Ex-Goldman-Chef Lloyd Blankfein sieht ein nahezu ideales Umfeld: Trotz Risiken bleibt er 100 % in Aktien investiert, spürt aber eine gewisse innere Unruhe.
Kaum ein Wall-Street-Veteran hat so viele Krisen hautnah erlebt wie Lloyd Blankfein. Der langjährige Goldman-Sachs-Chef stand etwa am 11. September 2001 im Zentrum von Manhattan, steuerte die Investmentbank durch die Finanzkrise von 2008 und prägte über Jahrzehnte das Risikobewusstsein an den globalen Märkten.
24 Jahre nach den Anschlägen äußert sich Blankfein auf CNBC nicht als vorsichtiger Mahner, sondern als kompromissloser Optimist: "Ich bin zu 100 Prozent in Aktien investiert."
Unbedenkliches Umfeld – Zinsen runter, Kurse hoch
Blankfein sieht die Märkte in einer seltenen, geradezu paradoxen Lage. Die US-Notenbank steht kurz davor, die Zinsen zu senken, obwohl die Aktienindizes bereits nahe ihrer Höchststände notieren. Normalerweise reagiert die Fed mit Lockerungen auf Krisen – diesmal aber stützt sie einen intakten Bullenmarkt. Für Blankfein ist das eine „epische“ Ausgangslage: Liquiditätsschub und Wachstumsfantasie vereinen sich.
Sein Fazit: „Das Setup für die Märkte ist im Kern unbedenklich““ Anleger sollten sich nicht von kurzfristigen Sorgen um Zölle, Wahlkampf oder geopolitische Risiken aus der Ruhe bringen lassen.
Die unterschätzten Gefahren: „Wir sind längst wieder fällig“
Ganz ohne Warnungen kommt Blankfein jedoch nicht aus. Der ehemalige Investmentbanker bleibt seinem Risikomanager-Instinkt treu und verweist auf unsichtbare Hebel im Finanzsystem. Besonders kritisch sieht er die enge Spreads am Kreditmarkt und die wachsende Bedeutung von Private Credit. Dort locken höhere Renditen, doch Versicherungen und Rückversicherer packen zunehmend illiquide, schwer bewertbare Assets in ihre Bücher.
„Wenn ich heute Versicherungsaufseher wäre, würde ich mich fragen: Sind diese Vermögenswerte wirklich so viel wert, wie die Unternehmen behaupten? Und reichen sie im Ernstfall, um die langfristigen Verpflichtungen zu decken?“ Blankfein erinnert daran, dass Krisen fast immer aus den Bereichen entstehen, die Anleger nicht im Blick haben. Von der Russlandkrise 1998 über das Platzen der Dotcom-Blase bis hin zur Subprime-Katastrophe 2007 – die „Krise des Jahrhunderts“ trete im Schnitt alle vier bis fünf Jahre auf.
Zwischen Euphorie und Unruhe
Blankfeins Aussagen spiegeln ein Paradoxon wider: Einerseits bezeichnet er die Märkte als „voller Rückenwind“. Andererseits gesteht er: „Ich habe seit 2007 nicht mehr so ein gutes Gefühl – und genau das macht mir Angst.“ Für den früheren Goldman-CEO gilt: Wer sich nur auf die eigene Prognose verlässt, läuft Gefahr, blind zu werden. Daher empfiehlt er, ständig nach den unerwarteten Risiken zu suchen und sogenannte „Tail-Risks“ abzusichern.
Seine eigene Strategie formuliert Blankfein klar: „Ich wollte immer Lottoscheine besitzen, nicht sie ausgeben.“ Das bedeutet: lieber Chancen auf extreme Gewinne im Portfolio halten, als sich durch riskante Strukturen selbst in die Haftung zu begeben.
Mag 7 als Stabilitätsanker: Warum die Großen noch größer werden
Bemerkenswert ist, dass Blankfein die größten Technologiekonzerne – die „Mag 7“ – nicht als Risiko, sondern als Stabilitätsanker sieht. Anders als in früheren Technologiewellen könnten die größten Unternehmen heute die immensen Investitionen in neue Technologien schultern. „Größe ist normalerweise der Feind von Wachstum“, sagt Blankfein. „Doch aktuell sind es gerade die größten Konzerne, die am besten positioniert sind, um die Chancen der neuen Technologien auszuschöpfen.“
Blankfeins Botschaft ist also zweischneidig. Er ist zugleich skeptischer Risikomanager und entschlossener Investor. Für den Moment überwiegt für ihn die Aussicht auf steigende Kurse: Seine Haltung bringt es auf den Punkt: „Ich habe all diese bearishen Gedanken – aber ich bin 100 Prozent in Aktien investiert.“ Ein Satz, der Anlegern Mut macht, zugleich aber als Mahnung verstanden werden kann. Man muss sich des Risikos stets bewusst sein.
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