorgen soll.
Börsianerliebling Macron
Ein Wahlsieg Macrons, darüber sind sich Finanzexperten einig, würde die Börsen weiter beflügeln. "Neben einer Entspannungsrally für französische Wertpapiere würden die europäischen Märkte ihre jüngste Outperformance gegenüber den USA nochmals verstärken. Gerade bei internationalen Investoren ist der wirtschaftliche Blick dann nicht mehr von größeren politischen Risiken eingetrübt", meint Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank. "Sollte Le Pen gewinnen, wird der europäische Aktienmarkt massiv verlieren, und im Gegenzug werden deutsche Staatsanleihen gewinnen."
Vor allem internationale Investoren bleiben noch an der Seitenlinie. "Anders als Großbritannien, Deutschland und die Schweiz sind französische Titel nicht das Erste, was Investoren einfällt, wenn sie sich in Europa engagieren wollen. Deshalb werden sie noch mit einem Bewertungsabschlag gegenüber ihren europäischen Pendants gehandelt", erläutert Halver. So hat der Leitindex der Pariser Börse, der CAC 40, seit Anfang 2017 um 4,8 Prozent zugelegt und damit schlechter abgeschnitten als DAX und Euro Stoxx 50 (siehe Tabelle Seite 3).
Wer sich aber bereits vor dem Wahlausgang positioniert, setzt auf kräftige Kursgewinne, die ein Sieg Macrons mit größter Wahrscheinlichkeit auslösen wird. Im Blickfeld stehen dabei erst einmal Bluechips. Bei den meisten Nebenwerten ist davon auszugehen, dass Anleger zunächst abwarten, ob erste Reformschritte sich in anziehenden Auftragseingängen und höheren Gewinnprognosen positiv niederschlagen werden.
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Wo Anleger jetzt zugreifen sollten
Erste Wahl bleiben Unternehmen, deren Absatzmärkte international aufgestellt oder die Nutznießer steigender öffentlicher Ausgaben sind. In beide Kategorie fällt der Bau- und Infrastrukturkonzern Vinci. Der Betreiber von Flughäfen und Autobahnen ist in rund 100 Ländern aktiv. Dank anhaltender Niedrigzinsen kann Vinci seine Projekte günstig refinanzieren.
Auch die Luxuskonzerne LVMH und Kering sind international aufgestellt. Die neue Kauflaune in Schwellenländern, aber auch in Europa und den USA sorgte zuletzt für wieder anziehende Erlöse und Margen. Gestiegen sind aber auch die Aktienkurse. Deshalb ist in diesem Feld der Kosmetikkonzern L’Oréal mit seinen Edelmarken wie Garnier, Lancôme oder The Body Shop die bessere Wahl. Mit einem 2018er-KGV von 24 ist die Aktie zwar nicht mehr günstig. Allerdings werden Kosmetikfirmen an der Börse eher als defensive Investments gehandelt, denn bei der Absatzentwicklung zeigt die Branche eine vergleichbare Stabilität wie der Verkauf von Lebensmitteln oder Medikamenten.
ETFs sind ein geeignetes Vehikel, um an einem Nachholeffekt auf breiter Front mitzuverdienen. Der von iShares aufgelegte MSCI France UCITS (WKN: A12 ATD) bildet die 70 umsatzstärksten Unternehmen des französischen Marktes ab und hat in den vergangenen zwölf Monaten 20 Prozent an Wert gewonnen. Das Produkt ist nach Sektoren breit gestreut, die Gewichtung wird im sechsmonatigen Turnus überprüft. Bei den ETFs auf den CAC 40 ist der Amundi ETF CAC 40 UCITS von Kostenstruktur und Performance zu bevorzugen. Weil es sich beim CAC 40 im Gegensatz zum DAX um einen Kursindex handelt, fließen Dividenden nicht mit ein.
Wer es einen Tick spekulativer mag, legt sich als Beimischung die Aktien von Nischenplayern ins Depot, deren Geschäft weitgehend unabhängig vom Wahlausgang ist. Ingenico ist top mit Kassenterminals für das elektronische Bezahlen im Einzelhandel. Analysten erwarten, dass sich das Gewinnwachstum bis 2018 wieder beschleunigen wird. DBV Technologies, unsere Dauerempfehlung unter den französischen Biotechs, erwartet 2017 die zulassungsrelevanten klinischen Ergebnisse für ein Heilmittel gegen Erdnussallergien, für das die Firma die alleinigen Vermarktungsrechte besitzt.