Schaut man sich die Lieblingsfonds und -ETFs der Deutschen an, gibt es eigentlich nicht viel zu meckern: Fonds von seit Jahren erfolgreichen Managern wie Bert Flossbach, viele Hunderte Titel enthaltende ETFs auf Indizes wie den MSCI World, altgediente und grundsolide Aktienfonds wie der DWS Top Dividende - Deutsche Anleger scheuen offenbar nicht mehr vor Aktien zurück, setzen auf bewährte Produkte und legen abgesehen von einer kleinen Schwäche für Short-ETFs, mit denen man auf fallende Kurse wettet, nicht in abseitigen Nischen an. Genau diese ausgewogene Art der Geldanlage predigen die Finanzerklärer der Republik schon seit Jahren. Also alles bestens? Nicht ganz. Nimmt man die Lieblingsfonds der Deutschen genauer unter die Lupe, fehlt es nämlich doch an einer Sache: der Nachhaltigkeit.

€uro hat deshalb die 100 beliebtesten deutschen Fonds und ETFs einem Öko-Check unterzogen. Grundlage war eine exklusiv für €uro erstellte Liste der im Jahr 2020 meistgehandelten Produkte bei Comdirect, einem bei Privatanlegern und Fondskäufern beliebten Onlinebroker. Die Nachhaltigkeitsanalyse erfolg- te auf Basis des €uro-Eco-Ratings, das der österreichische Datenanbieter und Nachhaltigkeitsexperte Mountain-View Data seit Kurzem für €uro errechnet.

Das Eco-Rating bestraft Fonds und ETF, wenn sie in Waffenhersteller, Kohleproduzenten, Atomkonzerne oder Unternehmen investieren, die sich nicht an den im UN Global Compact vereinbarten Kriterien für gute Unternehmensführung orientieren. Besonders wichtig für ein gutes Rating sind aber ökologische Faktoren, insbesondere der Klimaschutz (siehe Kasten unten).

"Mittlerweile hat die Allgemeinheit erkannt, dass jede Veränderung des Klimas drastische Folgen mit sich bringt", sagt Wolfgang Matzner, Geschäftsführer von Mountain-View. Er weist auch darauf hin, dass bei den europäischen Regeln für grüne Finanzprodukte der Klimaschutz künftig eine gewichtige Rolle spielen wird. "Heutzutage haben auch Anleger die Möglichkeit, ihr Tunlichstes zum Erhalt unserer Umwelt beizutragen", so Matzner. "Das €uro-Eco-Rating macht die Klimafreundlichkeit quantifizierbar und so klimafreundliche Investments für den Anleger kinderleicht erkennbar." Derzeit haben fast 6000 Fonds eine grüne FondsNote. Von den 100 untersuchten Produkten tragen immerhin über zwei Drittel ein Rating, wobei €uro bei den klassischen ETFs die Note des Index auf alle Indexfonds übertragen hat. Bei den unbenoteten Produkten handelt es sich in der Regel um Offene Immobilienfonds, synthetische Hebel- oder Short-ETFs sowie Fonds, die ihre Investments nicht hinreichend transparent machen.

Die 50 Lieblings-ETFs der Deutschen

Vor allem ETFs patzen. Was sofort auffällt: ETFs, die Indizes wie den DAX abbilden, schneiden meist mies ab. Nur drei der 50 deutschen Lieblings-ETFs haben das beste Eco-Rating "A". Der erste investiert in Aktien aus dem Bereich erneuerbare Energien, der zweite in Titel aus dem Wasserbereich, der dritte bezieht explizit Umwelt- und Sozialkriterien in die Indexauswahl mit ein. Immerhin mittelmäßig schneiden die reinen ETFs für Technologieaktien ab. Mehr als die Hälfte der 50 ETFs hat dagegen die schlechteste Öko-Note "E". Mitunter liegt das an einzelnen Positionen. Schon Produkte mit einem einzigen Kohlestromproduzenten oder Kohleförderer, der auf der Ausschlussliste des Norwegischen Pensionsfonds steht, bekommen automatisch ein "E".


