Geld alleine macht zwar nicht immer glücklich, beruhigt aber ungemein. Davon kann Japan ein Lied singen. Trotz massiver geldpolitischer Intervention und damit der Absicht, den japanischen Yen zum Zwecke der Exportstärkung zu schwächen, hat dieser seit Jahresanfang 2015 gegenüber den wichtigsten Handelswährungen im Trend um rund 10 Prozent aufgewertet. Maßgeblich hierfür sind vor allem die überkompensierenden Ängste vor einem hard landing Chinas. Sie führen zu einer Kapitalflucht in die als sicher empfundene japanische Währung. Und diese Aufwertung verstärkt die Importschwäche Chinas als wichtigstem Handelspartner Japans zusätzlich.
Über Währungsabwertung kommt neben China übrigens ebenso die Eurozone in den Genuss einer künstlichen Exportstimulierung.
Aber auch die Unsicherheit des chinesischen Aktienmarkts strahlt negativ auf Japan aus. Die Schwäche des Shanghai Composite wird als Indiz für die Zurückhaltung chinesischer Investoren und Konsumenten gewertet, die früher oder später auch Japan als Anrainerwirtschaft zu spüren bekommt. So hat der Nikkei 225 seit seinem Hoch im Juni 2015 ca. 16 Prozent verloren.
Inflationsbelebung in Japan bleibt eine Illusion
Mit Blick auf die fallenden Rohstoffpreise ist auch kein Ende des japanischen Deflationsdrucks abzusehen. Die Inflationsrate liegt mit 0,3 Prozent nur knapp über der Deflationsgrenze und man muss sogar annehmen, dass statistisch nachgeholfen wurde. Damit steigen erneut die Risiken, dass Unternehmen ihre Investitionen und Konsumenten Käufe vor allem langlebiger Güter zeitlich immer weiter hinauszögern, da sie auf den vermeintlich tiefsten Preis warten. Genau dies führte zu einer nachhaltigen Deflation in Japan, die die Wirtschaft zwei Jahrzehnte gekostet hat. Die zur Kompensation aufgelegten staatlichen Konjunkturpakete haben zwar zu einer unfassbaren Staatsverschuldung beigetragen, die jedoch aufgrund des Deflationsvirus vollständig verpufft sind.
Aufgrund der trügerischen Hoffnung, dass die Rohstoffpreise wieder anziehen, die hässliche Fratze der japanischen Deflation erneut zuzulassen, wäre grob fahrlässig. Die japanischen Inflationserwartungen sind bereits wieder deutlich gefallen. Ein erneutes massives Eingreifen der Bank of Japan hat mit geldpolitischer Stabilität schon lange nichts mehr gemein. Doch in der Deflations-Not frisst der Teufel Fliegen.
Yen-Abwertung als erklärtes Ziel der Bank of Japan
Entgegen offiziellen Behauptungen wird Japan zukünftig wieder verstärkt auf die Schwächung des Yen zur Stützung der heimischen Exportindustrie setzen müssen. Angesichts der demographischen Überalterung und der damit verbundenen Konsumschwäche kann die Stärkung der Binnennachfrage nicht der primäre konjunkturpolitische Ansatzpunkt sein. Zur Ankurbelung der Kreditvergabe ahmt die japanische Notenbank die EZB nach: Sie führt einen negativen Einlagenzins mit minus 0,1 Prozent für Geschäftsbanken ein. Das Parken von Liquidität bei der Notenbank wird jetzt auch in Japan bestraft. Die Erfahrungen in der Eurozone legen aber nahe, dass diese Maßnahme von geringem Erfolg gekrönt ist: Angesichts der allgemeinen Wirtschaftsschwäche in Japan und in den Emerging Markets fehlt es an ausreichend attraktiven Investitionsobjekten.
Insbesondere die Liquiditätsstrategie der Bank of Japan und ihre Währungsabwertungspolitik ist so etwas wie der geldpolitische Blankoscheck, der den Nikkei 225 bis Jahresende zu Indexständen von über 19.000 Punkten treiben wird. Nicht zuletzt erhofft sich damit die Tokioter Regierung eine Stimmungsaufhellung der japanischen Konsumenten.
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Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung im Reality Check
Die mindestens psychologisch angeschlagenen Konjunkturvisionen der Schwellenländer hinterlassen auch Spuren in der deutschen Wirtschaft. Setzt man die ifo Geschäftslage und -erwartungen gemäß den vier Konjunkturphasen zueinander in Bezug, droht die deutsche Wirtschaft demnach auf Stimmungsebene vom Boom in den Abschwung abzurutschen. Die ifo Geschäftslage zeigt sich zwar stabil, restriktive Signale senden aber die fallenden Geschäftserwartungen aus.
Insgesamt wird der noch vergleichsweise stabile ifo Geschäftsklima-Gesamtindex vor allem vom Subindex Handel und damit der robusten Konsumlaune der Deutschen genährt. Dagegen zeigt sich das Geschäftsklima im Kernbereich der deutschen Wirtschaft, dem Verarbeitenden Gewerbe, auf dem niedrigsten Stand seit Dezember 2014 klar eingetrübt.
Mit einem robusten Geschäftsergebnis für das abgeschlossene Quartal und sogar einer angehobenen Gewinnprognose für 2016 sorgt Siemens für Lichtblicke in der deutschen Industrielandschaft. Vor allem die solide Nachfrage Chinas nach Medizintechnik verdeutlicht, dass sich die Wirtschaft Chinas besser entwickelt als der Blick auf den Neuen Markt-ähnlichen Aktienmarkt in Shanghai signalisiert.
