Dass Arvind Krishna so nicht weitermachen würde, war zu erwarten. Nach einem halben Jahr auf dem Chefsessel von IBM tut sich nun etwas. Der IT-Riese soll sich neu erfinden. Der 58-jährige Manager hat zwar sein ganzes Berufsleben bei dem als träge geltenden Konzern verbracht. Aber überwiegend arbeitete Krishna in Bereichen, die von Dynamik geprägt sind: Cloud-Lösungen, künstliche Intelligenz, Datenbanken, Quantencomputer oder Blockchain.
IBM ist in vielen Bereichen führend. Der US-Konzern hat die leistungsstärksten Computer, die Softwareabteilung gehört zu den größten der Welt. Allerdings ist der Konzern mit seinen 350 000 Mitarbeitern auch behäbig, sagen Analysten. Davon können Aktionäre ein Lied singen: Zwar liefert "Big Blue", wie der Konzern häufig genannt wird, stattliche Gewinne und eine ordentliche Dividende. Doch wenn es um Dynamik geht, ist nicht viel zu holen. Deshalb läuft die Aktie dem Markttrend hinterher. In einer Zeit, in der Technologiewerte haussieren, in der die Digitalisierungsgewinner gefeiert werden, steht die IBM-Aktie an der Seitenlinie. Während der Titel in den vergangenen fünf Jahren einen Totalertrag von vier Prozent schaffte, gewann die Aktie von Microsoft rund 349 Prozent. Dieser Vergleich ist aus einem weiteren Grund spannend. Bei Microsoft sorgte der ebenfalls indischstämmige Manager Satya Nadella für die Wende. Auch er hatte zuvor die CloudAbteilung geleitet, die später zum bestimmenden Element geformt wurde.
Aufspaltung kann Kräfte freisetzen
Krishna hat ebenfalls ehrgeizige Pläne auf seiner Agenda. Bis spätestens Ende kommenden Jahres wird sich der Konzern aufteilen. Das klassische Dienstleistungsgeschäft für Unternehmen wird in eine eigenständige Gesellschaft überführt und an die Aktionäre abgespalten. Der Bereich wird dann mit einem Umsatz von rund 19 Milliarden US-Dollar mit Abstand weltweiter Marktführer sein und ordentliche Cashflows erwirtschaften. Er gilt aber als wachstumsschwach.
Die neue IBM wird aus Superrechnern, der Softwareabteilung und den Servicebereichen bestehen. Krishna plant, dieses Geschäft auf den Markt für Hybrid-Cloud-Lösungen auszurichten, bei denen die Daten an unterschiedlichen Orten hinterlegt werden. In diesem Markt, der laut Krishna 1000 Milliarden Dollar schwer werden soll, will IBM dank der Expertise in Datenanalyse und künstlicher Intelligenz vorn dabei sein.
Natürlich wird der Konzernumbau nicht über Nacht passieren, und die Transaktion dürfte Sonderkosten verursachen, die die Gewinne in den kommenden Quartalen belasten werden. Aber spätestens Ende 2021 sollen die Bereiche getrennt sein. Und es ist davon auszugehen, dass die Anleger schon im Vorfeld darüber spekulieren werden, was die neue IBM einmal wird verdienen können. Spätestens dann dürfte sich die Aktie auf den Weg machen, den aktuellen Bewertungsdiscount abzubauen. Auf dem Weg dorthin können Anleger auch noch eine Dividendenrendite von über fünf Prozent kassieren.