Das ECO-RATING von €uro

Ein Paradebeispiel für ein schmutziges Investment ist der US-Aktienindex S & P 500, auf den unter anderem die Blackrock-Tochter iShares einen umgerechnet 35 Milliarden Euro schweren ETF anbietet. Die größten Positionen dort sind unproblematische IT-Riesen wie Apple, Microsoft und Amazon, sogar der E-Autopionier Tesla gehört zu den größten Werten. Wer weiter hinten in der Liste der 500 Indexmitglieder sucht, entdeckt aber viele Firmen, um die Anleger mit Verantwortungsbewusstsein lieber einen Bogen machen. Das sind zum Beispiel American Electric Power und First Energy, die Kohle- und Atomkraftwerke betreiben, sowie Peabody, der größte private Kohleförderer der Welt. Aber auch die Ölriesen Chevron und ExxonMobil sowie die Rüstungskonzerne Boeing, Lockheed Martin, Raytheon, Honeywell International und General Dynamics, die auf der Liste der Nichtregierungsorganisation Ican als Atomwaffenhersteller geführt werden, sind im S & P 500. Da diese Konzerne auch im 1600 Titel umfassenden und bei Anlegern beliebten Weltaktienindex MSCI World auftauchen, der zu zwei Dritteln aus US-Aktien besteht, hat der ebenfalls die schlechteste Note "E".

Wer als Europäer nun eine moralische Überlegenheit in sich aufsteigen fühlt, freut sich zu früh. Gute Unternehmensführung und Umweltbewusstsein werden in Europa zwar großgeschrieben, doch es gibt auch hier genug kritische Firmen. Im MDAX sind zum Beispiel die Rüstungsfirmen Airbus, Thyssenkrupp und Rheinmetall, außerdem die Lufthansa und der Atom- und Kohlestromproduzent Uniper. Weil Norwegens Pensionsfonds dessen Ausschluss erst prüft und noch nicht beschlossen hat, erhalten MDAX-ETFs immerhin noch die zweitschlechteste Note "D".

Bei DAX-ETFs, die deutsche Anleger besonders häufig kaufen, sorgt hingegen der vom Norwegischen Staatsfonds ausgeschlossene Kohlestromproduzent RWE für die schlechteste Note "E", außerdem hinterlassen die Automobilbauer Daimler, BMW und VW einen dicken CO2-Fußabdruck. Und im europäischen Stoxx 600 finden sich neben Airbus und RWE die Ölkonzerne Royal Dutch Shell, Total und BP, die Kernkraftwerksbetreiber Iberdrola, Enel und Engie sowie die Rüstungskonzerne BAE Systems, Thales, Safran und Leonardo Finmeccanica, die alle auf der Liste der Atomwaffenhersteller stehen.

Konventionelle ETFs hinterlassen in Sachen Nachhaltigkeit also sehr oft ein desolates Bild. Wer mit gutem Gewissen in breitere Indizes mit vielen Aktien investieren will, sollte lieber zu den grüneren SRI- und ESG-ETFs greifen, die solche Firmen einigermaßen zielsicher herausfiltern. Der grüne SRI-ETF der UBS auf den MSCI World, der ebenfalls in unserer Liste der beliebtesten Fonds ist, trägt jedenfalls Bestnote "A". Er brachte in fünf Jahren sogar noch etwas mehr Gewinn als ein klassischer MSCI World ETF.

Aktive Fonds überzeugen öfter. Bei den aktiven Fonds scheint es sich häufig auszuzahlen, dass am Ende ein Fondsmanager über die Auswahl der Titel entscheidet. Vor allem in Grauzonen können sie Fehltritte verhindern. Jedenfalls gibt es unter den 50 beliebtesten aktiven Fonds nur acht mit dem schlechtesten €uro-Eco-Rating "E", dafür aber drei mit der Bestnote "A", drei mit "B" und zehn, die immerhin ein akzeptables "C" bekommen.

Die 50 Lieblingsfonds der Deutschen

Besonders stark sind mit einem "A" die Nachhaltigkeitsfonds im Ranking: der Ökoworld Ökovision Classic, der von einem Team um Alexander Mozer gesteuert wird, und der Nordea Global Climate and Environment Fund. Beide haben sich den Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben und investieren entsprechend. Im Nordea-Fonds ist etwa das in der Abfallwirtschaft tätige Unternehmen Waste Management, im Ökovision Classic sind diverse Firmen aus den Bereichen Energieeffizienz, Gesundheit und erneuerbare Energien.