Es bleibt die absolute Bringschuld der chinesischen Geldpolitik, über eine Stabilisierung des Aktienleitindex Shanghai Composite übertriebene Zweifel an der Verfassung der chinesischen Konjunktur auszuräumen. Gerade in der aktuell verunsicherten Finanzmarktlage kommt China an diesen planwirtschaftlichen Stützungsaktionen nicht vorbei.
Die Risiken scheint der Aktienmarkt mittlerweile gut eingepreist zu haben. Die Anleger sind mittlerweile bereit, über den Tellerrand der Verunsicherung, wenn nicht sogar Panik, hinauszuschauen. Chancen finden auch wieder Beachtung. Dazu gehören ein sich allmählich in Bodenbildung befindlicher Ölpreis und die Einschätzung, dass eine Wiederholung der Probleme wie 2008 verhindert wird.
Ohnehin bleibt in der Eurozone die "Liquidität" ein massives Basisargument für die Aktienmärkte. Auf der nächsten Sitzung der EZB Mitte März wird sie bei dann vermutlich gesenkten Inflations- wenn nicht sogar zurückgenommenen Wachstumsprojektionen ihre Liquiditätsaktivitäten ausweiten. Mario Draghi hat zuletzt mehr als deutlich gemacht, dass das Erreichen des Inflationsziels von 2 Prozent eine Bringschuld der EZB ist.
Die freizügige Liquiditätspolitik der EZB sorgt auch über den Rentenmarkt für eine Attraktivitätssteigerung von deutschen Aktien. Unter Verwendung der Bewertungsmethode "Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)" sind deutsche Staatsanleihen mit fast 400 dramatisch höher bewertet als Aktien mit ca. 11.
Die Geldpolitik u.a. der EZB hat aber auch die globale Liquiditätsdimension im Blick. Konkret geht es um das Absaugen der Devisenreserven der Schwellenländer im Zuge der Finanzierung ihrer konjunkturellen Stabilisierungsprogramme. Neben der Gefahr von Renditeerhöhungen bei Anleihen - Devisenreserven werden typischerweise in Staatsanleihen westlicher Länder investiert - würde die weltweite finanzwirtschaftliche Stimmung auch quantitativ durch diesen "Liquiditätsstaubsauger" unnötig beeinträchtigt. Dem muss u.a. die EZB mit ihrem Liquiditätsgebläse entgegentreten.
In dieses entspannte geldpolitische Bild passen ebenso die Äußerungen der US-Notenbank anlässlich ihrer letzten Sitzung. Mit ihrem Verweis auf die verhaltene weltkonjunkturelle Stimmung hat die Fed verdeutlicht, dass sie nicht zuletzt die globale Konjunkturverfassung im Blick hat. Sie weiß, dass eine zinspolitische und damit auch währungsseitige Attraktivitätssteigerung des Investmentstandorts USA massive Anreize darstellt, Kapital aus den Emerging Markets abzuziehen und in den USA anzulegen. Deren wirtschaftliche Probleme mit globalen Konsequenzen - auch für die USA - würden sich definitiv vertiefen. Insgesamt hat Frau Yellen damit eine Zinserhöhungspause angedeutet. In der Tat verschlechtert sich die Lage der US-Industrie deutlich. Davon zeugt der massive Rückgang der Auftragseingänge für zivile Kapitalgüter ohne Transport, ein Kernmaß für die Investitionsbereitschaft von Corporate America. Und die Stimmungseintrübung gemäß ISM Index für die US-Industrie deutet auf eine noch weitere Eintrübung der Lage hin. Sicherlich ist die Lage im US-Dienstleistungsgewerbe deutlich stabiler. Und dennoch sind negative Ausstrahlungen nicht zu unterschätzen. Amerikas Wirtschaft ist nicht das, was sie einmal war. Konkret dürfte die Fed mit einer Senkung ihrer Konjunktur- und Inflationsprojektionen auf der kommenden Notenbanksitzung im März weitere Zinserhöhungen bis weit in das 2. Halbjahr 2016 verschieben und damit sogar die Tür für ein generelles Ende weiterer Zinsrestriktionen öffnen.
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Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50 - Reif für eine Erholung
Charttechnisch warten im DAX auf der Oberseite Widerstände bei 9.800 und in der Kurslücke zwischen 9.884 und 9.929 Punkten. Darüber verlaufen weitere Barrieren bei 10.123, 10.208 und am kurzfristigen Abwärtstrend bei aktuell 10.393 Punkten, bevor die Hürden bei 10.486 und 10.743 in Angriff genommen werden. Auf der Unterseite verlaufen erste Unterstützungen bei 9.600, 9.325 und am langfristigen Aufwärtstrend bei zurzeit 8.700.
Im Euro Stoxx 50 liegen erste Hürden im Bereich um 3.027, 3.084 und 3.137 Punkten. Weitere Widerstände verlaufen bei rund 3.200 und zwischen 3.290 und 3.325 Punkten. Unterstützungen findet der Index bei 2.950 und darunter bei 2.850 sowie 2.550 Punkten.
Der Wochenausblick für die KW 5 - Stabilisierung in China?
In China signalisieren sowohl der offizielle als auch der Caixin Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe erste konjunkturelle Stabilisierungstendenzen.
In den USA bleibt es fraglich, ob sich der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe nach seinem Verfall unter die Expansion anzeigende Schwelle stabilisieren kann. Die Auftragseingänge in der Industrie fallen erneut schwach aus. In den US-Arbeitsmarktdaten kommt die Industrieschwäche dank des robusten Dienstleistungssektors zwar nicht zum Ausdruck. Allerdings dürften die Konsumausgaben weitestgehend stagniert haben.
In Deutschland schlägt sich die Nachfrageschwäche der Schwellenländer in ebenfalls schwachen Auftragseingängen in der Industrie nieder.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.