Die Corona-Krise trifft Frauen besonders hart. Frauen stellen weltweit 70 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen und sind deshalb besonders dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Dazu sind größtenteils Frauen in unterbezahlten Tätigkeiten beschäftigt und haben es schwer, eine neue Arbeit zu finden, wenn der alte Job im Zuge der Pandemie weggefallen ist. Und Mädchen sind am meisten benachteiligt, wenn in Entwicklungsländern die Schulen aufgrund der Pandemie geschlossen bleiben und die Familien in wirtschaftliche Not geraten.

"Covid-19 ist ein klarer Rückschritt für die Gleichberechtigung von Frauen bei Bildung und Arbeit", stellt Maritza Cabezas Ludena ernüchtert fest. Mittel- bis langfristig, meint die Anlagestrategin der auf Nachhaltigkeitsinvestments spezialisierten Triodos Investment Management, lasse sich die Gleichstellung der Frauen nur realisieren, wenn sie finanziell den Männern gleichgestellt sind. Für Claudia Barghoorn, Anlageexpertin bei Fidelity Deutschland, bedeutet Gleichstellung auch, Versorgungslücken zu schließen: "Nach einer von uns mitorganisierten Studie erhalten Frauen mehr als ein Viertel weniger Bruttorente vom Staat als ihre männlichen Kollegen - obwohl sie über gleiche Qualifikationen verfügen und den gleichen Berufstitel tragen."

Um diese Missstände zu beseitigen, wollen in der Finanzwelt immer mehr wirtschaftliche Initiativen die Rolle der Frau in der Gesellschaft aufwerten und deren wirtschaftliche Chancen verbessern. Gender Lens Investing ist das Schlagwort für einen Investmentprozess, bei dem die weibliche und die männliche Sichtweise gleichermaßen berücksichtigt wird. Das betrifft die Geschlechterdiversität in den Führungsebenen und die Gleichberechtigung in der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Auf der Produktseite richtet sich der Blick auf Dienstleistungen, mit denen sich der Lebensstandard von Frauen verbessern lässt.

In der Praxis kann das die Finanzierung von Firmen sein, die von Frauen gegründet und geleitet werden. So investiert Triodos mit Fonds in Finanzinstitute, deren Kredite zu 75 Prozent an Frauen und weibliche Unternehmer gehen. Das Spektrum reicht von Start-ups über Handelsgesellschaften bis zu Kaffeefarm-Betreiberinnen. Andere Fondsprodukte investieren in Anleihen und Aktien von börsennotierten Unternehmen, die ausgewogene Gehälter bezahlen, Menschen mit Behinderungen integrieren, auf Managementebene den Frauenanteil erhöhen und im Rahmen ihrer internationalen Geschäfte Bildungsinitiativen mitfinanzieren. "Erfolgsentscheidend ist, dass wir als Investoren mit unserem Walk-and-Talk-Ansatz über unsere lokalen Repräsentanten im Dialog mit den Firmen kontinuierliche Verbesserungen mitgestalten", erläutert Triodos-Expertin Cabezas.

Diverse Erfolgsfaktoren

Diversität und Geschlechtergleichheit kommt aber auch den Geldhäusern selbst zugute. 43 Prozent der von Frauen verwalteten Fonds, so ergab eine von Goldman Sachs durchgeführte Studie, erzielten eine Outperformance gegenüber dem Markt, aber nur 41 Prozent der Fonds ohne weibliche Manager. "Die risikoaverse Art und langfristige Strategie von Frauen hilft dabei mehr als jedes weibliche Finanzprodukt", ist Fidelity-Expertin Barghoorn überzeugt.

Außerdem erweitert der vielfältige private Hintergrund eines Portfolioteams dessen Anlagehorizont, wie das Beispiel Comgest zeigt. "Der Umstand, dass meine Kollegin Chantana Ward und ich einen Migrationshintergrund haben, hat möglicherweise dazu beigetragen, dass wir uns gerne abseits des Mainstreams umschauen. Auf diese Weise finden wir immer wieder unkonventionelle Investments. Das hat sich in den letzten Jahren immer wieder ausgezahlt", sagt Richard Kaye, Fondsmanager bei Comgest. ETFs sind ein Investmentvehikel, um in der Breite in die Aktien von Unternehmen zu investieren, die sich in Gender-Anlagen engagieren. Die meisten dieser Produkte bilden den Solactive Equileap Global Gender Equality 100 Leaders Index ab. Für die Zusammensetzung werden dreimal im Jahr anhand einer Checkliste 3500 Firmen analysiert.

Die meisten Fondsprodukte mit den Auswahlkriterien Gender und Diversität orientieren sich an den 17 Nachhaltigkeitskriterien der Vereinten Nationen. Zu den Pionieren zählt der 2007 aufgelegte Triodos Pioneer Impact R. Das aus rund 60 Titeln bestehende globale Portfolio investiert in Bluechips und Mid Caps aus unterschiedlichen Branchen, wobei die Sektoren Technologie und Industrie mehr als die Hälfte der Gewichtung stellen.

Der Ampega Diversity Plus P fokussiert seine Titelauswahl ganz auf Europa. Deutsche Firmen geben dabei den Ton an und werden, wie aktuell SAP oder Deutsche Post, schon einmal höher gewichtet. Dagegen investiert der wieder aufgelegte RobecoSAM Global Gender Equality Impact Equities F schwerpunktmäßig in Standardwerte aus den USA. Bei den DAX-Konzernen ist bei der Allianz jede dritte Führungsposition mit einer Frau besetzt. Bis 2021 soll der Frauenanteil bei den Vorstandsposten global auf 25 Prozent steigen. Um die Möglichkeiten zu verbessern, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, werden die Angebote für Teilzeitarbeit in allen Konzernbereichen ausgeweitet.

Der französische Luxusgüterkonzern Kering engagiert sich über eine eigene Stiftung gegen Gewalt gegen Frauen und unterstützt Frauen finanziell auf ihrem Weg zu mehr Eigenständigkeit. Kering unterhält dabei auch etliche Partnerschaften mit Nichtregierungsorganisationen. Eine eigene Initiative der Marke Gucci sammelt Spendengelder für Projekte zu Bildung, Gesundheit und Gerechtigkeit.

Die CEO-Doppelspitze mit Jennifer Morgan hatte der Softwarekonzern SAP 2020 zwar schnell beendet. Mit einem zehnten Platz als bestes deutsches Unternehmen haben die Walldorfer bei einer Studie des auf Genderthemen spezialisierten Instituts Equileap zur Geschlechtergleichheit in 255 europäischen Unternehmen dennoch gut abgeschnitten. Untersucht wurden unter anderem Regelungen für Mutterschaftsurlaub, flexible Arbeitszeiten, gleiche Gehälter und der Frauenanteil in Führungspositionen. Bis 2030, so hat sich SAP zum Ziel gesetzt, soll die Hälfte aller Führungspositionen mit Frauen besetzt werden.