Ein sozialer Megatrend unserer Zeit ist der Drang zur Individualität. Er macht auch vor Grundbedürfnissen wie dem Trinken nicht Halt. Die Freiheit der Wahl was, wann, wie und wo getrunken wird, eröffnet gleichzeitig neue Märkte, die findige Unternehmenslenker für sich zu nutzen wissen. Paradebeispiel ist Red Bull. Bereits 1987 brachte Gründer Dietrich Mateschitz das Produkt auf den Markt und erschuf damit die völlig neue Getränkekategorie der Energydrinks. Mehr als 81 Milliarden Dosen haben die Österreicher seither verkauft. Sie zählen mittlerweile weltweit zu den 15 größten Getränkeherstellern.

Energydrinks sind nach wie vor ein Renner. Nach einer Studie von Allied Market Research belief sich das weltweite Volumen im Jahr 2018 auf 53 Milliarden Dollar und wird den Prognosen zufolge bis 2026 auf 86 Milliarden Dollar zunehmen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von durchschnittlich 7,2 Prozent. Die hohe Nachfrage nach den Energiegetränken, vor allem bei der jungen Generation, führen die Analysten auf verschiedene positive Effekte wie ein verbessertes Gedächtnis oder eine schnell eintretende körperliche Erholung zurück.

Die Lebensgeister wecken möchte auch Monster. Dass der gleichnamige Energy­drink aus den USA bestens ankommt, zeigt ein Blick in die Bilanz des Konzerns. Zwischen 2014 und 2018 erhöhte sich der Umsatz um knapp 60 Prozent, der Nettogewinn konnte sich sogar mehr als verdoppeln. Die Geschäfte liefen zwar auch 2019 rund, die Wachstumsraten lagen aber etwas unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Vorstandschef Rodney Sacks ist dennoch voller Zuversicht, was die weiteren Aussichten betrifft: "Wir haben im dritten Quartal und im Oktober in den USA eine Reihe neuer Energydrinks der Marke Monster Energy sowie drei neue Hochleistungs-Energydrinks auf den Markt gebracht."

Natürlich und gesund


Die Muntermacher bekommen allerdings immer mehr Konkurrenz. Dabei kommt ein zweiter Megatrend ins Spiel: die Gesundheit. Trinkfertige Getränke mit natürlichen Inhaltsstoffen, mehr Energie, weniger Kalorien und weniger Zucker erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Des einen Leid, des anderen Freud: "Die Neigung der Verbraucher zu Bioenergiegetränken dürfte in naher Zukunft lukrative Chancen eröffnen", schlussfolgern die Experten von Allied Market Research.

Getränke, die funktionale Vorteile auf natürlicherer Basis suggerieren, stehen auch bei den Getränkeriesen PepsiCo und Coca-Cola hoch im Kurs. So hat erst vor wenigen Monaten PepsiCo den Hersteller von pflanzlichen Protein- und Wellness­produkten CytoSport übernommen. Erzrivale Coca-Cola ist ebenfalls längst auf den Zug aufgesprungen und brachte 2018 mit AdeZ ein auf Pflanzen basierendes Fruchtmixgetränk auf den Markt. Damit propagiert der Brause-Riese den Trend zum gesunden Lebensstil.

Research and Markets räumt den pflanzenbasierten Getränken bis zum Jahr 2023 ein Potenzial von bis zu 19,7 Milliarden Dollar ein, das kommt einer jährlichen Wachstumsrate von überdurchschnittlichen zwölf Prozent gleich. Die neuen Stars der Industrie revolutionieren nebenbei auch noch den Milchmarkt. Getränke aus Nüssen, Körnern oder Samen sind inzwischen weltweit zu Lifestyleprodukten mutiert. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie enthalten ebenso Proteine, Mineralien und Vitamine und sind dabei noch besser verdaulich als Milchprodukte.

Um am Markt bestehen zu können, hat Branchengröße Danone das Sortiment um sogenannte tierfreie Milchprodukte erweitert. Dazu übernahm der Konzern in der jüngsten Vergangenheit spezialisierte Unternehmen wie White Wave Foods, zu denen Marken wie das auf Soja basierende Alpro und die Biomarke Provamel gehören. Im Oktober 2019 brachte Danone dann mit Activia auch seinen ersten probiotischen Joghurt als Sojavariante auf den Markt. Mit dem zu 100 Prozent pflanzenbasierten Produkt möchten die Franzosen noch mehr Verbraucher anlocken, denn die vegane Zielgruppe gilt als kaufkräftig, qualitätsbewusst und treu.

