Bei einem nächtlichen Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin hatten zuvor die zentralen Entscheider in der Euro-Schuldenkrise ihre Positionen abgestimmt. Fraglich war, ob Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras einschlägt. Europas Börsen schwankten erneut zwischen Bangen und Hoffen.

Eine Einigung auf die Reformauflagen würde weitere Hilfen der Euro-Zone und des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 7,2 Milliarden Euro entsperren, die das bereits seit 2010 vom Kapitalmarkt abgeschnittene Land dringend benötigt. Am Freitag wird eine weitere Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von 300 Millionen Euro fällig; Griechenland muss dem Fonds im Juni insgesamt 1,6 Milliarden Euro überweisen.

An dem überraschenden Treffen mit Merkel nahmen Frankreichs Präsident Francois Hollande, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde teil. Angekündigt war nur eine Begegnung Merkels mit Hollande und Juncker zu einem völlig anderen Thema. Nach dem dreistündigen Treffen erklärte ein deutscher Regierungssprecher, die Runde sei einig gewesen, "dass nun mit großer Intensität weitergearbeitet werden muss". Die Gesprächspartner blieben in Kontakt - untereinander und mit der Regierung in Athen.

Unter den Geldgebern gibt es Überlegungen, der griechischen Regierung ein finales Angebot zu machen und eine Entscheidung in Athen zu erzwingen. Eine mit dem Verhandlungsstand vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es werde intensiv an einem Entwurf für eine Vereinbarung gearbeitet: "Wir sind fast fertig." Der IWF und die europäischen Partner würden noch an einigen Details feilen. Die technischen Gespräche laufen in Brüssel unter der Begleitung der Finanzminister der Euro-Gruppe. Deren Vorsitzender Jeroen Dijsselbloem forderte die Regierung in Athen auf, ehrlich zu den Wählern bei der Finanzlage des Landes zu sein.

TSIPRAS VOR DER WAHL ZWISCHEN REFORM ODER PLEITE



Hauptstreitpunkte sind Reformen des Arbeitsmarktes und des Rentensystems. Bei letzterem Thema gibt es nach Angaben von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici auf griechischer Seite Bewegung. Nach jahrelanger Rezession will die Regierung den Griechen aber keine sozialen Einschnitte mehr zumuten. Nach dem Treffen in Berlin spielte Tsipras den Ball zurück ins Feld der Gläubiger, denen in der Nacht ein Plan übermittelt worden sei: "Wir haben Zugeständnisse gemacht, denn für Kompromisse sind Zugeständnisse nötig", sagte er. Die Entscheidung liege bei den politisch Verantwortlichen in Europa. Eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte, Griechenland mache in dem Plan keine größeren Zugeständnisse bei Renten- und Arbeitsmarktreform.

Arbeitsminister Panis Skourletis lehnte im Sender Skai TV Zugeständnisse ab: "Wir warten darauf, dass die andere Seite ihrer Verantwortung nachkommt." Tsipras kämpft seit Wochen mit dem linksradikalen Flügel seiner Partei, die eine Fortsetzung der Sparpolitik vehement ablehnt. Sein Stellvertreter Yannis Dragasakis schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Weder akzeptiert die Regierung Ultimaten noch lässt sie sich erpressen." Nach Angaben aus der französischen Regierung sind sich die Geldgeber noch nicht einig über das weitere Vorgehen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die Gespräche mit den Griechen in Brüssel dauerten an: "Die Tatsache, dass Dokumente ausgetauscht werden, ist bereits ein gutes Zeichen." SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: "Ich finde es absolut richtig, dass Deutschland und Frankreich noch einmal einen Versuch unternehmen, zu einer Lösung zu kommen." Er hoffe sehr, dass die griechische Regierung darauf eingehe. Denn die politischen Konsequenzen einer Insolvenz des Landes wären "gigantisch".

An den Börsen wechselten sich die Furcht der Anleger vor einer Pleite Griechenlands und die Hoffnung auf eine Einigung ab. Am deutschen Aktienmarkt waren die Skeptiker in der Überzahl. Der Dax verlor bis zum Nachmittag mehr als ein Prozent. Der EuroStoxx50 notierte dagegen nur knapp im Minus. Der Athener Aktien-Leitindex lag um 1,2 Prozent im Minus. Der Euro stieg um fast drei US-Cent auf 1,1191 Dollar.