Erstaunlich: Der Nebenwertefonds Lupus alpha Smaller German Champions, der in kleinere deutscher AGs investiert, zeigt, dass man auch als konventioneller Fonds ein sehr gutes Eco-Rating schafft. Obwohl dort die Aktie von Airbus die größte Position ist, leistet er sich keine weiteren gravierenden Fehltritte, hat eine gute CO2-Bilanz sowie Unternehmen mit Umweltorientierung wie den Lieferdienst Hellofresh im Portfolio. Anders bei den DWS-Fonds: Sowohl im DWS Deutschland von Tim Albrecht als auch im DWS German Equities Typ 0 und im DWS Aktien Strategie Deutschland von Hansjoerg Pack finden sich die Anteile von RWE. Schon deshalb werden sie auf die schlechteste Note "E" herabgestuft. Wie es besser geht, zeigt der Fondak, der immerhin ein mittelmäßiges "C" trägt. RWE ist nicht im Fonds, auch andere kritische Firmen wie Airbus oder Thyssenkrupp fehlen. Der Gewinn des von Thomas Orthen geleiteten Fondak war in den vergangenen fünf Jahren trotzdem vergleichbar mit dem der DWS-Fonds.

Dass die Nachhaltigkeit eines Fonds auch von den Titeln abhängt, die für ein Produkt zur Auswahl stehen, zeigt das Beispiel DWS Top Dividende. Der von Thomas Schüßler gemanagte 17 Milliarden Euro schwere Fonds investiert in Unternehmen, die hohe Dividenden ausschütten, und ist bei deutschen Anlegern äußerst gefragt. Allerdings handelt es sich bei starken Dividendenzahlern häufig um Konzerne aus umstrittenen Bereichen, die ihre Aktionäre mit den Ausschüttungen bei der Stange halten. Im Fonds sind Ölkonzerne wie BHP, Total und Schlumberger, die Gasproduzenten Dominion und WEC Energy sowie die Tabakhersteller British American Tobacco, Imperial Brands oder Philip Morris. Das Eco-Rating: ein ungenügendes "E".

Im Mittelfeld angesiedelt sind viele Technologie- und Mischfonds. Die Techfonds umgehen oft die größten Fettnäpfchen, ihre häufigsten Positionen sind die IT-Riesen Apple, Microsoft, Amazon und Facebook. Da sie keine klare Umweltorientierung vorweisen und auch der CO2-Fußabdruck der Fonds nicht besonders gut ist, bekommen sie dennoch die mittelmäßigen Noten "C" oder "D". Das ist auch bei vielen Mischfonds so, etwa beim mit 21,5 Milliarden Euro Kapital sehr großen Flossbach von Storch Multiple Opportunities, den Bert Flossbach managt. Er leistet sich keinen großen Ausrutscher mit Kohle-, Rüstungs- und Atomaktien, dafür hat er aber auch kaum Titel aus den Bereichen erneuerbare Energien, Klimaschutz und Umweltschutz im Fonds. Zudem hat das Portfolio einen großen CO2-Fußabdruck. So reicht es für den Flossbach-Fonds nur zu einem "D". Ganz ähnlich ist es beim Carmignac Patrimoine.

Grün allein reicht nicht. Das €uro-Eco-Rating verschafft Anlegern einen guten Eindruck, wie grün ein Produkt ist. Doch es sagt nichts über dessen Wertentwicklung aus. Längst nicht alle Fonds mit gutem Eco-Rating machen auch Gewinne. Beispiel Dirk Müller Premium Aktien, der das Eco-Rating "B" trägt: Mit Titeln wie dem Windkonzern Vestas oder dem Ökolachs-Züchter Bakkafrost hat der von Dirk Müller gemanagte Fonds durch die grüne Brille betrachtet zwar ein tolles Portfolio, ein Kauftipp ist er trotzdem nicht. Schließlich wollen auch verantwortungsbewusste Anleger ihr Geld vermehren - und nicht vermindern. Genau das schaffte Müllers Fonds aber, er machte in den vergangenen fünf Jahren konstant Verluste. Darüber tröstet auch ein gutes Eco-Rating nicht hinweg.