Wasser marsch


Während ökologische und gesunde Drinks auf dem Vormarsch sind, geraten die Zuckerbomben immer mehr ins Abseits. Daher investieren Hersteller wie PepsiCo und Coca-Cola viel Geld, um sich von diesem ihnen seit Jahrzehnten anhaftenden Image zu befreien. Das gelingt auch immer mehr: Coca-Cola erzielte etwa in den vergangenen Quartalen kräftige Geschäftszuwächse aufgrund seines Verkaufsschlagers Zero Sugar. Die auch von Warren Buffett favorisierte Firma setzt zudem verstärkt auf Wasser. Smartwater nennt sich beispielsweise ein Lifestylewasser des Konzerns, das auf dampfdestilliertem und mit Mineralsalzen versetztem Wasser basiert.

Der Trend zu dem klassischen Durstlöscher ist groß. Laut einer Umfrage der International Bottled Water Association Anfang 2019 bevorzugen mittlerweile mehr als sieben von zehn US-Bürgern stilles oder sprudelndes Wasser als alkohol­freies Getränk, neun Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch hierzulande geht es mit der Wassernachfrage steil nach oben. Die Erlöse der heimischen Mineralbrunnen­industrie legten zwischen 2002 und 2018 von 2,8 auf 3,6 Milliarden Euro zu. Darüber hinaus nahm der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Mineralwasser in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zu. Lag dieser 1970 noch bei 12,5 Liter, beträgt er mittlerweile mehr als 150 Liter.

Diesen Boom ausgelöst haben unter anderem die "Enhanced Waters", also mit zusätzlichen Zutaten versetztes und somit vermeintlich verbessertes Wasser. Eine Entwicklung, die auch am Branchenriesen Nestlé - rund ein Zehntel der Erlöse erzielen die Eidgenossen im Wassergeschäft - nicht vorbeigegangen ist. Der Schweizer Konzern, der mit bekannten Marken wie Perrier, San Pellegrino oder Vittel am Markt vertreten ist, setzt unter seinem Chef Mark Schneider vor allem auf hochmargige Premiummarken. So sollen Wasser von Marken wie Perrier beispielsweise mit gesunden Zusatzstoffen oder kalorienfreien Aromen veredelt werden.

Ein Prost auf die Aktien


An neuen Zusätzen oder Mischungen mangelt es in der Alkoholbranche ebenfalls nicht. Sogenannte Hybridgetränke, ein Mix aus Hochprozentigem mit Getränken verschiedener Kategorien, erobern dabei den Markt. Dazu zählen Geschmackskombinationen wie Tee mit Wodka. Den höchsten Konsum von Alkohol verbucht Asien, gefolgt von den USA. Laut dem Marktforscher IMARC sorgt unter anderem die global zunehmende Verstädte­rung für eine hohe Nachfrage nach Premiumgetränken, die ein einzigartiges und innovatives Trinkerlebnis versprechen. IMARC erwartet daher, dass der Alkoholmarkt bis 2024 einen Wert von 1,45 Billionen Dollar erreichen wird, ausgehend von 1,23 Billionen Dollar 2018. Eine gewichtige Rolle in dem Segment spielt die Nummer 2 auf dem weltweiten Spirituosenmarkt, Pernod Ricard. Der französische Konzern, zu dem Marken wie Ramazzotti, Havana Club und Absolut zählen, baut derzeit sukzessive sein "Ready to Drink"-Portfolio aus. Mit diesen fertigen Mixgetränken zielt das Unternehmen auf den zunehmenden Convenience- Trend ab. Neben den guten operativen Aussichten sorgt auch der aktivistische Investor Elliott, der seit gut einem Jahr an Bord ist, für Fantasie bei dem Titel.

Trinken mit künstlicher Intelligenz


Positiv sieht es ebenfalls für die Aktie des Marktführers Diageo aus. Das Unternehmen, das Brands wie Johnnie Walker, Smirnoff und Captain Morgan unter seinem Dach vereint, ist im Moment vor ­allem in den USA sehr erfolgreich. Um den Geschmack der Konsumenten noch besser zu treffen, brachte Diageo jüngst ein Softwareprogramm auf den Markt, welches aufgrund von künstlicher Intelligenz die Geschmackspräferenzen der Verbraucher analysiert und ihnen dadurch ­einen "personalisierten" Whisky empfehlen kann.

Aus dem Non-Alkohol-Bereich überzeugen neben Danone auch die Aktien der US-Riesen Coca-Cola und PepsiCo, an denen in der Getränkeindustrie kein Weg vorbeiführt. Für den Energydrink-Hersteller Monster wird aufgrund des abflauenden Gewinnwachstums, das sich laut dem Analystenkonsens in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte, die Luft auf dem aktuellen Kursniveau aus Bewertungssicht allmählich dünn. Auf den Geschmack kommen sollten Anleger dagegen mit dem Wasserspezialisten Nestlé. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass der Schweizer Bluechip hierzulande nur außerbörslich gehandelt werden kann.